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Bregenzer Festspiele offiziell eröffnet

Aufruf an die Gäste: "Spielen Sie also bitte nicht mit"
Aufruf an die Gäste: "Spielen Sie also bitte nicht mit" ©VOL.AT
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch bei der Eröffnung der 78. Bregenzer Festspiele vor Spaltung gewarnt und einen Appell an die Gäste im Festspielhaus gerichtet: "Spielen Sie also bitte nicht mit."
Bregenzer Festspiele: Vor der Eröffnung
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Eröffnung der Festspiele: Zaungäste
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Eröffnung im Festspielhaus
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Eröffnung im Festspielhaus II
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Eröffnungsfeier der Bregenzer Festspiele

Kulturminister Werner Kogler (Grüne) forderte den Verzicht auf Gewalt in der Sprache, während Festspielpräsident Hans-Peter Metzler an die Kraft der Musik erinnerte. Metzler würdigte die scheidende Intendantin Elisabeth Sobotka eingehend.

Wie in den vergangenen Jahren nützte Van der Bellen seinen Auftritt in Bregenz für eine Grundsatzrede - und wusste um die Erwartungen der Zuhörer. In Bregenz reize es ihn immer, "etwas Stacheliges zu sagen, etwas Unbequemes". Obwohl oder gerade weil die Nationalratswahl vor der Tür steht, hielt sich der Bundespräsident mit expliziten politischen Aussagen zurück und hütete sich, Parteien oder Namen zu nennen. Umgekehrt knüpfte er in seiner launigen Art an vor Jahren Gesagtes an. Österreich sei klimamüde, konfliktmüde, demokratiemüde? "So sind wir nicht", betonte der Bundespräsident.

Van der Bellen: Sind kein "Entweder-Oder"

Wir Menschen seien kein "Entweder-Oder" sondern alles, "was dazwischen ist", unterstrich er. Leider gebe es Kräfte, die die österreichische Widersprüchlichkeit "nicht als Brücke zueinander nutzen, sondern als Instrument der Spaltung". Dabei sei Spaltung eben kein Naturgesetz. Sie passiere, wenn hinreichend viele mitmachten und führe dazu, Schuldige zu suchen, Andersdenkende zu verachten und zu verspotten. Am Ende stehe Gewalt - wie zuletzt in den USA. Dafür dürfe kein Platz sein. "Verachtung ist kein Wahlprogramm. Und Hass keine Lösung für unsere Probleme", stellte er fest - und erhielt dafür großen Applaus.

Wenn man über die Welt spreche, so sei diese "ganz einfach" und eindeutig. "Etwas ist entweder schwarz oder weiß, groß oder klein, oben oder unten, gut oder böse", sagte Van der Bellen, dazwischen gebe es nichts. Es sei aber das "Entweder-Oder", das uns spalte. "Es stellt uns an gegenüberliegende Pole und verhindert nicht nur, dass wir etwas tun, uns zusammentun. Es verhindert oft sogar, dass wir uns vernünftig verständigen", sagte der Bundespräsident. Wir sollten gut aufpassen, "was und warum und wen wir da jeden Tag schubladisieren", gab Van der Bellen zu bedenken. So rief er dazu auf, sich nicht kategorisieren und an den Rand drängen zu lassen. Und man solle nach Möglichkeit jene wieder aus den Schubladen herausholen, in die man sie irrtümlich hineingesteckt hat. "Damit wir wieder normal miteinander reden können", sagte Van der Bellen. Am Ende komme vielleicht heraus, "dass uns mehr miteinander verbindet als uns trennt".

Kogler: "Lassen wir in unserer Sprache keine Gewalt zu"

Auch Vizekanzler Kogler schwor in seiner Rede dem "Entweder-Oder" ab, indem er den Kompromiss lobte - "weil der Kompromiss eben nicht die vermeintliche Wahrheit verwässert, sondern vielmehr die unterschiedlichen und oft entgegengesetzten Interessen vieler, möglichst aller ausbalanciert." Wer den Kompromiss denunziere, werde bald zum Gegner der parlamentarischen Demokratie. Die parlamentarische Demokratie aber brauche frei gewählte Abgeordnete und keinen so genannten "Volkskanzler".

Vizekanzler Werner Kogler ©Stiplovsek

"Lassen wir in unserer Sprache keine Gewalt zu!", schlug Kogler vor. Man müsse auf Fehler anderer ja nicht unbedingt mit lautstarker Häme reagieren", sagte er. Niemand habe ein Monopol auf gute Ideen. Man dürfe aber auch nicht naiv sein. Um sich greifende Halbwahrheiten und Lügenpropaganda seien "im Ergebnis de facto Angriffe auf unsere liberale Demokratie". Da wolle man nicht tatenlos zusehen, griff der Vizekanzler auf Immanuel Kant zurück: "Der Gebrauch unseres Verstandes und unserer Vernunft ist ein Fundament für unser Zusammenleben in Frieden und Freiheit."

Unter dem Titel "Stell' dir vor, die Welt wäre ganz anders" rief Kogler auch zu Zuversicht auf. "Wir können es uns ja auch aussuchen: die Zukunft erleiden oder leidenschaftlich gestalten. Zumindest der Versuch muss es uns jeden Tag wert sein", befand er. Man könne die Herausforderungen der Zeit meistern, zeigte sich Kogler überzeugt - und nannte dazu Begriffe wie "europäisch denken" oder "ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft".

