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Claus Peymann ist tot

Regisseur Claus Peymann ist gestorben.
Regisseur Claus Peymann ist gestorben. ©APA/HANS KLAUS TECHT (Archivbild)
Der langjähriger Direktor des Wiener Burgtheaters und späterer Direktor des Berliner Ensembles Claus Peymann ist tot.

Claus Peymann starb am Mittwoch im Alter von 88 Jahren in Berlin, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Mittwochabend mit Verweis auf Peymanns familiäres Umfeld berichtet. In Erinnerung bleiben wird Peymann nicht nur für seine legendären Thomas-Bernhard-Inszenierungen, sondern auch für seine markigen Sprüche.

Peymanns Stellenwert unterstrichen zahlreiche Wortmeldungen aus Kunst und Politik: "Der große Zauberer des Theaters ist tot", würdigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Verstorbenen. "Er hat das Theater über Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt", reagierte Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann, der Peymanns "Durchsetzung zeitgenössischer Autoren wie zum Beispiel Handke, Jelinek und natürlich Bernhard" hervorhob. Peymann habe das Theatergeschehen der Stadt "in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt", unterstrich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, während Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (beide SPÖ) festhielt: "Kaum jemand hat in jüngerer Zeit das Verständnis von politischem Theater so nachhaltig erschüttert, herausgefordert und neu definiert."

Theatermacher Claus Peymann begann Karriere in Frankfurt

Geboren wurde Claus Peymann am 7. Juni 1937 in Bremen. Seine Karriere als Regisseur und Theaterleiter begann er 1966 bis 1969 als Oberspielleiter am Theater am Turm (TAT) in Frankfurt, wo er u.a. Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" (1966), "Kaspar" und "Das Mündel will Vormund sein" sowie Gerlind Reinshagens "Doppelkopf" zur Uraufführung brachte. 1970 begründete er mit der Uraufführung von Thomas Bernhards erstem Theaterstück "Ein Fest für Boris" am Hamburger Schauspielhaus seine langjährige Arbeitsbeziehung zu dem österreichischen Autor, von dem er zahllose Stücke uraufführen sollte.

1971 gründete er zusammen mit Peter Stein die neue Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin. Er inszenierte dort u. a. die Uraufführung von Handkes "Ritt über den Bodensee" (1971). Ab 1974 war Peymann als Schauspieldirektor an den Württembergischen Staatstheatern in Stuttgart tätig und machte hier mit seinen Klassikerinszenierungen ("Räuber", "Käthchen von Heilbronn", "Faust I und II", "Iphigenie") von sich reden. 1977 sorgte die Sammlung von Spenden für die zahnärztliche Behandlung von Baader-Meinhof-Häftlingen für Aufregung. Peymann verzichtete daraufhin auf eine Verlängerung seines Stuttgarter Vertrages und trat die Leitung des Schauspielhauses in Bochum an, das sich unter seiner Intendanz 1979-86 nach Meinung der Fachkritik zu einem der besten Theater in Deutschland entwickelte.

Heldenplatz-Uraufführung sorgte für Diskussionen

Seine 1986 in der Nachfolge Achim Bennings angetretene Burgtheater-Direktion bezeichnete Peymann später immer wieder als "Königsetappe". 252 Premieren, darunter 51 Uraufführungen, kamen unter ihm, der den Autoren Handke und Bernhard stets ebenso die Treue hielt wie Peter Turrini und Elfriede Jelinek, am Burgtheater heraus - und nicht immer fanden die spektakulärsten Aktionen auf der Bühne statt. Da sorgte ein "Zeit"-Interview schon mal für mehr Wirbel, als es die meisten Aufführungen vermochten.

Die Auseinandersetzungen rund um die Uraufführung des Bernhard-Stücks "Heldenplatz" erreichten allerdings 1988 eine bis dahin kaum bekannte Heftigkeit und machten die Premiere "zum vielleicht legendärsten Datum des österreichischen Theaters der Zweiten Republik" (Peymann in "News"). Mit 120 Vorstellungen wurde der "Heldenplatz" zur meistgespielten Aufführung der Direktionszeit Peymanns.

"Ignorant und Wahnsinniger"

Nach seiner Burgtheater-Direktion leitete er von 1999 bis 2017 Brechts einstiges Theater am Schiffbauerdamm. Die Schluss-Auktion mit Kostbarkeiten aus dem Fundus des Berliner Ensembles nannte er "Peymann räumt auf", seine 2016 erschienenen "gesammelte Werke", in denen er seinen Weg "durch die Niederungen und Höhen der Theaterkunst" nachzeichnete, "Mord und Totschlag".

Als Peymann 2002 in Wien der "Nestroy"-Theaterpreis für sein Lebenswerk verliehen wurde, sorgten die Laudatio von André Heller sowie Bemerkungen der Moderatorin Andrea Eckert für politische Aufregung im Nachhinein. Kurz darauf verzichtete Peymann "unter dem Eindruck des unwürdigen Schauspiels und provinziellen Gezeters, das um die Nestroy-Preisverleihung an mich ausgebrochen ist", auf den Preis.

