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"Bleiben in bewährten Systemen": Direktor der Wiener Julius-Meinl-Gasse zur Schulzusammenlegung

Die Odoakergasse gibt es nun nicht mehr als Schuladresse. Beide Schulgebäude gehören ab sofort zur Julius-Meinl-Schule.
Die Odoakergasse gibt es nun nicht mehr als Schuladresse. Beide Schulgebäude gehören ab sofort zur Julius-Meinl-Schule. ©VIENNA.at/Jennifer Luger
Es war das Thema des Sommers unter den Eltern in Wien-Ottakring: Die Julius-Meinl-Schule und die Odoakergasse wurden zusammengelegt. Das Klientel der beiden Schulen, die sich stets einen Schulhof teilten, hätte zuvor kaum unterschiedlicher aussehen können: Fast ausschließlich Gymnasiasten vs. hauptsächlich Mittelschüler im weiteren Bildungsweg - und das seit mehreren Generationen. Die Verschmelzung führte zu Verunsicherung unter vielen bildungsnahen Eltern. VIENNA.at führte deshalb ein Gespräch mit Schuldirektor Adi Solly über die geplanten Maßnahmen zur Qualitätssicherung.

Schuldirektor Adi Solly zeigte sich bei der Interviewanfrage überrascht über die angebliche Verunsicherung unter der Ottakringer Elternschaft. Er habe zur Zusammenführung der Julius-Meinl-Schule und der Odoakergasse bislang nur positive Rückmeldungen bekommen - zuletzt auch am Tag der Wiener Schulen. Zudem gab es eine Informationsveranstaltung für alle Eltern, die bereits Kinder in der Schule haben, bei der auch Bildungsdirektorin Elisabeth Fuchs anwesend war. Die Veranstaltung sei ebenfalls mit positiver Stimmung beendet worden. Er könne sich aber vorstellen, dass die kurze Vorlaufzeit einige Eltern, die noch keine Kinder in der Schule haben, verunsichert habe.

Keine neue Schulleitung für Julius-Meinl-Schule gefunden

Die Entscheidung zur Zusammenlegung wurde von der Bildungsdirektion getroffen. Der Bezirk gab schließlich seine Zustimmung. Solly leitete die beiden Schulen bereits die vergangenen zwei Jahren provisorisch parallel, nachdem sich keine neue Schulleitung für die Julius-Meinl-Schule finden ließ. Als Grund dafür sieht Solly einerseits die bei Halbtagsschulen geringer ausfallenden monetären Anreize. Andererseits sind es auch die reduzierten pädagogischen Aufgaben in der Schulleitungsposition, die jemand, der sich zur Lehrkraft ausbilden hat lassen, meist ungern aufgibt. Ob bildungsnahes oder bildungsfernes Klientel mache als Anreiz kaum einen Unterschied. "Die Arbeit ist dieselbe", so Solly, es gebe nur unterschiedliche Gewichtungen bei den Herausforderungen. Er selbst habe die Position letztendlich übernommen, da er selbst aus Ottakring kommt und sein geliebter Wiener Sport-Club gleich in der Nähe zuhause ist. "Und dann natürlich auch das Haus. Wenn du schaust von draußen, diese Burg. Und drinnen, wunderschön. Das ist ja so gar nicht mehr zu finden. Mit den hohen Räumen und den schönen Fenstern. Alles unter Denkmalschutz", schwärmt Solly. Mit der Bezahlung habe er sich im Vorhinein gar nicht so beschäftigt.

Nun ist es also so, dass Solly offiziell zum Direktor der neuen, erweiterten Julius-Meinl-Schule ernannt wurde. Die Prozesse laufen nicht mehr parallel, sondern gemeinsam ab. Doch was bedeutet das nun genau? Wie sieht die Zusammenstellung der Klassen ab sofort aus? Welche Neuerungen gibt es und welche Gewohnheiten bleiben bestehen?

