"Die Schmerzen machen einen psychisch krank" –So grausam kann Endometriose sein

"Scheiße, wortwörtlich" – so beschreibt Alexandra ihre Qualen. Die Lustenauerin lebt mit Endometriose in der Hüfte, einer Krankheit, die kaum jemand versteht – und die ihr Leben seit Jahren zur Hölle macht.
Ein Leben im Schmerz seit der Geburt der Tochter
Vor sechs Jahren, kurz nach der Geburt ihrer Tochter, begann für Alexandra aus Lustenau ein Leidensweg. "Am Anfang waren es Bauchschmerzen, Übelkeit und Schwindel", erinnert sich die 36-Jährige. Bald zogen die Schmerzen von der Hüftleiste bis ins ganze Bein. "Manchmal kann ich mich nicht einmal im Bett drehen, weil es so weh tut."
Die Diagnose: Endometriose. Doch bei Alexandra sitzt der Herd nicht im Bauchraum, wie bei den meisten Betroffenen, sondern in der Hüfte – zwischen zwei Muskeln. Ein seltener Fall, der ihre Lebensqualität massiv einschränkt.
Video: "Das wünsche ich nicht einmal meinem ärgsten Feind"
"Ein Arzt hat mir Antidepressiva verschrieben"
Bis die Diagnose gestellt wurde, vergingen drei Jahre. "Ich wurde nicht für voll genommen", erzählt Alexandra. Immer wieder landete sie mit Schmerzen im Krankenhaus – doch die Untersuchungen blieben ergebnislos. "Ein Arzt hat mir Antidepressiva verschrieben, als ob alles nur in meinem Kopf wäre."
FAQ: Was ist Endometriose?
Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der endometriumähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst (z. B. am Bauchfell, an Eierstöcken, Darm oder Blase). Dieses Gewebe reagiert auf Hormone, kann Entzündungen, Schmerzen und Verwachsungen auslösen und gelegentlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
- Häufige Beschwerden: starke Regelschmerzen, Schmerzen beim Sex oder beim Stuhlgang/Urinieren, chronische Beckenschmerzen, ggf. unerfüllter Kinderwunsch.
- Diagnose: ärztliche Abklärung (Anamnese, Ultraschall), sicherste Bestätigung meist per Bauchspiegelung.
- Therapie: Schmerzmanagement, hormonelle Behandlung und/oder operative Entfernung von Herden – individuell kombiniert.
Mehr Infos: gesundheit.gv.at – Endometriose
Für die Betroffene ein Schlag ins Gesicht. "Die Schmerzen machen einen psychisch krank – nicht umgekehrt." Erst durch Zufall kam man im Landeskrankenhaus Feldkirch auf den Verdacht, dass Alexandras Endometriose auch außerhalb des Bauchraums sitzen könnte. "Wenn ich sage, ich habe es in der Hüfte, schauen viele Ärzte nur groß: Was, das gibt’s überhaupt?"
Operationen ohne Durchbruch
Zweimal lag die Lustenauerin auf Grund der Krankheit bereits am OP-Tisch. Bei der ersten Operation vor drei Jahren wurden per Bauchspiegelung Herde gesucht – "man fand nichts". Im April diesen Jahres dann der zweite Eingriff: Herde konnten im Bauchraum entfernt werden und auch an der Hüfte wurde sie operiert. "Ich bin aufgewacht und war erleichtert, weil ich endlich keine Schmerzen mehr hatte."

Doch die Freude hielt nur kurz. Bereits zwei Monate später kehrten die Schmerzen zurück. "In der Nacht hat es wieder plötzlich wieder angefangen." Das darauffolgende MRT zeigte: "Unveränderter Befund". Der Herd in der Hüfte ist immer noch da. Weil er so heikel zwischen zwei Muskeln sitzt, musste für eine Gewebeprobe sogar vor der großen Operation der Knochen durchbohrt werden. Nun prüfen Ärzte in Innsbruck, ob ein weiterer Eingriff überhaupt möglich ist.
FAQ: Was sind Endometriose-Herde?
Als Endometriose-Herde bezeichnet man Ansammlungen von Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, aber außerhalb der Gebärmutter wächst – z. B. am Bauchfell, an Eierstöcken/Eileitern, seltener an Darm, Blase oder Nerven. Diese Herde können auf Hormone reagieren, sich entzünden und Narbengewebe (Verwachsungen) verursachen. Typische Folgen sind zyklusabhängige Schmerzen und ggf. Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit.
Mehr Infos (amtliches Gesundheitsportal Österreich): gesundheit.gv.at – Endometriose
"Mama, ich weiß, du hast weh"
Der Schmerz bestimmt Alexandras Leben. Sie beginnt nahezu jeden Tag mit Schmerzmitteln: "600 Milligramm Ibuprofen am Morgen, sonst geht gar nichts." Oft ist sie zu müde, um mit ihrer Tochter nachmittags etwas zu unternehmen. "Meine Kleine sagt dann immer: Mama, ich weiß, du hast weh."
Arbeiten ist zur Herausforderung geworden. Mehrmals musste Alexandra bereits in den Krankenstand. "Einmal habe ich meine Tochter zu meinen Eltern gebracht, bin vor der Haustür zusammengebrochen und direkt ins Krankenhaus." Ihre Arbeitgeberin zeigt Verständnis, aber Alexandra weiß: "Einfach ist das nicht."

"Lieber lasse ich mich unten ausräumen, bevor ich so weiterlebe"
Kritisch sieht sie das Gesundheitssystem: "Wenn man nichts findet, heißt es: Du hast ja nichts. Hätte ich nicht auf ein MRT bestanden, wüsste ich bis heute nicht, dass der Herd noch da ist."
Medikamente halfen bislang nicht. Eine spezielle Pille hat Alexandra wieder abgesetzt. "Wozu Hormone, wenn es nichts bringt?" Die Möglichkeit einer Gebärmutterentfernung steht im Raum. "Lieber lasse ich mich unten ausräumen, bevor ich so weiterlebe", sagt sie bitter.

Die Perspektive ist düster: "Die Herde im Bauchraum, die man mir entfernen konnte, können jederzeit wieder wachsen."
"Wir wollen nicht belächelt werden – wir wollen Hilfe"
Trotz allem gibt Alexandra nicht auf. "Ich habe gelernt, mir kleine Inseln zu schaffen – eine heiße Badewanne oder ein Massagegerät für den Rücken."
Ihre Botschaft an andere Betroffene ist klar: "Gebt nicht auf! Man merkt, wenn etwas nicht stimmt. Schluckt nicht einfach Medikamente, die nichts bringen. Kämpft dafür, richtig untersucht zu werden."
Und sie wünscht sich vor allem eines: "Dass Frauen mit Endometriose endlich ernst genommen werden. Wir wollen nicht belächelt werden – wir wollen Hilfe."
(VOL.AT)
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