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Die Schere im Rathaus

Gleichbehandlungsbeauftragen Renate Heiler
Gleichbehandlungsbeauftragen Renate Heiler ©VOL.at: Klaus Hartinger
Bregenz – Renate Heiler hat sich eingerichtet, im dritten Stock des Bregenzer Rathauses. Seit 19 Jahren arbeitet sie im öffentlichen Dienst der Landeshauptstadt.

Seit September allerdings in einer neuen Funktion: die bisherige EDV-Fachfrau ist nun als Gleichbehandlungsbeauftragte für die knapp 500 städtischen Bediensteten in Bregenz zuständig. Die 45-Jährige ist quirlig, sprüht vor Energie und Tatendrang. Das ist gut, denn sie hat viel zu tun. Denn von Gleichberechtigung ist man in Bregenz – wie in vielen anderen Gemeinden Vorarlbergs – weit entfernt. Dass die Einkommensschere auch hier, im öffentlichen Dienst, auseinandergeht – obwohl dies gesetzlich eigentlich gar nicht sein dürfte, das weiß sie. „Männer verdienen mehr, auch im öffentlichen Dienst. Da wird mit Zulagen gespielt. Da gibt es Instrumente, solche Dinge zu regeln“, spricht Heiler über ein Tabuthema. Aber auch die Frauen müsse man sensibilisieren. „Sie verkaufen sich oft zu schlecht.“

Eigene Erfahrung

Die Lohnschere zwischen Männer und Frauen hat sie am eigenen Leib erfahren. In ihrem ersten Job bei einer Versicherung erfuhr sie, dass ihr Arbeitskollege und ehemaliger Klassenkamerad deutlich mehr bekam. Für die gleiche Arbeit. „Ich habe ihn sogar noch eingeschult.“ Da kündigte sie, und wandte sich der Computerkunde zu. Arbeitete in einer Männerdomäne. Erst zwei Jahre bei einem Privatunternehmen, dann bei der Stadt Bregenz – allerdings seit Jahren nur zu 50 Prozent. Denn im Zweitberuf ist sie Campingplatzbesitzerin. Sie betreibt, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten „Camping Mexico“ in Bregenz. Den Betrieb hat sie von den Eltern übernommen. Und den führt sie so ökologisch und nachhaltig, wie es geht. „Das ist meine Lebenseinstellung“, sagt die Bregenzerin, die auch im Vorstand der Grünen Wirtschaft ist.

„Was machst du überhaupt?“

Die Tür zu ihrem Büro steht offen. „Das habe ich gern so, jeder kann einfach kommen“, sagt die 45-Jährige. Auch, wenn dieser Einladung in den vergangenen sechs Wochen nur zwei Mitarbeiter gefolgt sind. „Ich gehe auf die Leute zu. Meine Aufgabe ist es, erst ein Bewusstsein zu schaffen.“ Schließlich gab es ihre Position zuvor nicht. Und auf Gemeindeebene in Vorarlberg ist sie sowieso neu. „Deshalb ist wohl die häufigste Frage, die man mir stellt: ‚Und was machst du jetzt überhaupt?‘ Meine Aufgaben sind schwer greifbar und messbar.“ Ihr geht es aber nicht nur um die Gleichberechtigung von Frauen. „Es geht auch um sexuelle Orientierung oder Migrationshintergrund. Auch dort besteht die Gefahr, deshalb benachteiligt zu werden.“ Widerstand bei Arbeitskollegen erlebte Heiler bislang nicht. „Aber sehr wohl Zurückhaltung.“ Schließlich steht sie als Person als lebendes Signal dafür, dass die Realität nicht so ist, wie sie sein sollte.

Eingerichtet

Heiler hat nach fast 20 Jahren ihr erstes eigenes Büro. Die Schränke sind noch leer. Auf einer Schranktür hat sie jedoch schon ein Zitat angebracht. Die Begründung des Nobelkomitees, den diesjährigen Friedensnobelpreis an drei Frauen zu vergeben. Aber auch den Spruch des Autors Peter Jedlicka: „Gleichberechtigung ist kein Frauenthema. Gleichberechtigung ist die Schlüsselkategorie für die Glaubhaftigkeit jeder Politik, die behauptet, dem Wohlstand und der Lebensqualität der Bevölkerung verpflichtet zu sein.“

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