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Eigenwillige Eleganz

"Klare Formen, klare Linien. Die Form bestimmt das Design." (Manfred Mäser, Bauherr)
"Klare Formen, klare Linien. Die Form bestimmt das Design." (Manfred Mäser, Bauherr) ©Jutta Diem
Dornbirn - Ein Wohn- und Geschäftshaus in Dornbirn setzt die Verdichtung nahe dem Zentrum fort. Mit formal markanten Lösungen und besonderen Details korrespondiert es mit der Individualität alter Villenbauten.
Leben & Wohnen in Dornbirn

Das Elternhaus des Bauherren in der Dornbirner Mozartstraße , einem Villenviertel nahe dem Stadtkern, gab den Ausgangspunkt. Durch den Erwerb eines Nachbargrundstücks war ausreichend Raum gegeben, um diesen Standort mit persönlichem Bezug maßvoll zu verdichten und in ein Erbe an die Zukunft zu verwandeln. Nach Vorgesprächen mit verschiedenen Architekten wurde durch einen persönlichen Kontakt Alexander Diem – damals noch Student in Wien – mit einem Vorentwurf betraut. Er überzeugte durch einen funktional durchdachten Vorschlag, der in seinen gestalterischen Lösungen Frische und Lebendigkeit bewies.

An der folgenden Entstehungsgeschichte lässt sich die Bandbreite architektonischer Arbeit gut illustrieren. Sie wühlt nicht blind im Reich der Erfindungen und Fantasie. Vielmehr wird der Erfahrungsschatz erlebter Räume und Bauten, gepaart mit Wissen und der entscheidenden Prise Inspiration, zu einer Lösung für den Ort kombiniert. Den Unterschied macht aus, wie sehr sich der Blick nach draußen oder auf ein eigenes Repertoire richtet und wie sehr all dies verarbeitet und raffiniert wird. Dem folgt der Dialog mit Bauherrschaft, Baubehörden und den ausführenden Handwerkern und die Kunst, all dies auch umzusetzen.

Alexander Diem bezog sich in seiner ersten Studie freimütig auf eines der frühesten Beispiele der Moderne in Wien, das Wohn- und Geschäftshaus Zacherl, das 1902 vom damals erst 31-jährigen Otto-Wagner- Schüler Josef Plecnik geplant wurde. Dessen doppelt geschwungene Treppenläufe verwandelt Diem zu einem elliptischen Stiegenhaus, die strukturierte Fassade und die plastisch nach außen gewölbten Fenster waren Ausgangspunkt für den weiteren Entwurfsprozess.

Obwohl man sich nicht nur in der Küche vor vielen Köchen scheut, hat der Bauherr den Entwurf in gutem Einvernehmen zur Ausarbeitung und Umsetzung dem erfahrenen Planungsbüro Nicolussi/ Hänsler aus Bludenz übergeben. Richard Nicolussi hatte schon 1985 für den Bauherrn ein spektakuläres, unterirdisches Tonstudio in der Dornbirner Höchsterstraße realisiert und konnte die Lebendigkeit des Entwurfs weiterführen. Als Generalplaner brachte das Bludenzer Büro das Bauvorhaben mit etlichen anspruchsvollen Details zur Reife und setzte es zielgenau und mit hohen energetischen und technischen Standards um.

Es entstand ein viergeschoßiges Bauwerk, das mit Geschäftsflächen im Erdgeschoß seiner städtischen Lage gerecht wird. Zwei Wohngeschoße darüber sind im Hinblick auf eine ältere, aber anspruchsvolle Bewohnerschaft, konzipiert. Pro Geschoß finden sich drei sehr großzügige Dreizimmerwohnungen mit zwei Bädern. Schächte und Naßzellen sind so organisiert, dass intern kleine Einliegerwohnungen für Gäste oder Pflegebetreuer gebildet werden können, die sich aber auch vollständig abtrennen und vermieten lassen. Ein großes Loft im zurückgesetzten Dachgeschoß bietet 240 m2 äußerst luxuriösen Wohnraum mit Lift.

Die geschwungenen Innenwände sind in Vorarlberg zwar eher ungebräuchlich, erweisen sich aber als funktionell und einer freieren Wiener Wohnbautradition geschuldet. Letztendlich erreicht die formale Sonderlösung des elliptischen Stiegenhauses in Sichtbeton und mit Brüstungen aus Edelstahlgewebe ein gediegenes Entree und macht Lust aufs Treppensteigen.

Von außen fällt die in sich geknickte Metallfassade auf. Das sorgsame Auge der städtischen Baubehörde hatte Kupfer als alterungsfähiges Fassadenmaterial eingefordert, was die Architekten zusammen mit dem Bauherrn auf die vorliegende Lösung mit wechselnd breiten Blechbahnen brachte. Die daraus entstandene plastische Struktur prägt die geschlossene Nordseite. Zur Seitenstraße reihen sich markante Glaserker, die innen wohnliche Nischen bilden und als Schreibplatz oder als exklusiver Leseplatz nutzbar sind. Nach Westen und zur Aussicht sind – zugunsten einer optimalen Ausnutzung – auffällig verschwenkte Terrassen entlang der Schlafräume angeordnet.

Zuletzt soll die Rolle und beherzte Führung des Bauherrn nicht unerwähnt bleiben. Als technisch versierter Fachmann mit manchmal bedingungsloser Liebe zum Detail, sah er sich der Klarheit und Effizienz verpflichtet. Optimiert wurde nicht nur in gestalterischer Hinsicht, sondern auch bei der Umsetzung und in allen Fragen der technischen Organisation. Auch das technische Innenleben eines Hauses sollte durch Logik und Effizienz Schönheit zeigen. Eine innovative Energie, der die Architekten auch heute noch bereitwillig ihren Respekt erweisen.

Daten & Fakten

Objekt: Wohnanlage Mozartstraße, Dornbirn

Bauherr: Ing. Manfred Mäser, Dornbirn

Vorentwurf: Alex Diem, Dornbirn/Wien

Entwurf, Generalplanung und Bauleitung: Architekturbüro Nikolussi l Hänsler ZT OG, Bludenz

Grundstücksgröße: 1240 m²

Wohneinheiten: 8

Wohnnutzfläche: 1020 m²

Geschäftsfläche: 380 m²

Planungsbeginn: 2003 (Studie)

Fertigstellung: 2012

Energiekennzahl: 28 kWh/m²a

Tragwerksplanung: Mader & Flatz, Bregenz

Haustechnikplanung: BHM Ingenieure, Feldkirch

Elektrotechnik: Peter Hämmerle, Lustenau

Baumeister: Rhomberg Bau, Bregenz

Spenglerarbeiten: Rümmele & Jäger, Lauterach

Fassade: Kupferblech mit Stegfälzen (OG), Faserzementplatten (EG)

Fenster: 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasung

Heizung/Haustechnik: Komfortlüftung, Erdwärmepumpe mit Wärmerückgewinnung

Konstruktion: Stahlbetonkonstruktion, unterkellert mit Tiefgarage

 

(VN/ Leben & Wohnen)

Für den Inhalt verantwortlich:
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Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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