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Blatter will Sperre bekämpfen: "Ich werde wieder kommen"

Der ewige FIFA-Boss stürzt: Achtjährige Sperre für Joseph Blatter.
Der ewige FIFA-Boss stürzt: Achtjährige Sperre für Joseph Blatter.
Joseph Blatter wird seine Sperre durch die FIFA-Ethikkommission vor den Gerichten anfechten. Der für acht Jahre aus dem Fußball verbannte Schweizer kündigte am Montag einen Einspruch beim FIFA-Berufungskomitee und beim Internationalen Sportgerichtshof CAS an. "Ich werde kämpfen, für mich, für die FIFA", sagte Blatter. "Es ist noch längst nicht vorbei. Ich werde wieder kommen."

Nur eine Stunde nachdem der Urteilsspruch der Ethikkammer publik wurde, gab sich der 79-Jährige betont kämpferisch.

Blatter: “Es tut mir leid für mich”

“Man stellt mich und Michel Platini als Lügner hin. Das geht nicht. Nicht nach 40 Jahren. Das ist respektlos, auch gegenüber der Justiz”, betonte Blatter. Der bisherige FIFA-Präsident war ebenso wie der europäische Verbandschef Platini wegen Verstößen gegen das FIFA-Ethikreglement gesperrt worden. Hintergrund ist eine dubiose Zahlung von zwei Millionen Franken an Platini aus dem Jahr 2011.

»“Ich bin immer noch der Präsident! Die Ethikkommission hat kein Recht, gegen den Präsidenten der FIFA vorzugehen. Der Präsident kann nur durch den Kongress von seinen Pflichten entbunden werden.” (Joseph Blatter)«

Dieser Deal sei nach Schweizer Recht völlig sauber gewesen, beteuerte Blatter im überfüllten Kongressraum der früheren FIFA-Zentrale auf dem Züricher Sonnenberg. Auch ein Einspruch bei zivilen Schweizer Gerichten sei nun möglich, erklärte er nach Beratung mit seinen Anwälten. Das Urteil der FIFA-Ethikhüter sei “eine Schande”, sagte der unrasiert und mit einem Pflaster unter dem Auge erschienene Blatter.

»“Es tut mir wirklich leid. Es tut mir leid, dass ich immer noch ein Punchingball bin. Es tut mir leid für den Fußball. Es tut mir leid für die FIFA. Und es tut mir leid für mich.” (Joseph Blatter)«

In seinem knapp einstündigen Auftritt vor der Weltpresse ließ er kein gutes Haar an der Entscheidung der rechtsprechenden Kammer der FIFA. “Zu sagen, dies wäre ein guter Tag für die FIFA, ein guter Tag für den Fußball, wäre völlig falsch”, schimpfte Blatter. An eine Absprache der Ethikkommission mit den im FIFA-Skandal ermittelnden US-Behörden glaubt er indes nicht. Die Verbannung von allen Fußball-Aktivitäten, wozu auch Stadionbesuche gehören, geißelte er als unverhältnismäßig. “Wenn Spieler oder Trainer gesperrt sind, können sie mit ihrer Mannschaft trotzdem ins Stadion. Dem Präsidenten dies zu verbieten, ist nicht korrekt”, erklärte Blatter.

Ein endgültiger Rückzug vor dem 26. Februar 2016, wenn auf dem FIFA-Kongress ein neuer Präsident gewählt werden soll, stehe für ihn überhaupt nicht zur Debatte. “Ich habe die Verantwortung übernommen und mein Mandat schon Anfang Juni zur Verfügung gestellt. Ich bin der scheidende Präsident, nicht der zu wählende. Man muss mich aber nicht mit solchen Dingen suspendieren. So kann ich meine Arbeit nicht machen”, polterte der Walliser.

blatter1123
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“Das ist eine Schande”: Blatter nach seiner Sperre im Interview

Fragen an FIFA-Präsident Joseph Blatter zu seiner Sperre durch die Ethikkommission:

Was sagen Sie zu dem Urteil der FIFA-Ethikkommission, Sie und UEFA-Chef Michel Platini für acht Jahre zu sperren?

Blatter: Das ist eine Schande. Man stellt mich und Michel Platini als Lügner hin. Das geht nicht. Nicht nach 40 Jahren. Das ist respektlos, auch gegenüber der Justiz. Da stimmt etwas nicht im System.

