Als Amedy Coulibaly zum wichtigsten Teil seiner Rede kam, wechselte er ins Arabische. Mit unsicherer Stimme schwor einer der drei Attentäter von Paris in einem Internetvideo dem Anführer der IS ewige Gefolgschaft.
“Ich leiste dem Emir der Rechtgläubigen, Abu Bakr al-Kuraishi al-Bagdadi, den Treueeid in Wohl und Wehe”, erklärte Coulibaly und verwendete dabei eine traditionelle islamische Formel. Um keinen Fehler zu machen, las er sie von einem Zettel ab – und verhaspelte sich dennoch mehrfach.
Islamischer Staat und Al-Kaida: Kampf bis aufs Messer
Die Spur der blutigen Attentate von Paris führt mit dem Eid auch in den Irak und nach Syrien, wo der IS große Gebiete beherrscht, in denen die Extremisten unter Al-Bagdadis Führung ein Terrorreich errichtet haben. Coulibalys Bekenntnis kam deshalb überraschend, weil sich die beiden mit ihm bekannten anderen Täter von Paris, die Kouachi-Brüder, auf den jemenitischen Ableger von Al-Kaida berufen haben sollen. Der IS und das Terrornetzwerk sind zwar Brüder im Geiste – dennoch bekämpfen sie sich bis aufs Messer.
Kampf um die Führung im weltweiten Jihad
Dabei geht es darum, wer im weltweiten Jihad die Führung übernimmt. Spätestens seit den Terroranschlägen von 11. September 2001 galt Al-Kaida lange Zeit als die unumstrittene Nummer eins unter den Terrorgruppen im Namen des Islam. Diese Position konnte auch der Wechsel an der Spitze nach dem Tod von Osama bin Laden 2011 zunächst nicht erschüttern. Nachfolger Ayman al-Zawahiri besitzt zwar nicht das Charisma Bin Ladens – musste aber keine Konkurrenz fürchten.
Der Bruch zwischen IS und Al-Kaida
Das änderte sich erst, als Al-Bagdadi und der IS im Irak immer stärker wurden und zunehmend auf eigene Faust handelten. Lange Zeit war die Terrormiliz ein Ableger Al-Kaidas im Zweistromland. Doch dann dehnte sich der IS ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien aus und wollte dort das Oberkommando über alle Jihadisten übernehmen. Als Al-Kaida das ablehnte und den IS auf die Grenzen des Irak beschränken wollte, kam es vor einem Jahr zum Bruch.
Der Jihad als Pflicht, Gewalt als legitimes Mittel
In ihrer Ideologie unterscheiden sich die beiden Terrorgruppen kaum. Sie geben vor, im Namen Gottes gegen die “Ungläubigen” zu kämpfen. Dabei propagieren sie die strengste und radikalste Form des Islams, die sie vermeintlich aus den Zeiten des Propheten Mohammed und seiner Nachfolgern im siebenten Jahrhundert herauslesen. Den Jihad, den “Heiligen Krieg” gegen “Ungläubige”, halten sie für eine Pflicht. Gewalt sehen sie als legitimes Mittel, um ihre Ziel durchzusetzen.
Im Wettrennen der Jihadisten hat Al-Kaida seine unumstrittene Führung verloren. Denn dem IS und Al-Bagdadi ist im vergangenen Jahr etwas gelungen, wovon das Terrornetzwerk bisher nur träumen konnte: die Ausrufung eines “islamischen Kalifats”. Al-Bagdadi kann für sich in Anspruch nehmen, ein staatsähnliches Gebilde aufzubauen. Zugleich besitzt der IS in Syrien und im Irak große Rückzugsräume, die den Extremisten Schutz bieten.
Solche finden die Anhänger von Ayman al-Zawahiri vor allem im Jemen, wo mit der Gruppe Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) einer der aktivsten Zweige des Terrornetzwerkes sitzt. Vor allem im Süden des Jemen liegen die Hochburgen der Gruppe, die das Land immer wieder mit Terroranschlägen erschüttert. Jemens Armee ist zu schwach, um Al-Kaida Einhalt zu gebieten. Und auch die regelmäßigen Angriffe von US-Drohnen konnten die Extremisten bisher nicht besiegen.
Als die Meldung kam, die Kouachi-Brüder ständen in Verbindung zu AQAP, schien Al-Kaida im Jihad-Wettrennen Boden gut gemacht zu haben. Doch Coulibalys Treueeid zu Al-Bagdadi dürfte in radikalen muslimischen Kreisen auch dem IS einen weiteren Schub geben. (APA/dpa)
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