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Ein Haus voller Geschichte(n)

Die Krone: "Schon bei der Entstehung des originalen Lokals war unser Ziel: Es sollte das behaglichste Lokal werden." Helmut Hutter, Bauherr
Die Krone: "Schon bei der Entstehung des originalen Lokals war unser Ziel: Es sollte das behaglichste Lokal werden." Helmut Hutter, Bauherr ©Darko Todorovic
Dornbirn - Starke Häuser bestehen nicht nur aus Holz und Stein. Manche sind gefüllt mit Geschichten und Identität, um die herum man ein Gebäude auch mal wieder neu errichten kann.
Leben & Wohnen in Dornbirn

Die Baubewilligung von „Rat und Gemeindevertretung“ aus dem Jahr 1658 ist – gemäß den Archiven – Dornbirns ältester Baubescheid und schrieb bereits damals für die Errichtung einer Hofstatt eine einheitliche Ausrichtung des Daches und Maßnahmen für den Hochwasserschutz vor. Und es war die Großmutter des heutigen Besitzers, die mit großem Unternehmergeist als Köchin den Gasthof zur Krone samt großem Tanzsaal übernahm. Zur Gänze mit geborgtem Geld finanziert, gelang es ihr mit ihrem Mann das Haus vollständig abzuzahlen und bis in die 1950er-Jahre als Gasthof zu führen. In diesen Zeiten gab es in Dornbirn eine große Zahl von gutgehenden Gastwirtschaften, die mit ihren Bierhallen, Kegelbahnen und Tanzsälen die Bühnen für Gesellschaft, Austausch und das öffentliche Leben waren. Zahlreiche Vereine nutzten die Säle. Bemerkenswert ist auch der historische Bezug zur Arbeiterbewegung in Vorarlberg. Hier wurde 1894 die Dornbirner Textilarbeitergewerkschaft gegründet. Ab 1908 war die heutige Rätschkachl Parteilokal der sozialdemokratischen Italienerorganisation von Dornbirn.

Erst durch den breiter werdenden Wohlstand der Wirtschaftswunderzeit traten die Gasthöfe langsam als verlängertes Wohnzimmer und als Medium für Neuigkeiten, Politik und Unterhaltung in den Hintergrund. Die „Krone“ wurde weitervererbt, Saal und Gasthof wurden geteilt und die rund 15 Zimmer bald ohne den Gastbetrieb einzeln vermietet.

Etwa 1980 kam neue Bewegung in das Haus, als die Architekten Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle dort zwei Räume im 1. Stock bezogen und das heute größte und erfolgreichste Architekturbüro des Landes begründeten. Sie besorgten diverse Adaptierungen im Haus für den Vermietungsbetrieb, haben aber vor allem den Einbau eines kleinen und feinen Bar-Restaurants im Sockelgeschoß gestaltet: Die Rätschkachl. Von Anfang war die Ambition, erstklassige Getränke und ein gutes Filetsteak in einem besonderen und intimen Ambiente zu servieren. Bauherr und Architekten hatten bereits damals genug Großstadtluft geatmet, um ein Lokal zu schaffen, das auch den eigenen internationalen Erfahrungen an Stil und Gastlichkeit gerecht wird. Die Intimität und zugleich der stilvolle Luxus eines Empfangs erinnern an ebenfalls winzige Spitzenlokale in Frankreich. Das Wien der 80er- Jahre blitzt ebenfalls auf, dessen Bars und Cafés Treffpunkt, Brennpunkt und bevorzugtes Experimentierfeld der österreichischen Kunst- und Architekturavantgarde waren. Das lässige Spiel mit architekturhistorischen Zitaten, mit Material, Licht und Spiegeln haben die beiden Architekten in diesem Frühwerk lustvoll variiert.

Der Schock war groß, als im Oktober 2010 die Obergeschoße brannten und als zwar nicht das Feuer, aber das Löschwasser auch das Lokal verwüstete. An diesem Punkt beginnt der große Verdienst des Bauherrn Helmut Hutter: Aus einer sehr persönlichen Verbundenheit beschloss er sein Elternhaus wieder aufzubauen und das Lokal wieder originalgetreu instand zu setzen. Carlo Baumschlager erklärte sich sofort bereit, diese aufwendige Übung zu übernehmen und konnte gemeinsam mit seinem Team und einer Reihe von ausgezeichneten Handwerkern eine vielfach erstaunliche Replik dieses alten Rheintalhauses schaffen. Historische Nachbauten stehen schnell im Verdacht eines verkaufswirksamen Spiels mit billigen Versatzstücken. Das Gegenteil ist hier der Fall.

Das Geschäftsmodell der Zimmervermietung im alten Haus fand im neuen Setting eines Appartementhauses eine perfekte Entsprechung. Viele Geschäftsleute und oft hochqualifizierte Kräfte aus Industrie und Wirtschaft nutzen heute Dornbirn als temporären Standort. Appartementhäuser sind heute als individuelle Alternative zum Hotel international verbreitet, um den globalisierten Fluss an Arbeitskräften zu beherbergen. Helmut Hutter, jetzt im Ruhestand, war selbst einer dieser international Reisenden und hat hier diesen Lebensformen dieses Haus gewidmet.

Daten & Fakten

Objekt: Wohngebäude mit Bar – Restaurant
Bauherr: Helmut Hutter
Architekten: Baumschlager Hutter Partners, Dornbirn,
Statik: Mader Flatz, Bregenz
Grundstücksgröße: 485 m²
Wohneinheiten: 10
Wohnnutzfläche: 500 m²
Planungsbeginn: 2011
Fertigstellung: 2012
Energiekennzahl: 27 kWh/m²/Jahr

Bauweise: Das Gebäude wurde bei einem Brand im Jahr 2010 so stark beschädigt, dass es durch einen Neubau ersetzt werden musste. Aus statischen wie auch aus Schallschutz-Gründen wurde der Neubau nicht als reines Holzhaus, sondern in Mischbauweise errichtet. Alle tragenden Innenwände und Geschoßdecken wurden in Stahlbeton errichtet. Die Fassade wurde mit hochgedämmten Holzelementen mit integrierten Stahlstützen ausgeführt, alle nichttragenden Innenwände in Leichtbauweise. Die Fenster haben 3-Scheiben-Isolierglas, ansonsten orientiert sich die Fassadengestaltung stark am Bestand. Für die Dachdeckung wurden traditionell wertstabile Materialien wie Tondachziegel und Kupferblech verwendet.

Ausführung: Haustechnik: Martin Thurnher, Dornbirn; Generalunternehmer & Zimmerei: Fetz Holzbau, Egg; Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch, Brunner Bau, Höchst; Fassade: Schindeler Albert Hager, Mellau; Fenster: Metzler, Hohenems; Spengler: Herbert Peter, Schwarzenberg; Parkett: Alfons Greber, Schwarzenberg; Türen; Telser, Burgeis, Südtirol; Fliesen: Meusburger Fliesen, Bezau; Fußbodenheizung/Gasheizung: Stolz GmbH, Feldkirch; Elektro: Elektro Willi, Andelsbuch

VN/ Leben & Wohnen

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg, Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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