Metzler: "Musik lauter und schöner spielen als je zuvor"

Festspielpräsident Metzler ging am Beginn seiner Rede ebenfalls auf den Unfrieden der aktuellen Zeit ein. "Dies wird unsere Antwort auf Gewalt sein: Musik lauter und schöner zu spielen als je zuvor", zitierte er Leonard Bernstein. Kunst und Musik würden nicht nur trösten, sondern seien auch eine mächtige Kraft für den Wandel und die Hoffnung. Kunst, insbesondere die Oper, spiegle das Leben in all seinen Facetten wider und erinnere uns daran, dass jeder Moment, jede Aufführung eine Chance sei, zu fühlen, zu reflektieren und damit zu wachsen.

Festspielpräsident Hans-Peter Metzler ©Stiplovsek

Nachdem er sich für die Sanierung des Festspielhauses, der Seebühne und der See-Tribüne (Investitionsvolumen: 78 Mio. Euro) bedankt hatte, sprach Metzler der scheidenden Intendantin Elisabeth Sobotka eine überaus anerkennende Würdigung aus. Sobotka wechselt im Herbst an die Staatsoper Unter den Linden nach Berlin. "Unter ihrer visionären Führung haben die Bregenzer Festspiele neue Horizonte erkundet und unvergessliche Momente geschaffen. Ihr Beitrag zur Entwicklung unserer Festspiele ist unermesslich", stellte Metzler fest. Sobotkas Leidenschaft für die Kunst und ihre Fähigkeit, kreative Visionen mit wirtschaftlicher Realität zu verbinden, machten sie einzigartig im großen Opernbetrieb. Ihr Weggang am Ende des Sommers werde das Ende einer weiteren Ära markieren.

83 Veranstaltungen auf dem Programm

Bis 18. August stehen am und auf dem Bodensee 83 Veranstaltungen auf dem Programm, für die rund 227.000 Karten aufgelegt wurden. 85 Prozent der Tickets waren zu Festspielbeginn bereits gebucht. Den künstlerischen Auftakt des Festivals bildete am Mittwochabend die Premiere von Carl Maria von Webers "Der Freischütz", der in Bregenz erstmals als Spiel auf dem See gespielt wird. Für die 28 "Freischütz"-Aufführungen gelangten 199.000 Karten in den Verkauf. Als Oper im Festspielhaus wird in diesem Jahr Gioachino Rossinis "Tancredi" gezeigt, die Premiere ist für Donnerstagabend angesetzt. Mit den Opernwerken "Unmögliche Verbindung" und "Hold Your Breath" sowie dem Theaterstück "Mondmilch trinken" umfasst das Festspiel-Programm auch drei Uraufführungen. Der ehemalige Bregenz-Intendant David Pountney, Vorgänger von Elisabeth Sobotka, las bei der Eröffnungsfeier aus dem Libretto zu "Hold Your Breath", das auch seine Handschrift trägt.

Ehemaliger Bregenz-Intendant David Pountney ©Stiplovsek

Abseits der Reden bestach die live im TV übertragene Eröffnung durch die Darbietungen der Festspiel-Künstler, die auf höchstem Niveau in vielfältigen Auszügen das Festspielprogramm vermittelten.

Eröffnung im Festspielhaus ©Stiplovsek

Als Moderator brillierte in perfekten Reimen Moritz von Treuenfels als Teufelsfigur Samiel aus "Der Freischütz". Nach dem Abschluss der Eröffnungszeremonie mit der Europahymne traf man sich - auch das ist Tradition in Bregenz - zum Empfang auf dem Vorplatz des Festspielhauses.

Prominente Gäste aus Politik und Kultur

Die Eröffnung der Bregenzer Festspiele am Mittwoch lockte auch heuer Gäste aus Politik und Kultur an den Bodensee. Anders als in früheren Wahljahren fiel die Dichte an Bundespolitikern und -politikerinnen diesmal aber eher mager aus, die meisten Regierungsmitglieder verzichteten auf einen Bregenz-Auftritt. Den Festspielen treu war weiter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der das Festival eröffnete.

Livestream zum Nachsehen:

An den Bodensee reisten Vizekanzler Werner Kogler, Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (beide Grüne), Innenminister Gerhard Karner und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP). Heimvorteil hatten die beiden aus Vorarlberg stammenden Regierungsmitglieder Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

Interviews auf dem "roten Teppich"

Bundespolitik

Landeshauptmann Wallner

Wie jedes Jahr beehrten Politiker aus den benachbarten Ländern die Festspiele, heuer etwa Kulturministerin Claudia Roth aus Deutschland, aus Liechtenstein Regierungschef Daniel Risch und Minister Manuel Frick sowie der Graubündner Regierungspräsident Jon Domenic Parolini. Das diplomatische Corps vertraten Maria-Pia Kothbauer (Liechtenstein), Vito Cecere (Deutschland), der ukrainische Botschafter in Wien Vasyl Khymynets sowie Österreichs Botschafter in Deutschland Michael Linhart und sein Pendant in der Schweiz, Maria Rotheise-Scotti.

Deutsche Kulturministerin Claudia Roth

Landespolizeidirektor Ludescher

Festspielpräsident Hans-Peter Metzler und Intendantin Elisabeth Sobotka begrüßten unter anderem die ehemalige Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler, den Bregenzer Alt-Festspielpräsidenten Günter Rhomberg sowie die Nachfolgerin Sobotkas, Lilli Paasikivi. Zur Seepremiere am Abend werden zudem der St. Galler Regierungsrat Beat Tinner, der bayrische Europaminister Eric Beißwenger und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl erwartet.

Festspiel-Intendatin Sobotka

Live-Ticker zum Nachlesen

(APA)

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