Wer Erfahrung mit Umbauten und wer Erfahrung mit knappen Budgets hat, würde sagen: Entweder, oder! Oder gleich „Nein“, weil ein knappes Budget auch knappes Honorar bei großem planerischem Aufwand bedeutet. Herwig Neyer hat als langjähriger Bauleiter, Planer und Kostenrechner Erfahrung mit beidem und entschied sich trotzdem, die Familie bei diesem Umbau zu begleiten. Ob er es nochmals machen würde? „Ja, mit so einer Bauherrschaft schon. Sonst auf keinen Fall!“ Wenn eine positive Grundstimmung, wenn so ein Optimismus herrscht, dann geht das. Dazu kam ein Haus mit Geschichte. Die Mutter war in jungen Jahren, als eine Betroffene vom großen Lawinenunglück in Blons 1954 ins Rheintal ausgewandert. Ein kleines Schwarz-Weiß-Bild zeigt das ursprüngliche Elternhaus in Blons. Ein Holzbau, Strickwerk, geschindelt, dunkel von der Sonne und ein steiles Satteldach obenauf. Die Bilder vom kleinen Siedlungshaus, das damals hier ziemlich alleine stand, gleichen dem fast. Auch ein Holzbau und nur etwa acht auf acht Meter im Quadrat, in dem die junge Familie auf zwei Stockwerken wohnte. Jahre später hatte man noch eine Zimmerbreite im Garten drangebaut. Das Haus war immer schon in zwei Einheiten geteilt. Eine Einliegerwohnung nach rückwärts und Wohnzimmer-Küche zur Straße. Beim Umbau hatte man sich auch auf die Eide eingelassen, die ein Verkäufer auf die sauber, weißen Faserzementschindeln geschworen hatte und die hölzernen entfernt. Bald abgeblättert und unansehnlich wurde bei einem weiteren Ausbauschritt ein Fachwerk aus dünnen Brettern, dazwischen Verputz vorgeblendet. Was so alt und romantisch aussah, war in Wirklichkeit nicht viel wert und wurde beim jetzigen Umbau entfernt.
Die Familie und der Planer ließen sich Zeit, die neue Ordnung zu entwickeln und man prüfte sorgsam, was bleiben sollte und was verbessert werden musste. Schließlich war es gut und der geduldig-mühsame Weg des Umbaus begann. Die Fassade und die Fensterläden wurden vollständig erneuert, einige Fenster blieben. Die Wohnung der Familie bekam neue Böden und Installation und verschiedene Durchbrüche wurden gesetzt. Die Wohnung der Mutter im Obergeschoß wurde hingegen kaum angetastet. Sie war auch der Rückzugsort, wenn beim Bau die Spatzen durch den Rohbau im Erdgeschoß flogen. Beginnen wir von unten. Um den Wohnraum für die bald fünfköpfige Familie zu vergrößern, wurde die Kellerhälfte zum Garten zum Arbeitsraum und zu einem Elternschlafzimmer samt Bad ausgebaut. Der Abgang gelang über einen Anbau an der Seite, der Windfang und Stiegenhaus wurde. Vier Sichtbetonscheiben geben den Rhythmus vor und schirmen zum Nachbargrundstück ab. Aus dem Keller führt eine zweite Außentreppe in den Garten, der ein wichtiger Lebensraum für die Familie ist.
