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Deutschlands Traum geht weiter

Der deutsche Traum vom vierten Fußball-WM-Titel nach 1954, 1974 und 1990 geht weiter. Der Gastgeber setzte sich im Viertelfinal-Krimi gegen den zweifachen Champion Argentinien mit 4:2 im Elfmeterschießen durch.

Zum Held des Tages wurde der deutsche Tormann Jens Lehmann, der die Elfmeter von Roberto Ayala und Esteban Cambiasso parierte.

Verteidiger Ayala brachte die Südamerikaner in der 49. Minute per Kopf in Führung, Torschützen-Leader Miroslav Klose (fünfter Turniertreffer) stellte nach 80 Minuten ebenfalls per Kopf den Ausgleich und die Verlängerung sicher. Nach 30 torlosen Minuten in der Verlängerung verwandelten bei den Deutschen im abschließenden Krimi alle vier angetreten Schützen Oliver Neuville, Michael Ballack, Lukas Podolski und Tim Borowski.

Der mit Spannung erwartete Schlager vor 72.000 Zuschauern in Berlin war größtenteils von Vorsicht und gegenseitigem Respekt, aber auch viel Spannung geprägt. Im Halbfinale am Dienstag in Dortmund treffen die Deutschen auf den Sieger der Partie Italien gegen Ukraine.

Während DFB-Bundestrainer Jürgen Klinsmann auf seine bewährte Formation setzte, hatte sein Gegenüber Jose Pekerman bei der Aufstellung eine dicke Überraschung parat. Javier Saviola fiel aus der Startformation, seinen Platz im Sturm neben Hernan Crespo nahm Carlos Tevez ein.

Nach den ersten zwei WM-freien Tagen fieberte die Fußball-Welt einem echten Klassiker, der Neuauflage der WM-Endspiele 1986 und 1990, entgegen. Zumindest kämpferisch ging es im Finalstadion (9. Juli) vom Anpfiff weg ordentlich zur Sache, alleine in den ersten 200 Sekunden entschied der Slowake Lubos Michel fünf Mal auf Foul. Das erwartete Offensivfeuerwerk blieb daher logischerweise aus, das Geschehen war zu sehr von enormer Nervösität, Respekt und Kampfkraft geprägt.

Ein überfallartiger Start wie im Achtelfinale gegen Schweden (2:0 nach zwölf Minuten) gelang der DFB-Elf nicht, für die ersten gefährlichen Aktionen sorgten sie jedoch. Bei einem Lukas-Podolski-Freistoß aus 28 Metern musste Goalie Roberto Abbondanzieri zwei Mal zufassen (7.), ein Kopfball von Michael Ballack verfehlte das rechte Kreuzeck (16.). WM-Schützenleader Miroslav Klose war beim argentinischen Defensivbollwerk in sicheren Händen, umgekehrt galt dies für die Gaucho-Stürmer Crespo und Tevez genauso.

Intensiv, aber ohne große Szenen ging es weiter Richtung Pause. Argentiniens Spielgestalter Juan Roman Riquelme und seine Kollegen begnügten sich mit einem deutlichen Plus in Sachen Ballbesitz, auf die womöglich entscheidende Lücke in der deutschen Abwehr warteten die Südamerikaner höchst geduldig, aber lange vergeblich.

Das Warten auf den Fehler hatte nach dem Wechsel rasch ein Ende, die Argentinier gingen mit ihrer ersten Chance der Partie in Führung. In der 49. Minute zirkelte Riquelme von der rechten Seite einen seiner gefürchteten Eckbälle zur Mitte, dort setzte sich Innenverteidiger Ayala im Kopfballduell mit Klose durch, und der Ball ging zwischen Tormann Jens Lehmann und dem an der rechten Stange postierten Philipp Lahm ins Tor.

Damit lagen die Deutschen im fünften Match erstmals im gesamten Turnierverlauf in Rückstand. Ballack und Co. warfen daraufhin ihre Ängste über Bord und setzten zum Gegenangriff an. Klinsmann brachte den pfeilschnellen David Odonkor ins Spiel.

Die erste Ausgleischance bot sich nach einem Sebastian-Schweinsteiger-Eckball, als ein Schuss von Ballack von Ayala abgeblockt wurde (64.). Bei dieser Flanke verletzte sich nach einer Klose-Attacke Abbondanzieri, der Schlussmann wurde wenige Minuten später durch Leonardo Franco ersetzt.

Dieser musste in der 80. Minute den umjubelten Ausgleich hinnehmen. Nach Ballack-Flanke von rechts verlängerte der eingewechselte Tim Borowski per Kopf und Klose machte ebenfalls per Kopf seinen Stellungsfehler beim 0:1 wieder gut. Der (Noch-)Bremen-Stürmer traf ins linke Eck zu seinem bereits insgesamt 10. WM-Treffer, damit hat Klose in der deutschen Allzeit-Wertung nur noch Klinsmann (11) und Gerd Müller (14) vor sich.

Damit war klar, dass sich Pekerman verpokert hat. Denn der Coach der Argentinier hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Riquelme und Crespo ausgetauscht und auf Ergebnishalten gespielt. Und da Lionel Messi und Saviola ohnehin lediglich auf der Bank saßen, wurde es in der Verlängerung punkto Kreativität eng.

Es war also wenig verwunderlich, dass in den ersten 15 Minuten der „Overtime“ die Deutschen, bei denen Captain Ballack immer größere Schmerzen im rechten Bein verspürte, leichte Vorteile hatten. Nach dem letzten Seitenwechsel präsentierten sich die Argentinier dann wieder etwas offensivfreudiger. Fabricio Coloccini probierte es in der 115. Minute mit einem Fernschuss, der auf der Oberlatte von Lehmanns Tor landete.

In den Momenten vor dem folgenden Elfmeterschießen betrat auch der zur Nummer 2 degradierte Oliver Kahn kurz die WM-Bühne, unter dem Jubel der Fans umarmte Kahn seinen großen Rivalen Lehmann und wünschte im Alles Gute für den Krimi. Wenige Minuten später war Lehmann der gefeierte Held, der Ausnahmezustand in Deutschland geht weiter.

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