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Das schmalste Haus ist dem Besitzer zu groß

Schmalstes Haus Europas steht in Bregenz
Schmalstes Haus Europas steht in Bregenz ©VN/Iris Burtscher
Bregenz - Nur 57 Zentimeter breit ist die Fassade des Hauses in Bregenz. Jetzt wird es verkauft.
Das schmalste Haus Europas

Vincent und Fred schauen irritiert, versuchen das Schild zu übersetzen und zücken dann ihre Kameras. „Das schmalste Haus Europas ist nur 57 Zentimeter breit“, steht über dem Türstock in der Kirchstraße 29. Die antike Türklinke hinunterzudrücken, das wagen die beiden nicht. Viele andere Touristen tun das aber. Deshalb sperrt Gerold Lang meist ab. Und die Klingel ist gar nicht erst angeschlossen. „Es sind in Bregenz pro Quadratmeter wohl die meisten Fotos, die geschossen werden“, lacht er.

Über sechs Meter

Seinen Besuchern öffnet Lang die Tür freilich gern, und dort wird es auch bald geräumiger. Denn 57 Zentimeter breit ist das Haus nur an der Eingangstür. Dann laufen die Wände im spitzen Winkel auseinander. Über sechs Meter liegen am hinteren Ende dazwischen. Insgesamt gibt es 60 Quadratmeter Wohnfläche.

Langs Urgroßvater hatte das Haus 29 gekauft, im Jahre 1886. Nebenan betrieb er seine Bürstenwerkstatt. Auch der Vater hat das Handwerk noch ausgeübt. Jetzt erinnern noch die alten Werkzeuge und Besen im Schaufenster daran. Gerold Lang hat die alten Utensilien liebevoll in die Vitrine gestellt. „Damit es nicht so leer ist.“ In den beiden Häusern, die miteinander verbunden sind, ist man sonst nämlich ziemlich einsam.

Das Geschäft im Erdgeschoß wurde 1999 geschlossen, „als die Kirchstraße zu Tode beruhigt wurde“, wie der Bergretter bitter erwähnt. Das „schmalste Haus“ ist im Erdgeschoß und im ersten Stock eine Baustelle. Im zweiten Stock lebte bis vor einem Jahr noch Gerold Langs Mutter. Seit ihrem Tod ist er vorübergehend eingezogen. Allerdings bleibt er nicht mehr lange. Das Haus wird verkauft. Zu groß ist es ihm – schließlich gehört noch die Nummer 27 dazu, insgesamt sind es also über 300 Quadratmeter. Und zu mühselig war es, das alte Gebäude umzubauen. Stadt und Denkmalschutz reden mit. Teuer wird es natürlich auch. 1,2 Millionen Euro müsste er hineinstecken.

Deshalb gibt er es jetzt schweren Herzens auf. „Das ist nicht einfach wegzugeben. Schließlich bin ich hier aufgewachsen“, seufzt der 53-Jährige. Und etwas Neues zu finden ist für ihn auch nicht gerade leicht. „Ich will ja nicht in ein 08/15-Haus. Es braucht schon Flair.“ Einen alten Bauernhof sanieren, das könnte er sich vorstellen.

Ob es nun tatsächlich das schmalste Haus ist, das weiß Lang nicht sicher. „Die Stadt sagt es. Aber mir hat man noch keine Reise bezahlt, um es zu überprüfen.“ Im Guinnessbuch steht es jedenfalls nicht. Tatsächlich tragen noch andere Häuser in anderen Städten den Titel „schmalstes Haus Europas“. Alle sind aber breiter als jene Fassade in Bregenz: 97 Zentimeter in Valencia, 130 in Bratislava, 80 in Kiel oder 99 in Amsterdam.

In die Lücke gebaut

So oder so: Das schmalste Haus in Österreich ist das Kleinod in der Kirchstraße jedenfalls. Es wurde damals in eine Lücke zwischen Hausnummer 27 und 31 gebaut und hatte nicht einmal eigene Wände. Wann das war, lässt sich nicht mehr genau sagen. „Das ist historisch nicht belegt“, sagt Stadtarchivar Thomas Klagian. Über 200 Jahre alt ist es jedenfalls, 1796 gehörte es schon einem Wachszieher. Im Stadtarchiv ist nur folgender Eintrag zum Kuriosum auffindbar: „Dieses Haus drängt sich mit seiner etwas mehr als handtuchbreiten Fassade schmalbrüstig und konisch zwischen die Nachbarhäuser. Die alten Bregenzer waren sich stolz der Tatsache bewusst, dass dies das schmalste Haus Europas, wenn nicht der ganzen Welt war.“

Jahrzehntelang war das Kleinod allerdings überhaupt nicht sichtbar. Davor stand ein Verteilerkasten, Fenster und Türen waren zugemauert. Erst vor zehn Jahren ließ Lang die Fassade wieder restaurieren und die Tür einbauen. Jetzt können Neugierige zumindest wieder die Türklinke nach unten drücken.

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