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Bodensee-Schifffahrt feiert 125. Jahr ihres Bestehens

Bregenz - Am 15. September 1884 wurde unter persönlicher Teilnahme von Kaiser Franz Joseph I. die "k. k. Bodensee-Dampfschiffahrtsinspektion Bregenz" eröffnet, dieses Datum gilt als Gründungstag.

War die Beschiffung des Bodensees damals vor allem für den Gütertransport als Verlängerung der neuen Eisenbahnwege bedeutsam, so dienen die Schiffe der “Weißen Flotte” heute Erholungssuchenden und Touristen für Ausflüge und Rundfahrten.

1880 wurde der Bau der Arlbergbahnlinie von Innsbruck nach Bludenz beschlossen, während der Arbeiten wurde die bereits bestehende Bahnverbindung zwischen der Bodenseestadt Lindau und Bludenz von den Österreichischen Staatsbahnen übernommen. Zum Ausbau des internationalen Güterverkehrs wurde am Bodensee in Bregenz die Einrichtung eines Trajektdienstes, also eines Fährverkehrs mit Spezialschiffen zum Transport von Eisenbahnwaggons, beschlossen. Die beladenen Waggons konnten über eine regulierbare Hebebrücke auf die Lastkähne verschifft werden. Die vier Trajektkähne, die je acht Güterwaggons aufnehmen konnten, fuhren von Bregenz aus die deutschen Häfen von Konstanz und Friedrichshafen sowie das schweizerische Romanshorn an.

Der alte Schiffshafen musste angesichts der neuen Anforderungen aus- und umgebaut werden. Am 1. Juni 1890 wurde der Personenschiffverkehr auf ein neues Molo verlegt, am selben Tag wurde zudem die Bahnhaltestelle “Bregenz-Hafen” eröffnet. Überdies wurden zwei Personen-Dampfschiffe, das DS “Austria” und das DS “Habsburg”, in Dienst gestellt. 1885 folgte das erste Salonschiff “Kaiser Franz Joseph I.”, wegen des steigenden Verkehrs wurden in den folgenden Jahren zwei weitere Salonschiffe gebaut. Als damals größtes und schönstes Dampfschiff Österreichs nahm 1901 die “Stadt Bregenz” ihren Dienst auf, sie fasste 1.000 Passagiere.

Im ersten Weltkrieg kam der Personen- und Güterverkehr am Bodensee nahezu zum Stillstand. Nach dem Krieg wurden die an die Habsburgerzeit erinnernden Schiffsnamen durch solche von Vorarlberger Orten ersetzt. Der Trajektverkehr von und nach Bregenz blieb eingestellt. Mit dem 1928 von den ÖBB in Betrieb genommenen Schiff “Österreich” begann am Bodensee das Motorschiffzeitalter. Ein zweites “MS” lief 1939 vom Stapel – der Name ließ die neuen Zeiten erkennen: “Ostmark”.

Mit dem “Anschluss” ging 1938 auch die österreichische Bodensee-Schifffahrt an die Deutsche Reichsbahn über, sie existierte als eigenständiges Unternehmen nicht mehr. Die österreichischen Schiffe wurden in Lindau stationiert, Bregenz war nur noch eine Landestelle. Der Krieg traf die Bodensee-Schifffahrt aber noch härter: Die Schifffahrtsinspektion in Bregenz wurde 1940 aufgelöst, die Werft und die Werkstätten stillgelegt. Die Flotte musste zum Schutz vor Luftangriffen mit einem dunkelgrauen Anstrich getarnt werden. Die deutsche Marine verwendete das MS “Österreich” 1944 gar für Torpedoübungen, dabei wurde das elegante Schiff schwer beschädigt. 1944 musste der Schiffverkehr am Bodensee ganz eingestellt werden, weil die Lage zu gefährlich geworden war.

Zum Ende des Krieges fürchteten die Nationalsozialisten, die Schiffe könnten den Franzosen in die Hände fallen. Der Lindauer Kreisleiter gab daher im April 1945 den Befehl, ihre Versenkung vorzubereiten. Zukunftsorientierte Bürger wollten das aber nicht hinnehmen. Nach der Zusage der Schweizer Behörden verließen daher heimlich vier österreichische und sechs bayrische Schiffe den Hafen und gingen in der neutralen Schweiz vor Anker, sie blieben so vor diesem Schicksal bewahrt.

