Christkind in Gefahr!?

Es gibt Politikerinnen und Politiker, denen nichts zu dumm ist. Sie klammern sich an irgendwelchen Fragen fest und versuchen so, große Problemlösungskompetenz zu vermitteln. In Niederösterreich tun sie sich besonders hervor damit. Kapitel eins im türkis-blauen Regierungsprogramm aus dem ersten Jahr nach der Pandemie: Eine Absage an Informationsmaßnahmen zu Corona-Impfungen. Im Übrigen wird geschlechtergerechte Sprache im Landesdienst unterbunden. Im Regierungsalltag sind wiederum Überlegungen bestimmend, wie man gegen Klimakleber vorgehen könnte.
Sofern nicht gerade für Nikolaus, Krampus und Christkind gekämpft wird. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner lässt eine eigene Aktion Christkind organisieren. So will sie den Menschen eine heile Welt präsentieren. Ihr Stellvertreter Udo Landbauer betont derweil, dass „Nikolaus und Krampus fester Bestandteil unseres heimischen Brauchtums sind. Das gehört zur Adventzeit dazu und ist Teil der Vorfreude auf das Christkind.“ Nur verblendete Pädagogen könnten sie daher abschaffen. Das sei jedoch falsch verstandene Integrationspolitik. Und überhaupt: Wenn sie schon „die eigene Tradition aufgeben, wie können sie dann unseren Kindern Werte weitergeben?“
Hä? Welche Werte? Die Formulierung lässt tief blicken. Mit Nikolaus, Krampus und Christkind gehen für eine Allgemeinheit längst keine Werte mehr einher. Der Krampus gilt eher nur als böse, weil er mit der Rute aufkreuzt, um Kindern Angst einzujagen; und Nikolaus und Christkind sind halt gut, weil sie Geschenke bringen. So einfach ist das. Und zugleich so sinnentleert.
Muslimische und andere Migranten haben nichts damit zu tun. Es geht um eine rein innerösterreichische Entwicklung: Die Masse, um die Mikl-Leitner und Landbauer vorgeben sich zu bemühen, wird kleiner und kleiner. In Wien ist die Zahl der Katholikinnen und Katholiken seit 2010 um ein Fünftel auf kaum mehr als eine Million gesunken. Sonntags in die Kirche gehen keine 100.000 mehr. Natürlich: Man muss kein Kirchgänger sein, um ein guter Katholik zu sein. All das sagt aber sehr viel aus: Glaube und Werte in einem traditionellen Sinne sind auf dem Rückzug. Auf dem Vormarsch sind Konfessionslosigkeit und Einfach-irgendwie-dahinleben.
Es ist trotzdem schön, wenn viele zu Nikolaus und Weihnachten zusammensitzen, sich um eine gute Stimmung bemühen und einander mit Überraschungen erfreuen. Es ist sogar wichtig, weil es wohltuend sein kann. Man sollte es jedoch nicht politisch missbrauchen. Man sollte nicht so tun, als gehe es hier generell um Religiosität und Werte, die etwa durch Muslime bedroht werden würden. Es handelt sich im besten Fall um eine Traditionspflege, die heute anders – z.B. eben ohne Kirche – fortgeführt wird. Kritiker würden vielleicht sagen, verkitscht. Aber das ist eine andere Geschichte.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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