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Chromik zur Kunstmesse in Wien: "Die Messetage sind aber nur der Höhepunkt"

Johanna Chromik, neue Leiterin der viennacontemporary, bei einem Interview.
Johanna Chromik, neue Leiterin der viennacontemporary, bei einem Interview. ©Niko Havranek
Johanna Chromik ist die neue Leiterin der Kunstmesse und gerade erst von einer Bundesländer-Tour zurück. Sie ist unter anderem für die Kunsttage im September verantwortlich, hat aber das ganz Jahr über Kunst-Initiativen geplant.

Johanna Chromik ist gerade von einer Bundesländer-Tour zurück. Dort hat sie mit den Playern der lokalen Kunstszenen geredet – vor allem über die Frage: “Wie kann die Messe das ganze Jahr über Partnerin sein?”, erzählt die neue Leiterin der viennacontemporary im APA-Gespräch. Die internationale, zeitgenössische Wiener Kunstmesse findet heuer von 26. bis 29. September in der Marx-Halle statt.

“Die Messetage sind aber nur der Höhepunkt”, so Chromik, die sich als dauerhafte Advokatin eines Netzwerks aus Künstlern, Galeristen, Kuratoren und Sammlern verstanden sehen will. Der Erfolg der Messe, betont sie, hängt von der Lebendigkeit des “Biotops” ab, das sämtliche Teilnehmer durch ihre eigenen Kontakte und Netzwerke vergrößern. Und das soll gezielt weiterwachsen: soeben hat die Messe eine Förderung von rund 10.000 Euro von der Stadt bewilligt bekommen – für ein Programm, bei dem renommierte internationale Kuratoren, die Wien bisher kaum kennen, in die Stadt geholt und in die zeitgenössische Kunstszene eingeführt werden.

Chromik begeistert über wunderbare, arrivierte Galeristen in Wien

Chromik selbst hat Wien über ihre eigene Galeristenlaufbahn kennen und schätzen gelernt. Die gebürtige Polin, die in Deutschland aufwuchs, leitete zuletzt die Berliner König Galerie und die KOW. Kunstmessen, sagt sie, waren ihr schon seit Studientagen “ein zweites Zuhause”, aus erster Hand erlebte sie bereits früh die ganze Riege der großen Messen von Köln über Miami, von Basel über London – bis nach Wien. “Wien hatte schon immer eine Reihe wunderbarer, arrivierter Galerien, die eine herausragende Rolle auf dem internationalen Markt gespielt haben – darunter ja auffallend viele Frauen.” An Vertretern der jüngeren Generation war die Szene dagegen lange Zeit arm – “das ändert sich seit einigen Jahren und bringt einen riesigen Aufschwung”.

Blühende Off-Spaces und erfolgreich gestartete Junggalerien wie jene von Sophie Tappeiner, Lisa Kandlhofer, Gianni Manhattan oder Croy Nielsen seien als neu entstehende Community und Angelpunkt für junge Kunst der heimischen Szene auch am internationalen Parkett “stark aufgefallen”. “Wien war ja auch aus historischer Perspektive immer ein Ort, an dem ziemlich riskante Kunst entstehen konnte.”

Was der Stadt freilich auch heute fehlt, ist eine üppige Sammlerszene. “Da bin ich aus dem Rheinland natürlich anderes gewohnt”, lacht Chromik. “Mir kommt aber auch vor, dass die Sammler hier vielleicht ein Stück weit privater sind.” Klar ist: Auch hier ist der Nachwuchs gefragt. “Wie kann ich die junge Generation ins Boot holen und dafür begeistern, dass Kunst Teil ihres Lebens wird – diese Frage müssen wir uns wieder und wieder stellen.” Eine Strategie könne ein offensiverer Umgang mit sozialen Medien sein, glaubt Chromik. “Auch wenn es seine Tücken hat – ich denke, wir sollen versuchen, dieses Lifestyle-Element von Social Media zu nutzen, um Hemmschwellen und den elitären Ruf der zeitgenössischen Kunst abzubauen. Als Vermittlungstool und um eine andere Art von Durchlässigkeit zu schaffen.”

Kunstmesse in Wien startet im September 2019

Was eine gute Messe ausmacht? “Ein scharfes Profil”, so Chromik, und dazu zählt in Wien ganz wesentlich der Fokus auf Zentral- und Osteuropa. “Das ist etwas, wo wir einfach gut sind und was uns attraktiv macht – und zwar ganz spezifisch eingebettet in diese Stadt.” Chromik, mit knapp sechs Jahren aus Polen nach Deutschland übersiedelt, ist in den osteuropäischen Szenen mit Begeisterung und “mit meiner Kindersprache” unterwegs, erzählt sie schmunzelnd. Warschau sei nach dem Fall des Eisernen Vorhangs “sehr schnell sichtbar geworden und hat sich auf der internationalen Bühne rege beteiligt”. Aber auch Prag oder Budapest hätten viel vorzuweisen. “Was die Galerien dort leisten, ist unglaublich. Sie übernehmen – mit geringem Personal – auch Aufgaben der Forschung, Publikationen und Archivierung.”

Insbesondere die Kunstgeschichte 1960er bis 80er Jahre – als viele Künstler im sozialistischen Osteuropa nicht ausstellen durften “oder sich selbst verwehrt haben” – würde derzeit vorrangig von den Galerien aufgearbeitet. “Das ist echte Pionierarbeit” – die bei der Messe in Wien nicht zuletzt im Kontext einer neuen historischen Sektion gewürdigt werden soll. “Ich denke, dass eine zeitgenössische Messe auch von der Kontextualisierung leben kann”, so Chromik, die einen eigenen, gemeinsam mit einem Kurator erarbeiteten Bereich von 10 renommierten Galerien plant, in dem auf bis zu 50 Quadratmeter großen Ständen Kunst der Nachkriegszeit gezeigt – und verkauft wird.

(Das Gespräch führte Maria Scholl/APA)

(APA/Red)

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