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Dirty Campaigning-Affäre: Staatsanwaltschaft Wien forschte Facebook-Seiten-Betreiber aus

Die Administratoren der Facebookseiten konnten ausgeforscht werden.
Die Administratoren der Facebookseiten konnten ausgeforscht werden. ©dpa/Julian Stratenschulte
Die Dirty Campainging Affäre um manipulierte Facebook-Seiten beschäftigt auch nach der Nationalratswahl weiter die Justizbehörden. Die Staatsanwaltschaft Wien konnte nun beim US-Konzern Facebook die Administratoren der Seiten ausforschen.
Staatsanwaltschaft in Kontakt mit Facebook
Staatsanwaltschaft Wien ermittelt

Die Nationalratswahl ist geschlagen, der Wahlkampf beschäftigt weiter die Justizbehörden. Die Staatsanwaltschaft Wien konnte nun im Zusammenhang mit der Dirty Campaigning-Affäre um manipulierte Facebook-Seiten beim US-Konzern Facebook die Administratoren der umstrittenen Online-Auftritte ausforschen. Konkret ging es dabei um die Seiten “Wir für Sebastian Kurz”, “Die Wahrheit über Sebastian Kurz”, sowie “Die Wahrheit über Christian Kern”. Diese Fake-Seiten rückten die Spitzenkandidaten von ÖVP und SPÖ während des Wahlkampfes immer wieder in ein schlechtes Licht. Teils wurden dabei auch rassistische und antisemitische Inhalte verbreitet. Im Falle der Facebook-Seiten gegen Kurz wurde zwei Wochen vor der Wahl bekannt, dass diese vom früheren SPÖ-Berater Tal Silberstein in Auftrag gegeben wurden. Produziert wurden sie von der Agentur seines Kompagnons Peter Puller. Dieser wurde nun – wenig überraschend – auch offiziell von der Staatsanwaltschaft als Administrator der beiden Seiten ausgeforscht.

Urheber der Facebookseite “Die Wahrheit über Christian Kern”

Der Urheber der Facebook-Seite “Die Wahrheit über Christian Kern” war bisher nicht bekannt. Auch er konnte von den Behörden ermittelt werden. Es handelt sich dabei um einen ehemaligen niederösterreichischen ÖVP- beziehungsweise ÖAAB-Funktionär, der zuletzt als freier Mitarbeiter und Social Media-Experte für die Kommunikationsagentur Milestones tätig war. Die Agentur weist neben zahlreichen Firmen auch die Politische Akademie der ÖVP oder den ÖVP-Bauernbund als Referenzkunden aus.

Seite wurde vom Netz genommen

Der ausgeforschte Administrator betonte im Gespräch mit der APA allerdings, dass die Facebook-Seite gegen Kern eine “Eigeninitiative von mir” gewesen sei. Weder habe er von der Agentur Milestones, noch von der ÖVP einen Auftrag dazu erhalten. Er habe die Seite gestartet, weil es ihn geärgert habe, dass im Wahlkampf alle anderen Spitzenkandidaten ihr Fett abbekamen, nur SPÖ-Chef Christian Kern nicht. Als dann rund um die Silberstein-Affäre und die Facebook-Seiten gegen ÖVP-Chef Kurz auch seine Seite in den Blickpunkt gerückt war, habe er “kalte Füße” bekommen und sie vom Netz genommen. 90 Prozent der von ihm geposten Inhalte seien auch “nicht übles Licht, sondern Populismus von der anderen Seite” gewesen. Inzwischen tue es ihm leid, wenn manches den Kanzler in eine “schiefes Licht” gerückt habe. “Ich würde es nicht wieder so machen”, sagte der Mann.

Betreiber arbeitete bei Agentur Milestones

Bei der Agentur Milestones zeigte man sich über die Aktivitäten des Social Media-Experten überrascht. Mit der Facebook-Seite gegen Kern habe man jedenfalls “überhaupt nichts” zu tun, betonte Milestones-Geschäftsführer Werner Beninger. Der Mann “war bis vor einer Stunde freier Mitarbeiter bei Milestones – ich habe die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung beendet”, so Beninger Montagnachmittag, nachdem er vom Ö1-“Morgenjournal” und der APA über die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft informiert wurde. “Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich das gehört habe. Wir würden so einen Schwachsinn als Agentur nie produzieren. Solche Seiten sind nicht nur grenzenlos dumm, sie bringen auch genau gar nichts.”

Der Mann hat laut Beninger für die Agentur als freier Mitarbeiter einzelne Projekt betreut. “Sein letztes Honorar hat er Anfang November 2016 überwiesen bekommen”, berichtete der Milestones-Geschäftsführer. “Er hat hier privat gehandelt – und auch ohne Wissen von irgendjemand anderem in der Agentur, wie ich inzwischen bei meinen Mitarbeitern eruieren konnte.”

SPÖ-Matznetter wollte keinen Kommentar abgeben

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter wollte die Zwischenergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht kommentieren. Die SPÖ hatte wegen der drei Facebook-Seiten Anfang Oktober eine Sachverhaltsdarstellung an die Behörden übermittelt und in allen drei Fällen wegen übler Nachrede und Beleidigung gegenüber SPÖ-Chef Kern Anzeige gegen Unbekannt eingebracht. Kern wurde unter anderem als “Ego-Kanzler”, “Mogel-Kanzler”, “Schweigekanzler” und als “Mimosen-Kanzler” bezeichnet, mit langer Pinocchio-Nase dargestellt und dadurch des unehrenhaften Verhaltens der Lüge bezichtigt und unter Pseudobezeichnungen beziehungsweise Abbildungen als Lügner beschimpft, so der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin ihre Untersuchungen begonnen. Die SPÖ und ihr Parteichef Kern haben nun zwei Wochen Zeit, um der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Verfolgung von Puller sowie des Administrators der Anti-Kern-Seite zu erteilen. Bei strafbaren Handlungen gegen die Ehre wider einen Beamten ist laut Strafgesetzbuch zur Verfolgung des Täters nämlich die Ermächtigung des Verletzten erforderlich.

ÖVP distanziert sich von Urheber der Facebook-Seite

Die niederösterreichische ÖVP bzw. deren Arbeitnehmerbund ÖAAB distanziert sich vom Urheber der Facebook-Seite “Die Wahrheit über Christian Kern”. Beim Administrator der Seite, die den Bundeskanzler im Wahlkampf in ein schlechtes Licht gerückt hatte, handelt es sich um einen ehemaligen ÖAAB-Funktionär aus Niederösterreich. Der Mann erklärte, ohne Auftrag und in Eigeninitiative gehandelt zu haben. “Wir haben mit dieser Person seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Seit dem Jahr 2013 ist er auch kein Mitglied mehr”, erklärte die niederösterreichische ÖAAB-Landesgeschäftsführerin Sandra Kern in einer Stellungnahme gegenüber der APA. “Damit verbunden haben wir natürlich auch nichts mit dieser Seite zu tun. Jedenfalls lehnen wir solche Methoden entschieden und deutlich ab”, so Kern.

APA/Red.

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