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"Dramatik des Klimawandels"

Die jüngste Hochwasserkatastrophe in Österreich ist nach Ansicht des Klima- und Gletscherforsches Gernot Patzelt ein „singuläres Ereignis“.

Es gebe keine signifikante Zunahme von Niederschlägen über einen längeren Zeitraum, sagte der Vorstand des Instituts für Hochgebirgsforschung der Universität Innsbruck am Sonntag beim Europäischen Forum Alpbach. „Auffallend“ und wissenschaftlich belegt sei hingegen eine Erwärmung der Erdatmosphäre, die zu einem „dramatischen Rückgang“ der Gletscher in Österreich geführt habe.

Die „Dramatik des Klimawandels“ zeige sich am deutlichsten an den heimischen Gletschern, betonte der Wissenschafter. „Es gibt keinen anderen Prozess in der Natur, der so rasch und dramatisch verläuft.“ In den vergangenen 150 Jahren sei die durchschnittliche Temperatur im Sommer in Österreich um etwa zwei Grad Celsius gestiegen. Seit 20 Jahren verlaufe diese Entwicklung beschleunigt, sagte Patzelt. Derzeit würden Gletscher in den Alpen eine Fläche von 2.900 Quadratkilometern einnehmen, davon 500 Quadratkilometer in Österreich. „Vor 150 Jahren waren es doppelt so viel“, so der Wissenschafter. Die Fläche der verschwundenen Gletscher übersteigt mit rund 3.000 Quadratkilometer die Größe des Bundeslandes Vorarlberg.

Die Erwärmung führe zum Aufschmelzen von Permafrostboden, was wiederum Vermurungen nach sich ziehe, sagte Patzelt. Gleichzeitig führe sie aber auch zu einem Anstieg der Waldgrenze, einem „natürlichen Lawinenschutz“. „Ich persönlich halte dies für wirkungsvoller als das Abschmelzen des Permafrostes“, sagte der Wissenschafter.

Doch selbst den gegenwärtigen Gletscherrückgang sieht Patzelt unter einer langfristigen Perspektive möglicherweise im „normalen Schwankungsbereich“ des Klimas. Reste von Baumfunden in 2.400 Meter Höhe, die bis zu 9.000 Jahre alt seien, sind nach Erkenntnissen des Forschers ein Indiz dafür, dass die Baumgrenze in dieser Zeit höher als heute lag, und somit das Klima schon damals wärmer war und auch die Gletscher kleiner waren. Die Diskussion darüber, ob die derzeitige Erwärmung von der Natur oder vom Menschen verursacht sei, ist laut Patzelt „nicht abgeschlossen“.

„Die Großereignisse von Naturkatastrophen haben im 20. Jahrhundert dramatisch abgenommen“, stellt der Forscher fest. Das vergangene Jahrhundert bezeichnete er unter dem Gesichtspunkt der Naturgewalten sogar als „gesegnetes und schadensarmes“.

Patzelt will seine Ausführungen aber nicht dahin gehend verstanden wissen, „dass wir so weitermachen können wie jetzt“. Er warf allerdings den Medien vor, diese würden Katastrophenstimmung beim Thema Klimawandel erzeugen. „Das ist gerade das, was wir nicht brauchen können.“

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