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Die gezähmte Widerspenstige

Bregenz - Mit "Diesseits" pendelt das Landestheater zwischen Ernst und Kabarettzynismus.

Nein, Shakespeares Dimensionen erreicht dieses junge, deutsche Stück nicht. Aber das ist auch kein Vergehen. Während das widerspenstige Käthchen in der berühmten Komödie gegen das Aufkeimen von Gefühlen ankämpft (und auch als scheinbar gezähmte Unterwürfige zu erkennen gibt, dass sie ihr Leben auch weiterhin selbst im Griff behält), setzt Paula 400 Jahre später in Thomas Jonigks Stück „Diesseits” alles daran, um Entscheidungen abzugeben.

Gut- oder bösartig

Gut, mit dem Ende ist Paula stärker konfrontiert als manch andere. Die junge Frau hat einen Gehirntumor und steht kurz vor der Diagnose gut- oder bösartig. Angesichts äußerst oberflächlicher Kriterien (beruflicher Erfolg, Zahl der Liebhaber und Orgasmen etc.) fällt ihre Zwischenbilanz mehr als ernüchternd bzw. trist aus, doch Paula drängt es dennoch nicht danach, das Leben zumindest jetzt noch auszukosten, sie denkt an Beendigung. Gar nicht arg verzweifelt, aber dennoch unfähig zumindest eine Handfeuerwaffe zu entsichern oder eine Bank von einer Apotheke zu unterscheiden (wo sie sich die Überdosis besorgen will), fällt sie schließlich einem jungen Kerl in die Arme. Bis dahin hat Jonigk neben einigen durchaus stimmigen und denkwürdigen Sätzen zum modernen Alltag und seiner Bewältigung aber schon so viel Kabarettzynismus und Comedy-Szenen abgesondert (natürlich trachtet die Schwester beispielsweise nach dem Erbe), dass eine Abkehr vom Klischeeweg kaum noch möglich ist. Als wäre das nicht schon in zahlreichen Stadtneurotikerkomödien abgehandelt worden, skizzieren die Jungverliebten nun auch noch was ihnen bald blüht: Ehe, Paartherapie, Scheidung, Aufteilung des Hausrates.

Kraftvoll

Abgesehen davon, dass kaum ein Gag freilich so seicht ist, dass man nicht auch darüber lachen könnte, erfreut man sich als Zuschauer dann zumindest am kraftvollen Spiel von Ingrid Lang und Aurel Bereuter. Den Grundpessimismus und die Unsicherheiten, die in den Figuren an sich stecken, hat ihnen die Regie (Christian Schäfer) zumindest nicht aufgezwungen. Dass somit keine Kluft spürbar wird, dafür sorgen zudem ein rasant agierendes Ensemble (in dem etwa Maria Fliri in mehreren Rollen noch starke Akzente setzt), ein durchchoreographierter Szenenwechsel und flotte Musik. Ob das riesige Kreuz, das hier als Podium mit zahlreichen Ausklappmöglichkeiten dient, die richtige Wahl von Ausstatterin Caroline Stark war, sei bezweifelt. Als Symbol ist es relativ eindimensional besetzt. Keine Überraschung, dass der Applaus vor allem den Schauspielern galt, die einem eher dumpfen Text bei seiner österreichischen Erstaufführung am Vorarlberger Landestheater zumindest etwas Luftigkeit verliehen haben.

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