Die "Wahrheiten" des Norbert Gstrein

Der österreichische Autor Norbert Gestrein las im TaS aus seinem neuen Roman “Die ganze Wahrheit”.
Feldkirch. Der neue, im Vorjahr erschienene Roman des prominenten österreichischen Autors Norbert Gstrein (geb.1961 in Mils/Tirol), “Die ganze Wahrheit”, war Thema einer Lesung und Diskussion mit dem mehrfach ausgezeichneten, heute in Hamburg lebenden Literaten. In dem neuen, bei Hanser 2010 erschienenen Buch geht es Gstrein um die “zwei Wahrheiten ?quot; die reale und die fiktive”. Man hatte schon vor und dann erst recht nach Escheinen des Romans einen literarischen Skandal geradezu herbeigewünscht; ist doch ein berühmtes Ehepaar bzw. dann die Witwe die reale Vorlage für Gstrein.
Die “reale Wahrheit”: Der prominente deutsche Verleger Siegfried Unseld (1924 Ulm ?quot; 2002 Frankfurt a. M.) trat 1952 in den von Peter Suhrkamp gegründeten gleichnamigen Verlag ein. Nach dem Tod von Peter Suhrkamp 1959 übernahm Unseld als alleiniger Verleger den Suhrkamp Verlag. Nach mehreren Affären trennte sich 1985 Unseld von seiner ersten Frau und heiratete die Schriftstellerin und frühere Schauspielerin Ulla Berkéwicz. Diese zweite Ehefrau und Martin Walser haben die Biographie Siegfried Unselds jeweils in einem Schlüsselroman thematisiert.
Gstrein und Ulla Unseld-Berkéwicz
Nun, Gstreins “Die ganze Wahrheit” stellt Ulla Berkéwicz und ihren schillernden Charakter in den Mittelpunkt des Romans; zwar heißt sie hier Dagmar Glück mit wesentlich älterem Verleger-Gatten Heinrich, und ihr Verlag ist klein und in Wien. Da Gstrein zwanzig Jahre bei Suhrkamp war (mit viel Insider-Wissen), bis er sich mit Ulla überworfen hatte und heute bei Hanser schreibt, mag die sehr negative Zeichnung der Unseld -Witwe einer literarischen Abrechnung gleichkommen. Gstrein zeichnet Dagmar Glück etwa mit okkulten Neigungen, Alkoholismus, jüdischer Selbststilisierung, Herrschsucht und esoterischen Wahnvorstellungen? Und das sei laut Gstrein eben seine “fiktive Wahrheit” des Romans: “Ich bewege mich immer wieder im Grenzbereich zwischen Fakten und Fiktionen ?quot; mit stets skeptischem Blick auf die sogen. Wirklichkeit.” In einem anregenden Dialog, den Philipp Schöbi (TaS) mit dem Autor führte, meinte Gstrein auch, dass der Roman auch ohne Unseld-Bezug möglich gewesen wäre, denn die Figur der Dagmar entnehme der Ulla-Biographie nur einige Eckdaten und sei ein eigenständiges literarisch-fiktives Geschöpf. Der Titel “Die ganze Wahrheit” sei geradezu ironisch gemeint, nämlich als ein Mix aus Fakten, Phantasie und Gerüchten. Norbert Gstrein verlieh mit sonorer Stimme der Ich-Romanfigur des entlassenen, unzufriedenen Lektors lebendiges Profil. Übrigens: Aus dem angesagten Skandal (Verleumdung, Gerichte etc.) wurde im Vorjahr höchstens ein kurzes Rascheln im Blätterwald.
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