Nach Schulzusammenlegung: "Wir arbeiten weiterhin mit den Dingen und an den Dingen, die wir gut können"

Zu konzeptionellen Unterstützung wurden Schulentwicklungsberater hinzugezogen. Es wurde analysiert, welche Gegebenheiten man unbedingt bewahren möchte und wo neue, gemeinsame Wege Sinn machen. Als Erkenntnis ergeben hat sich, dass es zwei große Expertisen gibt, die aufgrund der Population der Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlicher Natur sind. In der Julius-Meinl-Schule war man spezialisiert darauf, jene Kinder zu fordern, die schon vor Schulbeginn einige Buchstaben beherrschten. In der Odoakergasse hat man mit hohem, intensivem Einsatz und großer Methodenvielfalt große Sprünge geschafft bei Schulkindern, die anfangs kaum der deutschen Sprache mächtig waren. "Wir können das auch belegen, denn wir hatten einen hohen Anteil an Kindern mit Außerordentlichkeit, sprich einer anderen Sprachkompetenz, aber dann in Summe die meisten, die es am schnellsten geschafft haben, diese Sprachkompetenz in eine ausreichende Sprachkompetenz umzuwandeln. Und das zeigt schon, dass gut gearbeitet wird. Nur honoriert ist es nie wirklich worden. Der Ruf einer Schule ist der Ruf einer Schule", so Solly. Am Tag der Wiener Schulen gab es dann einige Eltern, die unter den neuen Gegebenheiten erstmals auch einen Blick in die Odoakergasse geworfen haben und sich laut Solly erstaunt zeigten, wie toll in dem anderen Schulgebäude gearbeitet wird und dass ihnen das gar nicht klar gewesen sei.

Man möchte diese Expertisen jedenfalls auch in Zukunft erhalten. "Es macht keinen Sinn, einfach zu sagen 50-50. Die eine Hälfte kann schon viele Buchstaben oder lesen, wenn sie in die Schule kommt, die andere Hälfte ist nicht einmal unserer Sprache noch gut mächtig - die zusammenzugeben, das bringt gar nichts. Wir werden weiterhin darauf achten, dass die Kinder sehr homogen in ihren Begabungen und in ihren Voraussetzungen bleiben. Das heißt, es wird weiterhin so sein, dass Kinder, die mit mehr in die Schule kommen, also mehr gefordert werden müssen, zusammenbleiben", erläutert Solly. Genauso sollen Kinder, die in ihrer Schulreife oder Sprachkompetenz noch Aufholbedarf haben, gezielte Förderung in einem eigenen Klassenverband erhalten. "Mir war es auch wichtig, dass ich jetzt nicht von Anfang an sage, so, jetzt ist alles neu, jetzt muss alles anders gedacht und alles gemacht werden, sondern wir bleiben in unseren bewährten Systemen. Es hat ja auch keine Veränderung bei der Klassenzusammensetzung seit der Ankündigung gegeben, sondern wir arbeiten weiterhin mit den Dingen und an den Dingen, die wir gut können", betont Solly.

Kinder und ihre Eltern entscheiden, in welche Klasse sie kommen

Letztendlich entscheiden die Kinder und ihre Eltern, in welche Klasse sie kommen. Bei der Anmeldung kann angeben werden, welche Lehrperson man sich wünscht oder mit welchen Kindern man gemeinsam in eine Klasse kommen möchte. Sollys Erfahrung nach ist das etwas, womit sich beim ersten Kind eher bildungsnähere Familien auseinandersetzen - trotz Elternarbeit, wie beispielsweise dem "Fit für die Schule"-Programm, mit dem man versucht, Eltern, noch bevor ihre Kinder in die Schule kommen, abzuholen.

"Ich sitze dann sehr lange, das ist mein Sudoku, sage ich dann immer, aber es geht sich gut aus", so der Schuldirektor. "Sollten es mehr sein, als in einer Klasse untergebracht werden können - und das kommt eigentlich kaum vor, in den letzten Jahren ist das erst ein einziges Mal vorgekommen - dann wird der Zweitwunsch berücksichtigt". Bei der Aufteilung der restlichen Kinder kommt es zu Beratungen unter den Lehrkräften, wobei besonders auf die Interessen und Begabungen geachtet wird. In der Julius-Meinl-Schule gibt es etwa einen musisch-kreativen Schwerpunkt und einen sportlichen Schwerpunkt. Durch das Hinzukommen der Räumlichkeiten in der Odoakergasse gibt es auch zwölf Klassen mit Smartboards, wo man, sofern von den Eltern gewünscht, in Richtung digitaler Bildung gehen kann.

