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Die teuersten Arbeitslosen Wiens

Gastkommentar von Johannes Huber.
Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/EVA MANHART (Symbolbild)
Gastkommentar von Johannes Huber. Bei 9000 Euro für eine Großfamilie gibt’s Aufregung. Bei 11.000 Euro für nicht amtsführende Stadträte herrscht Schweigen im Walde. Das passt nicht zusammen.

Es ist absolut nachvollziehbar, dass sich die Schlagzeile „9000 Euro Sozialhilfe für syrische Großfamilie in Wien“, die so oder so ähnlich von (gefühlt) allen Medien gebracht worden ist, zu einer der meistgeklickten dieser Tage entwickelt hat. Wer, bitte, soll das verstehen können? Das durchschnittliche Haushaltseinkommen liegt weit darunter. Und dafür wird in der Regel auch etwas geleistet. Insofern wirkt es wie eine Zumutung, auch wenn es für eine Familie mit elf Kindern ist und sich aus Sozial-, Wohn- und Familienbeihilfen zusammensetzt.

Eine Zumutung ist aber auch etwas ganz anderes, was es verdient hätte, ebenfalls ein Aufreger zu sein, aber nicht ist: Damit die SPÖ in der Wiener Stadtregierung weiterhin sechs Mitglieder stellen kann, wird sie diese mit Hilfe der Neos um eines auf insgesamt 13 erweitern. Nebeneffekt: Es wird künftig nicht mehr fünf, sondern sechs nicht amtsführende Stadträte geben.

Als er noch kleiner und eher unbekannter Oppositionspolitiker war, sprach der heutige Bildungsminister und Noch-immer-Neos-Stadt-Chef Christoph Wiederkehr von „weißen Elefanten“ und den „teuersten Arbeitslosen Wiens“. Womit er’s voll getroffen hat: Ihr Hauptzweck sei es, nichts zu tun, bestätigte der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik auf der Seite „WZ“.

Die Sache ist die: Wie in allen Gemeinden regiert in Wien der Proporz. Alle Parteien sind daher je nach Größe bzw. ihrem Stimmenanteil in der Stadtregierung vertreten. Auch Oppositionsparteien. Sie haben aber nichts zu sagen und stellen daher nur nicht amtsführende Stadträte. Schlimmer: Diese werden fürs Nichtstun fürstlich bezahlt. 11.326,40 Euro gibt es derzeit pro Monat. Das macht rund 160.000 Euro jährlich. Noch schlimmer: Ihre Parteien haben durch sie zusätzlich Anspruch auf zwei Dienstposten, die insgesamt mit fast 170.000 Euro jährlich vergütet werden.

Bisher hat es wie gesagt fünf nicht amtsführende Stadträte gegeben, künftig werden es sechs sein: Drei freiheitliche, zwei grüne und ein schwarzer. In Summe kostet das die Steuerzahler nicht mehr 1,6, sondern fast zwei Millionen Euro pro Jahr.

Auch wenn die 11.326,40 Euro im Unterschied zu Sozialleistungen brutto (aber 14-mal jährlich) sein mögen, kann man also wirklich von den „teuersten Arbeitslosen Wiens“ sprechen. Bloß: Es regt kaum jemanden auf. Medial ist wenig feststellbar. Weil es sich hier um Steuergeld handelt, das nicht für Aus-, sondern #Inländer ist? Oder weil hier daher von keiner „Zuwanderung ins Sozialsystem“ gesprochen werden kann?

Fakt ist jedenfalls, dass keine Partei ein Problem damit hat, dass alle mehr oder weniger schweigen, weil sie befangen sind: SPÖ und Neos tragen Verantwortung für die Ausweitung des Kreises der nicht amtsführenden Stadträte; sie sind es schließlich, die die Regierung vergrößern. Die FPÖ, die Grünen und die ÖVP dürfen wiederum nicht amtsführende Stadträte stellen, profitieren also davon, dass es diese trotz aller Sparzwänge weiterhin gibt.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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