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Des Hirten bunte Schäfchen

Homosexualität und katholische Kirche: Das passt nicht zusammen? Passt doch. Das zeigt das Beispiel von Andreas und Daniel. Das homosexuelle Paar lebt im Bregenzerwald – und engagiert sich in der Kirche.

20 Jahre lang stand Andreas* auf Kriegsfuß mit der katholischen Kirche. Und das hatte seinen Grund: „Damals dachten viele Priester noch altmodisch“, erinnert sich der Bregenzerwälder, „wenn sie nicht sogar erzkonservativ waren – und eben extrem homophob.“ Denn Andreas ist schwul. Als er sich in den Neunzigern im Alter von 19 Jahren outet, ist das für die römisch-katholische Kirche in Vorarlberg noch ein Unding. „Also bin ich damals trotz Kommunion, Firmung und nicht zuletzt meinem aufrichtigen Glauben aus der Kirche ausgetreten.“

20 Jahre lang bleibt Andreas der Institution fern. „All die Verteufelung von Homosexualität, welche die Priester, Bischöfe und Kardinale vorlebten, all die Ablehnung von einer Lebensgestaltung, die nicht ganz genau der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau entspricht, die Missbrauchsskandale und Misogynie – damit konnte ich nicht leben. Da wollte ich nicht mitmachen.“

Mit offenen Armen empfangen

Doch dann wird ein langjähriger Jugendfreund von Andreas Priester. „Da habe ich angefangen, umzudenken. Mit dem Freund hatte ich immer über alles reden können und wusste, dass er korrekte Ansichten hatte – und eben nicht homophob war“, erzählt Andreas. „Wenn dieser Freund sich so sehr der Kirche verschrieb, dass er sogar Priester wird, dann konnte die ja gar nicht so schlecht sein.“

Kein Einzelfall

Andreas nähert sich der Kirche wieder an. Und tritt schließlich wieder ein. „Meine Homosexualität war plötzlich gar kein Thema. Ich bin offen damit umgegangen, bin zu mir gestanden. Und wurde mit offenen Armen empfangen.“

Dass Andreas kein Einzelfall ist, zeigt sich an seinem Partner Daniel: Auch er ist als Homosexueller römisch-katholisch, geht regelmäßig in die Kirche. Und nicht nur das. „Daniels Ex-Partnerin, die Mutter seines Sohnes, lebt heute mit einer Frau zusammen – und die sind ebenfalls in der katholischen Kirche“, berichtet Andreas.

All diese Offenheit passiert dabei nicht nur im stillen Kämmerlein, während nach außen eine konservative Fassade gewahrt wird, erzählt der 50-Jährige: „Die Kirche hat dazugelernt. Wirklich dazugelernt und nicht nur für den schönen Schein nach außen. So gibt es mittlerweile zum Beispiel das Regenbogenpastoral, von dem ich selbst Teil bin.“ Dieser Arbeitskreis will queeren Menschen ein offenes Ohr bieten und ihnen die Hand reichen, in der katholischen Kirche ihren Platz zu finden. „Wir hatten sogar einen eigenen Stand beim ‚Christopher Street Day‘ in Bregenz“, berichtet Andreas. „Da waren viele überrascht: Homosexualität und katholische Kirche, das passe doch nicht zusammen. Aber das tut es. Und das wollen wir zeigen.“

*Andreas und Daniel wollen aus Rücksicht auf ihre Familien ihre echten Namen nicht öffentlich preisgeben.

Kommentar

Richtige Schritte, aber noch ein weiter Weg
Nicht nur die Akzeptanz, sondern gar die Begrüßung von Homosexualität in der katholischen Kirche ist wichtig, richtig – und längst überfällig. Warum an ihr nichts, aber auch gar nichts, Verwerfliches ist, muss man in 2023 nicht mehr diskutieren.
Wohl aber diskutieren muss man die vielen Geistlichen – ob in Amt und
Würden oder auch nur Schäfchen –, die diese Selbstverständlichkeit noch nicht verstanden haben. Die weltweit noch immer Homosexuelle ablehnen oder gar verfolgen. Eine Geschichte wie die von Andreas und Daniel kann ein erster Schritt sein, zu einem Umdenken zu kommen.
Hoffen wir, das noch weitere folgen.
Anja Förtsch, Redakteurin

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