Projekte außerhalb des Klassenverbands

Die Integration geschieht an anderer Stelle. "Mit der Zusammenlegung der Schulen konnten sich auch neue Dinge entwickeln. Beispielsweise gibt es klassen- und schulstufenübergreifende Projekte, an denen unabhängig vom Klassenverband gearbeitet wird, bei denen die Kinder durchmischt sind, egal von welchem Bildungshintergrund sie kommen. Wir wollen einfach auch erreichen, dass diese Kinder, die sich in sonstigen Bereichen treffen - also außerschulisch, im Verein, auf der Straße, beim Einkaufen, im Park, wo auch immer - dass sich die kennenlernen. Schon in der Schule. Ich glaube, dass ihnen das auch hilft, wenn sie dann Jugendliche oder junge Erwachsene sind, weil sie leben alle in diesem Bezirk, das ist ihre Lebensumwelt. Und dementsprechend wollen wir das gemeinsam neu aufsetzen. Einerseits die Bewahrung der Qualität und der Expertisen und andererseits ein Weg für die Zukunft, in dem man, auch wenn man unterschiedlichster Grundvoraussetzungen ist, was jetzt zum Beispiel das Bildungsniveau betrifft oder auch die Sprachkompetenz, etwas Gutes gemeinsam macht".

Schulentwicklungsteam aus Kollegium gebildet

Um weiterhin daran zu arbeiten, in welchen Bereichen Synergien sinnvoll sind und wo es gut ist, in den ursprünglichen Kompetenzen zu bleiben, wurde aus dem Kollegium ein Schulentwicklungsteam geformt, in dem sich laut Solly repräsentativ Lehrkörper beider Schulen befinden. Hier beschäftigt man sich stetig mit den Fragen "Hat sich das als gut herausgestellt? Haben wir irgendwas übersehen? Müssen wir das nochmal ändern? Das haben wir vorher auch schon gemacht und das werden wir weiterhin machen", betont der Schuldirektor. Begleitet wird der Prozess selbstverständlich auch von Lehrkräftefortbildungen und Förderkonzepten.

"Ich glaube, dass es wirklich gut ist, und ich bin extrem zuversichtlich. Ich weiß, dass ich in beiden Schulen hochqualifizierte Lehrerinnen und Lehrer habe, die es in ihren Kompetenzen einfach schaffen werden, hier etwas Gemeinsames zu machen und sich gleichzeitig aber auch ihre ursprüngliche eigene Stärke bewahren können. Es herrscht wirklich eine gute Stimmung beim Lehrkörper", so Solly.

Zukunftsszenarien

Ein Wechsel der Schulform, wie etwa zu einer Ganztagsschule oder zu einer offenen Volksschule, ist nicht geplant, erklärt Solly auf Nachfrage, und wird auch in den nächsten Jahren bestimmt nicht umgesetzt. Das sei auch von der Bildungsdirektorin ganz klar kommuniziert worden. Ohnehin gäbe es dazu eine lange Vorlaufzeit und würde wenn dann auch nur für Kinder, die neu in eine Schule kommen, gelten.

Auf die Schließung der De La Salle Privatschule in der Schopenhauerstraße angesprochen, durch die ab nächstem Schuljahr rund 300 Kinder eine neue Schule suchen und kapazitätenbedingt vermutlich aus ihren Klassenverbänden gerissen und auf verschiedenste Klassen aufgeteilt werden - eine Horrorvorstellung für alle Eltern von Schulkindern - meint Solly: "Ich kann mir kein Szenario vorstellen, wo man sagt, man sperrt diese Riesenschule zu. Bei uns garantiert der Staat, ja, also für alles." Tatsächlich gebe es bereits erste Bewerbungen von Lehrkräften der schließenden De La Salle Schule an der Julius-Meinl-Schule.

Adieu Odoakergasse: Erweiterte Julius-Meinl-Schule in Wien-Ottakring

Wer sich selbst ein Bild von der neuen, erweiterten Julius-Meinl-Schule machen möchte, kann dies am 17. und 20.10.2025 zwischen 9 und 11 Uhr an den Tagen der offenen Türe tun.

(Red./JELU)

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