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Loewy: Hamas-Angriff wäre vorhersehbar gewesen

Etwas wie einen Nahost-Frieden sah Loewy nun in noch weitere Ferne gerückt.
Etwas wie einen Nahost-Frieden sah Loewy nun in noch weitere Ferne gerückt. ©VOL.AT/Steurer; AP
Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems meint, dass Israel hätte damit rechnen müssen, dass es an einem Tag wie dem 50. Jahrestag des Yom Kippur-Kriegs zu Gewalt komme.
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Die Regierung habe es verabsäumt, die Menschen im Land zu schützen. Er habe viele Freunde dort, Israelis und Palästinenser, "die völlig verzweifelt sind, die jetzt nur noch Angst haben", sagte Loewy dem ORF Radio Vorarlberg.

"Damit hätten sie rechnen müssen"

Der Angriff der Hamas sei keine Reaktion auf eine aktuelle politische Situation, vielmehr sei er von langer Hand geplant worden. Das Datum sei seit 50 Jahren bekannt.

"Dass die israelischen Geheimdienste, das Militär auf diese Gewalt nicht vorbereitet war, ist das eigentlich für mich Unglaubliche, Unfassbare. Weil damit hätten sie rechnen müssen, dass da was passiert an diesem Tag. Dass ist etwas, das die Menschen völlig fassungslos macht, dass diese Regierung mit vielen Dingen beschäftigt war, nur nicht damit, die Menschen im Land zu schützen, sondern damit beschäftigt war, diese Gesellschaft zu spalten", bestätigte der Kulturwissenschafter seine Kritik in Hinblick auf den von Ministerpräsident Benjamin Netanyahus Regierung vorangetriebenen umstrittenen Justizumbau gegenüber der APA. Es ziehe sich ein tiefer Riss durch die israelische Gesellschaft, die nun völlig unter Schock stehe.

"An eine Zwei-Staaten-Lösung glaubt eigentlich niemand mehr"

Etwas wie einen Nahost-Frieden sah Loewy nun in noch weitere Ferne gerückt. "An eine Zwei-Staaten-Lösung glaubt eigentlich niemand mehr, sie wird von beiden Seiten unmöglich gemacht", so Loewy. Teil des Problems sei, dass die Menschen, die dort lebten und eine Form des Zusammenlebens entwickeln müssten, permanent von außen gegeneinander in Stellung gebracht würden. Es gebe sowohl bei den Israelis als auch den Palästinensern nur eine winzig kleine Minderheit, die über einen gemeinsamen Staat nachdenke. Aus seiner Sicht führe aber nur ein Weg aus der Gewaltspirale, nämlich ein gleichberechtigtes Zusammenleben, davon sei man weiter entfernt als je zuvor.

"Alles, was jetzt passieren wird, wird einen riesigen Blutzoll fordern"

Mit den Bildern und Videos von Gräueltaten, die in Umlauf sind, wolle die Hamas Angst und Schrecken verbreiten und ihren Führungsanspruch durch ihre Gewaltbereitschaft untermauern. "Was sie nicht versteht, vielleicht nicht verstehen will, ist dass das nur die Bereitschaft zu mehr Gewalt motiviert. Angst ist für niemanden ein guter Ratgeber", so Loewy. Evolutionär seien Menschen bei Angst dazu bestimmt, wegzulaufen. "Aber weder die Israelis noch die Palästinenser können weglaufen - wohin auch? Beide Seiten träumen dennoch davon, dass die andere Seite verschwindet". Er rechne nach weiteren Tagen mit Gefechten mit einem Einmarsch Israels in Gaza. Doch selbst, wenn die Hamas das überleben würde, sei diese danach nur noch weiter davon entfernt, was sie eigentlich wollte. "Alles, was jetzt passieren wird, wird einen riesigen Blutzoll fordern, aber an den Problemen nichts ändern", sagte Loewy.

(APA)

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