AA

"Die große Liebe muss es sein"

Hard - Da sitzen 600 Jahre Ehe am Tisch. Lachen und prosten einander zu. Kaum zu glauben. Und sie haben alle ihre gnaz persönliche Geschichte.

Gertrude und Josef Hemetsberger und Marianne und Franz Schiller. Anni, die Fischerstochter vom Attersee, die seinerzeit Alois Kalhs in die Arme lief. Und Lore? Die Tochter eines Schreinermeisters hätte es ahnen können. Wo doch schon die Mutter einem Schreiner verfallen war. Aber bitte sehr, als der Franz Wurzinger dann bei ihrem Vater zur Lehre ging, war es um die Lustenauerin geschehen. So haben sie alle ihre Geschichte. Hubert Leitner, der ehemalige Beleuchtungstechniker am Kornmarkttheater, und seine Therese. Und natürlich Friederike und Siegfried Müller. Der sitzt wie immer höchst zufrieden in der Mitte. Hat ein Glas vom Roten vor sich und ordnet mit Nachdruck die schlohweiße Mähne.

Am selben Stammtisch

Sigi Müller, das ist ja journalistisches Urgestein in Vorarlberg. Und also ist es nicht verwunderlich, dass er das Bemerkenswerte entdeckt hat: Seit Jahren besuchen sie denselben Stammtisch. Jeden ersten Freitag im Monat. Und erst vor Kurzem sind sie draufgekommen, dass alle sechs Paare heuer goldene Hochzeit feiern.

Das haben sie dann auch getan. Im Restaurant Diana und später in der Mehrerau. Aha, fromm in der Klosterkirche! „Aber nein“, lacht Müller verschmitzt, „im Mostheurigen“. Weil sie das doch ordentlich feiern wollten. Dass sie einander damals gefunden hatten. Dass sie durchgehalten haben. Dass sie glücklich sind. Nach 50 Jahren? Immer noch?

Da nimmt der Sigi Müller einen tiefen Schluck und sagt: „Meine Frau hat ja damals bis 16 Uhr im Spital gearbeitet und ich war von 16 bis 24 Uhr in der Redaktion. Wir hatten gar keine Zeit zum Streiten.“ Friederike lässt ein lautes „na“ hören und schüttelt den Kopf. Weil der Sigi immer solche Dinge sagt. Ein Schelm ist er. Einer mit listigen Äuglein. Mit einem Wort: ein Prachtkerl. Auf die Frage, wie eine Ehe denn so lange halten kann, antwortet Friederike: „Ich hab mir’s damals gut überlegt. Ich musste ja nicht heiraten, weil ich ja einen Beruf hatte. Und die große Liebe muss es schließlich auch sein.“ Die war es wohl auch. In sechs Fällen. Für zwölf Menschen. Da zieht man doch glatt den Hut und sagt leise ehrerbietig: „Gratuliere!“

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Hard
  • "Die große Liebe muss es sein"