Im erhöhten Erdgeschoß blieb die Küche an ihrem Platz und durch den Anbau einer Loggia entstand eine vielfältig nutzbare Folge von drei Wohnräumen, die als Spielzimmer, als Ess- und Wohnraum und die Loggia als überdecktes und abgeschirmtes Sommerzimmer genutzt werden. Zwei Kinderzimmer und ein Bad runden das nun ausreichend große Angebot an Räumen ab. Die Bauleute lieben die Atmosphäre und Stimmung alter Möbel, ihre handwerkliche Feinheit und auch deren biografischen Reichtum. Die sorgfältige Ausstattung aller Räume zeigt, wie begeistert und liebevoll ein Haus besiedelt werden kann.Was war der Schlüssel für diese ganz ungezwungene Wohn- und Wunderwelt? Man kann nicht wirklich große architektonische Maßnahmen aufzählen, aber das gute Zusammenspiel der ordnenden Hand des Planers, der so viel wie möglich an Ruhe und Kontinuität in das Haus brachte und das muntere Wachstum und die Verflechtung von Einrichtung und Dekoration durch die Bauleute sind wohl Erklärungen dafür. Die Heimatgemeinde der Bauleute Lauterach findet nur mit Mühe eine Mitte. Zu weitverzweigt und zu introvertiert scheint sich ein Geflecht von kleinen Straßen und Einfamilienhäusern auszubreiten. Man mag das zu Recht kritisieren, aber der Schritt, diesen Teppich durch solche geduldige Umbauten zu verdichten hat auch Gutes. Die Verwurzelung mit dem Ort, mit den Nachbarn, die Nähe und die unsichtbare Ordnung bestechen, mit der die sonst öden Zwischenräume munter bewohnt werden. Alle wohnen nach Süden und der Garten wird zum halbprivaten Teil einer Wohnung, die erst am Nachbarhaus zu enden scheint. Lärmige Spielflächen und ruhige Gartenlauben scheinen sich von selbst zu arrangieren. Man entdeckt eine Baukultur ohne Sterne und eine Wohnkultur mit Charme.
Daten & Fakten
Objekt: Umbau Zweifamilienhaus Lauterach
Eigentümer: Alexandra und Günther Birnbaumer
Planung: Herwig Neyer Architekturbüro, Baumeister, Altach
Statik: SSD Ingenieure , Benno Kopf, Röthis
Planung: (Zeit) 2009–2010
Ausführung: 2010–2011
Wohnnutzfläche: 134 m² (Wohnung Erd- und Untergeschoß), 78 m² (Wohnung Obergeschoß)
Keller: 42 m²
Grundstücksgröße: 700 m²
Heizenergiebedarf: 41 kWh/m² pro Jahr
Eigenleistung: Abbruch und Ausbau mit Böden
Bauweise: Holzstrickbau, neue Putzwärmedämmfassade 18 cm, Holzdecken, Kaltdach mit 25 cm Dämmung, Dachziegeldeckung Bestand; neuer Hauseingang Sichtbetonfertigteile mit Innendämmung; Keller: Stampfbetonwände und Betonsteine, neue Perimeterdämmung; Fußböden: Dielen aus Eiche; Heizung: neue Wärmepumpe mit Tiefensonde; Elektro: Photovoltaikanlage; neue Innenwände aus Gipskarton; neue Lärchenfenster mit Schiebeläden; Küche: Bestand
Ausführung: Baumeisterarbeiten: Erath, Bregenz; Zimmerer: Holzbau Rauch, Egg; Fenster und Läden: Josef Tiefenthaler, Ludesch; Heizung/Lüftung: Dorfinstallateur Robert Feuerstein, Götzis; Verputzer: Gebhard Pfeiffer, Lauterach; Schlosser: Stahlbau Fraisl, Feldkirch; Spengler: Schwendinger + Fink, Wolfurt; Holztreppe Eingang: Zimmerei Berchtold, Wolfurt
VN/ Leben & Wohnen
Für den Inhalt verantwortlich: vai Vorarlberger Architektur Institut
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Architektur vor Ort 104
Die monatliche Architekturführung des vai ist zu Gast im soeben in Betrieb genommenen Kindergarten in Lustenau, Ortsteil Rheindorf. Holzbauweise, innen wie außen in sägerauer Weißtanne verkleidet, sind einige der ökologischen Vorzüge des Gebäudes, von den städtebaulichen können sich Interessierte vor Ort überzeugen. Fr., 20. September 2013, 17 Uhr, Neudorfstraße 7, Lustenau.
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