Erst zehn Jahre später, anlässlich einer "Geburtstags-Jause" zu seinem 75er im Berliner Ensemble, nahm er den Lebenswerkpreis verspätet ein zweites Mal an, nachdem die Statue in der Zwischenzeit in Wien im Theatermuseum aufbewahrt worden war. 2012 wurde er durch den damaligen Burg-Chef Matthias Hartmann auch zum Ehrenmitglied des Burgtheaters ernannt. Kollegin Maria Happel charakterisierte ihn damals in ihrer Laudatio knapp und treffend: "Du bist beides, der 'Ignorant und der Wahnsinnige'".

Politik trauert um Claus Peymann

Der Tod des langjährigen Burgtheaterdirektors Claus Peymann rief am Mittwochabend zahlreiche Reaktionen hervor. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf "X": "Die Ära Peymann ist zu Ende gegangen, der große Zauberer des Theaters ist tot. Über lange Jahre hat Claus Peymann auf den deutschsprachigen Bühnen nicht nur Theatergeschichte, sondern Geschichte geschrieben. Besonders am Wiener Burgtheater war er rasch schon Kult und ebenso Reibebaum. Claus Peymann war ein Streitbarer, der in diesem Streit Funken des Theaters herausschlug wie sonst kaum jemand."

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), per Aussendung: "Der Tod von Claus Peymann erschüttert die Theaterwelt. Speziell auch die Theaterstadt Wien. Denn der deutsche Theatermacher hat als Direktor des Wiener Burgtheaters - aufbauend auf der Arbeit seines Vorgängers Achim Benning - nicht nur den Stellenwert 'der Burg', sondern überhaupt das Theatergeschehen in unserer Stadt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt."

Veronica Kaup-Hasler, Wiener Kulturstadträtin (SPÖ), per Aussendung: "Kaum jemand hat in jüngerer Zeit das Verständnis von politischem Theater so nachhaltig erschüttert, herausgefordert und neu definiert. Claus Peymann stand für ein Schauspielertheater und für eine enge Verbindung zu den Autorinnen und Autoren seiner Zeit. (...) Theater verstand er als politische Kraft, die gesellschaftliche Missstände aufdeckte und den unbedingten Dialog miteinander herausforderte."

Werner Kogler (Kultursprecher der Grünen), per Aussendung: "Mit Claus Peymann verliert die Theaterwelt eine ihrer markantesten und einflussreichsten Persönlichkeiten. Sein Wirken als Regisseur und Intendant hat die deutschsprachige Theaterlandschaft über Jahrzehnte hinweg maßgeblich geprägt und immer wieder zu lebhaften Diskussionen angeregt. Peymann war ein Künstler, der das Theater als kritischen Spiegel der Gesellschaft verstanden und gelebt hat."

Karin Bergmann, ehemalige Burgtheaterdirektorin und langjährige Mitarbeiterin Peymanns in der "ZiB 2": "Er hat Theater durch und durch geliebt, es gab für ihn nur Theater. Es hat sein Leben und denken beherrscht. Seine beiden Grundlagen waren das Dichterwort und das, was er damit erreichen konnte. Er hat verstanden, welche Brisanz in den Texten lag. (...) Er hat immer geglaubt, dass man als Regisseur gesellschaftspolitischen Einfluss haben kann und hat versucht, didaktische mit Theater umzugehen."

Andreas Babler, Vizekanzler und Kulturminister (SPÖ), via Aussendung: "Als Theatermacher hat er die österreichische Dramatik und das Burgtheater wie kaum ein anderer geprägt - und dabei die Auseinandersetzung nie gescheut. Oft genug hat er Österreich furchtlos den Spiegel vorgehalten. Sein Wirken ist exemplarisch für die demokratische Kraft der Kunst. Danke für Mut, Heldenplatz und Streitbarkeit."

Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann: "Claus Peymann war einer der ganz Großen. Er hat das Theater über Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt. Seine Stationen als Intendant von Stuttgart über Bochum, dann natürlich das Burgtheater und schließlich das Berliner Ensemble sind legendär. Dabei ist vielleicht sein wichtigstes Verdienst, die Durchsetzung zeitgenössischer Autoren wie zum Beispiel Handke, Jelinek und natürlich Bernhard. Seine Präsenz in der deutschsprachigen Theaterlandschaft war immer überwältigend. Das gesamte Burgtheater und ich sind betroffen und in Trauer. Rest in Peace, lieber Claus."

Betroffenheit über Tod von Claus Peymann auch in Deutschland

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf "X": "Claus Peymann war eine der prägendsten Persönlichkeiten des modernen deutschen Theaters. Mit Engagement, Mut zur Auseinandersetzung und großer Leidenschaft hat er Berlins Kultur entscheidend mitgestaltet. Wir verlieren einen streitbaren Geist - und einen großen Theatermacher."

Deutscher Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) auf "X": "Wir verneigen uns vor einer großen Lebensleistung und trauern um Claus Peymann. Er war ein Titan des Theaters, ein Meister der Zumutung und Erneuerung. Ein Regisseur, der die Bühne stets auch als Kampfschauplatz verstand."

(APA/Red)

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