Werden Sie die Sperre akzeptieren?

Blatter: Ich werde Einspruch beim FIFA-Berufungskomitee und beim Internationalen Sportgerichtshof CAS einlegen. Ich hoffe, Michel wird das Gleiche tun. Vielleicht bringe ich den Fall auch vor ein ziviles Schweizer Gericht. Ich werde kämpfen, für mich, für die FIFA.

Sehen Sie sich als unschuldig an?

Blatter: Ich habe nie mit Geld betrogen. Zu sagen, dies wäre ein guter Tag für die FIFA, ein guter Tag für den Fußball, wäre daher völlig falsch.

Warum nehmen Sie das Urteil nicht zum Anlass, die Verantwortung zu übernehmen?

Blatter: Ich habe die Verantwortung übernommen und mein Mandat schon Anfang Juni zur Verfügung gestellt. Ich bin der scheidende Präsident, nicht der zu wählende. Man muss mich aber nicht mit solchen Dingen suspendieren. So kann ich meine Arbeit nicht machen.

Wie ist es Ihnen seit der Suspendierung vor drei Monaten ergangen?

Blatter: Ich hatte einen Zusammenbruch. Wenn ich nicht solch hervorragende medizinische Hilfe bekommen hätte, wären wir heute nicht hier. Das sind wir nur dank der Ärzte und meines starken Herzens. Ich habe aber nie meinen Verstand verloren. Jetzt geht es mir wieder besser.

Glauben Sie, dass die Ermittlungen der US-Behörden Einfluss auf das Urteil hatten?

Blatter: Ich glaube nicht, dass die Ethikkommission Absprachen mit US-Behörden hat. Ich weiß aber auch nicht, ob man die Wahl von Platini zum neuen Präsidenten verhindern oder dem jetzigen Präsidenten einen Fußtritt verpassen wollte.

Hoffen Sie trotz der Verbannung für acht Jahre immer noch auf ein Comeback beim Wahl-Kongress am 26. Februar 2016?

Blatter: Am Morgen war ich traurig, jetzt bin ich kämpferisch. Es ist noch nicht zu Ende. Ich komme wieder.

Ende nach 6.331 Tagen: Der FIFA-Boss und sein zerstörtes Lebenswerk

6.331 Tage thronte Blatter als Präsident des Weltverbandes, ehe er am 8. Oktober suspendiert wurde. Der Machtmensch baute sich seit der skandalumwitterten Wahl 1998 sein eigenes Reich und entwickelte die FIFA zu einem Milliarden-Betrieb. Schon 1975 war Blatter zur FIFA gekommen, erst war er für Entwicklungsprogramme zuständig, dann als Generalsekretär und schließlich als Präsident tätig. Die FIFA war sein Lebenswerk.

Zahlreiche Skandale rund um den Weltverband hatte er – wie auch immer ihm dies gelang – unbeschadet überstanden. Schon kurz nach seiner Wahl 1998 waren Berichte über mit Dollarnoten prall gefüllte Briefumschläge im FIFA-Hotel für afrikanische Funktionäre aufgekommen. Auch der ISL-Skandal konnte Blatter nicht aus dem Amt hieven. Am Ende stolperte er doch noch.
Erst als der Druck der Behörden zu groß wurde und zahlreiche Getreue festgenommen wurden, kündigte Blatter seinen Rücktritt an. Im Februar wollte er auf dem FIFA-Kongress seinen Thron räumen und sich dabei von den Mitgliedern noch einmal feiern lassen. Dazu wird es wohl nicht mehr kommen.

“Kronprinz” Platini geht mit Blatter unter

Rote Karten für FIFA-Topfunktionäre Blatter und Platini (im Bild). Foto: AFP

Bis zuletzt gab kämpferisch gab sich auch Michel Platini. “Ich verliere nicht gerne”, sagte der Franzose jüngst in einem Interview der Zeitung “Le Monde” und formulierte philosophisch-kryptisch: “Jedes Mal, wenn ich mich der Sonne nähere, wie Ikarus, brennt es überall.” Der einstige Fußball-Romantiker galt lange Zeit als sportpolitischer Überflieger, dessen Weg ihn eines Tages auf den höchsten Posten im Weltfußball führen würde. Doch nun liegt die Funktionärskarriere des abgestürzten UEFA-Chefs in Schutt und Asche.Zwar wird der 60-Jährige den juristischen Kampf vermutlich weiterführen. Durch die Acht-Jahres-Sperre aber dürfte das jähe Aus im Machtzirkel des von ihm geliebten wie geförderten Milliardengeschäfts besiegelt sein – kurz vor seiner Heim-EM.