Am 16. Oktober 1945 nahm das Dampfschiff “Stadt Bregenz” als erstes Bodenseeschiff nach dem Krieg die Kursfahrten auf der Strecke Bregenz – Konstanz wieder auf. Wenige Monate später war auch das MS “Austria”, das vormals “Ostmark” geheißen hatte, wieder einsatzfähig.

 

In den 1950er Jahren ging es mit der österreichischen Bodensee-Schifffahrt wieder bergauf. Die ÖBB stellten vier neue Motorboote in Dienst, auch eine neue Schiffswerkstatt wurde errichtet.

1963 bestellten die ÖBB bei der Schiffswerft in Korneuburg ein neues Motorschiff, das zur Saison 1965 in Betrieb gehen sollte. Das Schiff wurde im Sommer 1964 auf der Werft in Fußach zusammengebaut, im November sollte es getauft und vom Stapel gelassen werden. Noch heute gelten diese Novembertage als legendär, man erinnert sich ihrer in Vorarlberg als die Geburtsstunde des Föderalismus.

Am 21. November 1964 gingen Zehntausende Vorarlberger auf die Barrikaden und jagten den damaligen Verkehrsminister Otto Probst (S) mit Schimpf und Schande davon – wegen eines Bodenseeschiffes, das nach dem Willen von Probst auf den Namen “Karl Renner” getauft werden sollte, obwohl man im Ländle für “Vorarlberg” gestimmt hatte. Die Bevölkerung war einem Protestaufruf der “Vorarlberger Nachrichten” in Scharen nachgekommen. Die Menge erwartete den Minister, der per Sonderzug aus Wien ankommen sollte, am Bahnhof Bregenz. Als der Zug ohne Probst einfuhr, begaben sich die Demonstranten nach Fußach, wo sie auf weitere Protestierende stießen.

“Lasst den Wiener Schmäh, Vorarlberg liegt am Bodensee” und “Mehr Demokratie weniger Personenkult” war auf Transparenten zu lesen. Tomaten wurden geworfen, die Absperrungen überrannt, und die Gendarmerie hatte alle Mühe, die Ehrengäste auf einem Schiff vor der aufgebrachten Menschenmenge in Sicherheit zu bringen. Probst, der mittlerweile per Schiff von Bregenz Richtung Fußach unterwegs war, zog es in Kenntnis der Situation vor, umzukehren und die Schiffstaufe abzusagen. Nachdem sich auch die anderen Ehrengäste aus dem Fußacher Hafen entfernt hatten, war die Menschenmenge nicht mehr zu halten. Ein Demonstrant kletterte auf das neue Schiff, schrieb mit schwarzer Farbe “Vorarlberg” auf den Bug, eine Frau vollzog die “Nottaufe” – nicht mit Sekt, sondern mit Bodenseewasser.

Der Streit um das Flaggschiff hielt noch bis zum Frühjahr 1965 an. Probst beharrte auf den Namen “Karl Renner” und schlug als Kompromiss vor, ein anderes Schiff, die “Austria”, in “Vorarlberg” umzubenennen. Am 2. April forderten rund 30.000 Vorarlberger den Verkehrsminister bei einer Großdemonstration zum Rücktritt auf. Erst Monate später, am 14. Juli 1965, ließ sich die SPÖ-Exekutive erweichen und empfahl Probst, dem neuen Bodenseeschiff doch den Namen “Vorarlberg” zu geben. Am 30. Juli 1965 wurde das Schiff, fast heimlich, in einer kleinen Feier in Anwesenheit des Ministers auf “Vorarlberg” getauft. Vorarlberg hatte seinen Willen durchgesetzt. Am 12. August 1965 nahm das MS “Vorarlberg” seine Kursfahrten auf, noch heute gehört das Schiff zur Bodenseeflotte.

Im März 2006 verkauften die ÖBB ihre Schifffahrt um 6,9 Mio. Euro an eine Eigentümergruppe, bestehend aus Vorarlberger Illwerke AG, Seestadt GmbH und dem Tourismusunternehmer Walter Klaus. Das Unternehmen heißt heute “Vorarlberg Lines-Bodenseeschifffahrt”. Stolzestes Schiff am Bodensee ist derzeit der Luxusliner “Sonnenkönigin”, der über eine separate Gesellschaft mehrheitlich Walter Klaus gehört. Am 18. September 2008 wurde das mit 70 Metern Länge größte Schiff am Bodensee feierlich getauft. In der Saison 2008 nutzten insgesamt 582.000 Personen die Flotte der “Vorarlberg Lines”.

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