AA

"Buddenbrooks" in Bregenz gefeiert

Bregenz - Die erste Premiere des Theaters in der Josefstadt bei den Bregenzer Festspielen seit 1983 ist gestern, Samstag, Abend vom Publikum im Theater am Kornmarkt euphorisch gefeiert worden.

Zurecht, wie man hinzufügen muss: “Buddenbrooks”, John von Düffels Bühnenversion der berühmten Familienchronik von Thomas Mann, wurde von Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger packend, modern und klug in Szene gesetzt. Gabriel Barylli, Sandra Cervik und Joachim Bißmeyer stechen aus einem äußerst spielfreudigen Ensemble hervor, wie sich ab 25. September auch in Wien überprüfen lässt.

Es war wahrlich allein schon eine Meisterleistung, wie von Düffel den umfangreichen Klassiker für die Bühne auf eine etwa dreistündige Fassung verknappt hat. Dass Föttinger von der Inszenierung am Hamburger Thalia Theater vor drei Jahren angetan war, kann man sich nach dem gestrigen Abend lebhaft vorstellen. Gleich von Beginn an zieht einen die feine Dramatisierung in ihren Bann, in der österreichischen Erstaufführung faszinieren das raffinierte Bühnendesign von Rolf Langenfass und die düster-stimmungsvolle Lichtgestaltung von Emmerich Steigberger.

Das Auftaktbild zeigt die Buddenbrooks im Familienkreis auf und hinter dem Ledersofa des altehrwürdig angedeuteten Großbürgerhauses. Der Konsul Buddenbrook (Bißmeyer) mit seiner Frau (Else Ludwig), die drei Kinder Thomas (Barylli), Christian (Michael Dangl) und Tony (Cervik) dahinter, alle in Weiß gekleidet, wie auf einem Familienfoto. Als der schmierige Geschäftsmann Grünlich (Siegfried Walther) zu Besuch kommt, wirkt er in seinem dunklen Anzug schnell als Eindringling in dem vermeintlichen Familienidyll. Und so schnell wird die Familie diesen Eindringling auch nicht mehr los, hat dieser doch ein Auge auf Tony geworfen.

Wie durch ein Fotoalbum wird der Zuschauer durch die folgenden Szenen geführt, der Rahmen auf der Bühne ermöglicht stets zwei unabhängige Spielflächen, im Vordergrund wird ein altes Mikrofon immer wieder für kurze Erzählsequenzen genutzt. Grünlich wird in gewisser Weise zum auslösenden Moment des Niedergangs der Buddenbrooks: Dem Traditionsunternehmen der Kaufmannsfamilie geht es nicht gut, und der Geschäftsmann wirkt doch eigentlich wie eine ganz ordentliche Partie: “Man kann von einem Schaf ja auch nicht fünf Beine verlangen.”

Doch die ungewollte Ehe ist zum Scheitern verurteilt und geht vier Jahre später in die Brüche. Deutlich wird nur das System: Die Familie ist eine Kette mit vielen Gliedern, die alle aneinander hängen. Da müssen auch ungeliebte Opfer zum Wohle des gemeinsamen Ganzen erbracht werden. Als der Papa stirbt, übernimmt Thomas den Betrieb, führt ihn als kühler und egoistischer Patriarch kurzfristig zu neuen Höhen, stößt dabei seine Geschwister vor den Kopf. Doch wie Tony und Christian ist auch das neue Oberhaupt ein Zerrissener zwischen Tradition, Macht, Individualität und Familie.

Nach der Pause gibt es kein gemeinsames Ledersofa mehr, sondern nur mehr zwei getrennte Lederfauteuils auf jeder Seite der Bühne. Das Motto lautet “Kontenance wahren”, eine tickende Uhr deutet im Hintergrund den unerbittlich langsamen, aber stetigen und unaufhaltsamen Verfall der Familie an. Der Ton wird lauter und rauer, die Bilder werden dunkler, die Strukturen zerbrechen. Schließlich ärgert sich Thomas über seinen schwächlichen Sohn, der noch weniger mit der Macht seines Übervaters umgehen kann als er selbst – und muss sich dabei seine eigene Schwäche eingestehen.

Die starke Schlussszene kulminierte gestern in tosendem Applaus und lauten Bravo-Rufen, die überragenden Darsteller – allen voran der nahezu entmenschlichte Gabriel Barylli, die wandlungsfähige Sandra Cervik und der überzeugend hypochondrische Michael Dangl – durften sich ebenso wie Föttinger über ein gelungenes Gastspiel in Bregenz freuen. Nach weiteren drei Vorstellungen bei den Festspielen feiern die “Buddenbrooks” am 25. September ihre Wien-Premiere. Und im Dezember gibt es noch eine Möglichkeit zum Eintauchen in die Familienchronik: Heinrich Breloer, der schon “Die Manns – Ein Jahrhundertroman” verfilmte, bringt “Die Buddenbrooks” mit Armin Mueller-Stahl, Iris Berben, Jessica Schwarz und August Diehl ins Kino.

(S E R V I C E – “Buddenbrooks” von John von Düffel nach Thomas Mann; Inszenierung: Herbert Föttinger, Bühnenbild und Kostüme: Rolf Langenfass, Musik: Christian Brandauer, Dramaturgie: Ulrike Zemme, Licht: Emmerich Steigberger; Bregenz, Theater am Kornmarkt – weitere Vorstellungen am 17., 19. und 20. August; Premiere Theater an der Josefstadt: 25. September – Info: http://www.bregenzerfestspiele.at)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Bregenz
  • "Buddenbrooks" in Bregenz gefeiert