Im stillen Kämmerlein wird sich Platini oft genug geärgert haben, dass er seinen früheren Förderer und heutigen Erzfeind wie Schicksalgenossen Joseph Blatter nicht zum Präsidentenduell im Mai herausgefordert hat. Im Lichte des Korruptionsskandals wäre ein Sieg vielleicht doch möglich gewesen. Als UEFA-Chef führte Platini den europäischen Fußball mit maximalem Expansionsdrang zu ökonomischen Topwerten. Er setzte krude wirkende Ideen wie eine EM mit 24 Teams oder ein Pan-Europa-Turnier 2020 in 13 Ländern durch.

Ab und an wirkte er für die Welt der Fußball-Anzugträger zu schnoddrig – die Haare verwuschelt, das Hemd aufgeknöpft oder die Krawatte sorglos gebunden, aber schelmisch lächelnd und schlagfertig genug, kritische Fragen mit liebenswertem Sarkasmus abzubügeln. Nun muss sich Michel Platini seine wohl heftigste Niederlage eingestehen.

Die FIFA-Affäre um Blatter und Platini: eine Chronologie

Der Fußball-Weltverband FIFA wird seit langem von einer Korruptionsaffäre erschüttert. Zentrale Figuren sind dabei FIFA-Chef Joseph Blatter und UEFA-Präsident Michel Platini. Ein Überblick über die Geschehnisse seit Mai 2015:

27. Mai: Zwei Tage vor der Wiederwahl von Joseph Blatter als FIFA-Chef nimmt die Schweizer Polizei mehrere Funktionäre fest. Die USA berichten von Ermittlungen gegen ehemalige Spitzenfunktionäre und Geschäftsleute. Die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnet ein Strafverfahren wegen der umstrittenen WM-Vergaben 2018 und 2022.
2. Juni: Blatter kündigt seinen Abschied als FIFA-Präsident an. Sein Nachfolger soll auf einem außerordentlichen FIFA-Kongress am 26. Februar gewählt werden.
29. Juli: UEFA-Präsident Michel Platini erklärt seine Kandidatur für das Amt des FIFA-Präsidenten.
25. September: Die Schweizer Justiz eröffnet ein Strafverfahren gegen Blatter wegen eines fragwürdigen Deals mit Platini aus dem Jahr 2011. Blatter wird am Verbandssitz vernommen, sein Büro durchsucht. Platini wird als Auskunftsperson befragt. Laut Blatter und Platini handelte es sich um eine verspätete Honorarzahlung für Platinis FIFA-Arbeit in den Jahren 1998 bis 2002.
8. Oktober: Die Ethikkommission sperrt Blatter und Platini vorläufig für 90 Tage.
18. November: Die Berufungskommission lehnt die Einsprüche von Blatter und Platini gegen ihre 90-Tage-Suspendierungen ab.
20. November: Platini ruft den Internationalen Sportgerichtshof CAS an und verlangt eine vorläufige Aufhebung seiner Suspendierung.
23. November: Die FIFA-Ethikkommission eröffnet offiziell ein Verfahren gegen Blatter und Platini. Lebenslange Sperren sind im Gespräch.
6. Dezember: Eine französische Zeitung berichtet von einem internen UEFA-Report, der auf einen Vertrag Platinis über Tätigkeiten für die FIFA hindeuten könnte. Sein Anwalt sieht darin einen entlastenden Beweis.
11. Dezember: Der CAS bestätigt die 90-Tage-Sperre für Platini. Die provisorische Suspendierung darf aber nicht verlängert werden.
17. Dezember: Blatter sagt vor der rechtsprechenden Kammer der FIFA-Ethikkommission aus. Platini erscheint am Tag darauf wie angekündigt nicht zur Anhörung der Ethikhüter. Er fühlt sich vorverurteilt. Seine Anwälte verlangen einen Freispruch.
21. Dezember: Die Ethikkommission verkündet Sperren von acht Jahren gegen Blatter und Platini. Beide sind damit von sämtlichen Aktivitäten im Fußball ausgeschlossen. Blatter kündigte umgehend an, gegen das Urteil zu berufen. (APA/dpa/red)

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