Corona zeigte neue Facetten von Armut auf

Die Präsentation des Wirkungsberichts 2020 der Caritas Vorarlberg ist einerseits eine Rückschau auf ein ungewöhnliches Jahr, gleichzeitig aber auch ein Ausblick auf die anstehenden Herausforderungen.
„Corona ist nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern ganz stark auch eine Sozialkrise. Und gerade in einer solchen Krise erfahren wir umso mehr, worauf es letztlich in unserer Gesellschaft ankommt: Nämlich, dass Menschen füreinander da sind und zusammenstehen, wenn sie einander brauchen. Nichts ist wertvoller als das.“ Es benötige ein Zusammenwirken aller Kräfte, um halbwegs gut durch eine solche Krise zu kommen, machte Caritasdirektor Walter Schmolly im Rahmen eines Pressegesprächs im neuen Caritas Lerncafé in Hohenems bewusst. „Entsprechend haben wir den Wirkungsbericht 2020 mit `Das Wirken für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft´ überschrieben.“
„Ein großes Miteinander, in dem auch die Caritas ihren Beitrag geleistet hat“
Corona brachte mit sich, dass Menschen auf Hilfe angewiesen sind, die es nicht für möglich gehalten hätten, in solch eine prekäre Situation zu geraten. „Die Zahl der Menschen, die zum ersten Mal in den Caritas-Beratungsstellen vorgesprochen haben, ist seit Sommer 2020 sprunghaft gestiegen, ebenso die Zahl der anonymen Anfragen“, so Walter Schmolly. Aber auch im Bereich der Suchtberatung gibt es eine markante Zunahme: „Seit Jahresbeginn verzeichnen wir einen massiven Anstieg der Anfragen in der Suchtberatung um 140 Prozent. Das ist Ausdruck für den massiven Druck, unter dem viele Menschen und Familien derzeit stehen. Und schließlich macht auch die Erfahrung von Isolation und Einsamkeit Menschen in Vorarlberg massiv zu schaffen. Insgesamt hat die Caritas über 12.000 Menschen direkt geholfen – die große Zahl der Angehörigen nicht mitgezählt“, so der Caritasdirektor.
Zuhause bleiben – doch wohin, wenn man kein Zuhause hat?
Besonders brisant war vergangenes Jahr für Menschen, die kein Zuhause, oder kein sicheres Zuhause hatten. Hier war die Caritas gefordert, etwa im Haus Mutter und Kind, in den Wohngemeinschaften für Menschen mit Beeinträchtigung, in den Unterkünften für geflüchtete Menschen oder in der Notschlafstelle. Darüber hinaus sicherte die Caritas bei mehr als 800 Haushalten mit Beratung und Überbrückungshilfen die bestehende Wohnsituation ab.
Blick über den Tellerrand
In langjähriger Partnerschaft leistet die Caritas Vorarlberg im Ausland wichtige Aufbauhilfen. Während der Pandemie kam dieser Zusammenarbeit ganz besondere Bedeutung zu, denn die Not der Schwächsten hat sich dadurch vielfach dramatisch entwickelt. In der Bewältigung der zusätzlichen Herausforderungen, sind wir mit unseren Partner*innen einer Meinung: Es braucht den globalen Zusammenhalt, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen.
Blick nach vorne: Fokus auf Kinder und Jugendliche
Viele der großen, krisenhaften Entwicklungen unserer Zeit, vom Klimanotstand über die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich bis hin zu Corona, sind eine zunehmend große Bürde für die nachkommenden Generationen. Um den wachsenden sozialen Problemlagen vorzubeugen, sieht die Caritas drei Handlungsstränge:
· Die Halbierung der Zahl von Armut betroffener oder gefährdeter Kinder
Österreichweit gelten 291.000 Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet. Auf Vorarlberg bezogen sind das zumindest 13.000 unter 18-Jährige. Nachdem sich das Land Vorarlberg zum Ziel gesetzt hat, bis 2035 der chancenreichste Lebensraum für Kinder zu sein, wäre es unser Wunsch, rasch eine Taskforce mit allen Beteiligten einzusetzen, um auf Grund der Corona-Folgen gemeinsam bessere Rahmenbedingungen für alle Kinder zu ermöglichen.
· Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen sichern
Das Ziel muss sein, dass für jedes Kind und jede*n Jugendliche*n sichergestellt ist, dass sie/er unabhängig von der familiären Ausgangssituation ihre/seine Potenziale entfalten kann – die Caritas tut dies beispielsweise in den Lerncafés sowie im Jugendbeschäftigungsprojekt startbahn. Auch dabei ist uns die enge Zusammenarbeit mit Schulen, Eltern und Gemeinden ein großes Anliegen.
· Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der nachhaltigen Gestaltung der Zukunft.
Keine andere Gruppe ist in der Zukunft von den großen Entwicklungen so massiv betroffen, wie Kinder und Jugendliche. Corona hat die junge Generation in vielem ausgebremst und ihre Themen vorübergehend zurückgereiht. Nun braucht es dringend wieder ihre ernstgemeinte und substanzielle Beteiligung.
Stabilität und Verlässlichkeit besonders gefragt
Die neun Lerncafés in ganz Vorarlberg boten im vergangenen Jahr insgesamt 312 Kindern und Jugendlichen Stabilität und Verlässlichkeit. „Eltern sorgen sich sehr, wenn ihre Kinder die Schule nicht gut bewältigen können. Umso mehr belastete es sie, wenn sie die Aufgaben im Distance-Learning nicht gut begleiten konnten oder auf Grund der umfassenden Digitalisierung keinen Einblick in die Aufgaben ihrer Kinder hatten“, berichtete Stellenleiterin Bea Bröll von den Erfahrungen in den Lerncafés. Strukturen und regelmäßige Abläufe sind durch Corona weggebrochen. Kreative Lösungen waren hier gefragt und so wurde binnen kürzester Zeit das Angebot ausgeweitet. Es entstanden beispielsweise die „DigiKids“ als digitale Lernhilfe für Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Schulstufe. „In Einzelfällen stellten wir auch die technische Ausstattung zur Verfügung“, erzählte Bea Bröll. Die schrittweise Lockerung bringt nun auch wieder Stück für Stück Normalität in die Lerncafés: „Es bestätigt sich, dass sich Kinder und Jugendliche durch die Kombination zwischen Lernen und Begegnung gut entfalten können.“
Best Practice: Das neue Lerncafé in Hohenems
Am Beispiel des neuen Lerncafé Hohenems wird deutlich, wie es gelingt, Kindern gerechte Bildungschancen zu ermöglichen: „Wir haben uns von Seite der Stadt in Hohenems das Ziel gesetzt, dass jedes Kind zumindest einen Pflichtschulabschluss schafft“, erläuterte Vizebürgermeisterin Patricia Tschallener. „Manche Kinder brauchen Lernhilfen außerhalb der Räumlichkeiten der Schule. Sie brauchen die Unterstützung durch Menschen, die ihnen auch die kleinsten Fortschritte aufzeigen und sie so motivieren dranzubleiben. Hier braucht es uns alle – Gemeinden, Privatpersonen, Unternehmen und auch soziale Einrichtungen, wie die Caritas. Es müssen schnelle, einfache Lösungen gefunden werden, die nur gemeinsam zu erreichen sind.“
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.