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Die Wiener City wird langsam rot-weiß-kariert

Auf dem Wiener Stephansplatz haben sich heute - wie an den meisten Schönwettersamstagen - viele Besucher aus aller Herren Ländern gedrängelt, um Österreichs Wahrzeichen für das Fotoalbum festzuhalten.

Für einige von ihnen war das Sightseeing aber nur Nebensache. Sichtbar viele Touristen in der City trugen nämlich heute Nachmittag rot-weiß-kariert: Die kroatischen Fußballfans sind eingetroffen und erobern nun das Zentrum der Bundeshauptstadt.

Gut gelaunt und voller Vorfreude auf das morgige Match ihrer Nationalelf gegen die heimischen Kicker deckten sie sich mit Fan-Artikeln ein. “Schön langsam merkt man die Fußball-Attitüde”, sagte die Verkäuferin eines Sportgeschäfts auf der Kärntner Straße. Kroatische und portugiesische Fahnen seien am Samstagvormittag “weggegangen wie die warmen Semmeln”, so die junge Frau. “Richtig losgehen mit dem Fan-Ansturm wird es aber erst nächste Woche.” Auch in einem extra für die EM eröffneten Fanshop in der Nähe der Staatsoper konnte man bereits eine starke Nachfrage nach T-Shirts und Schals in den kroatischen Nationalfarben verzeichnen. “Die Leute sind schon längst in EURO-Stimmung”, sagte eine Angestellte über ihre Kundschaft.

Auf dem Schwedenplatz dominierten ebenfalls Anhänger der Bilic-Elf. Einige von ihnen vertrieben sich die Zeit bis zum Anpfiff mit dem Testen österreichischer Gerstensäfte. “Dy-na-mo, Dy-na-mo!”, riefen etwa vier junge Männer aus Rijeka, während sie die Rotenturmstraße entlangspazierten. “Wir wollen unsere Mannschaft gewinnen sehen”, sagte Mihael, der bereits am Freitag nach Wien gekommen war und in Besitz eines der heiß begehrten Tickets ist.

Die gute Laune der rot-weiß-kariert gekleideten Fans wollten auch Mitglieder von diversen NGOs und sogar von Glaubensgemeinschaften ausnutzen. “Ich hoffe schon, dass auch viele Fußballfans zu uns kommen”, sagte die Frau von einem Stand einer Sekte. Ihre Hoffnung schien aber vergeblich, denn niemand wollte sich zu einem “Stress-Test” überreden lassen. Die Anwerber einer Umweltschutzorganisation hatten ebenfalls kein Glück bei den Freunden des runden Leders – hier scheiterte es meist an der Sprache.

“Ja, ich habe schon viele Fußballfans gedrückt”, berichtete eine junge US-Amerikanerin, die heute am Stephansplatz “Gratis-Umarmungen” anbot. Sie und einige andere Aktionisten von “Couch Surfing”, eine Online-Plattform, über die kostenlose Schlafplätze vermittelt werden, haben die “EURO-phorie” auch schon gespürt.

Lediglich ein als Mozart verkleideter Verkäufer von Konzerttickets beklagte einen Umsatzrückgang. “Entweder Sport oder klassische Musik – beides geht nicht”, zeigte sich der Mann enttäuscht. Die Fußballfans würden sich überhaupt nicht für Mozart & Co interessieren. Er befürchtet sogar, dass das “normale” Publikum, nämlich ältere Leute, in den kommenden drei Wochen ausbleiben werde.

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