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„Black Lives Matter“ – die größte Bewegung aller Zeiten?

Die gebürtige Hörbranzerin Daniela Lais berichtet für WANN & WO über die Unruhen in ihrer Wahlheimat Oregon, Corona in den USA und von Menschen, die des Systems müde geworden sind.

von Joachim Mangard/Wann & Wo

WANN & WO: Dein auf Social-Media geteiltes Bild von der Burnside Bridge in Portland, auf dem Tausende Menschen auf dem Boden liegend mehrere Minuten lang stumm protestieren, ging um die Welt. Wie erlebst du die Situation gerade in Oregon?

Daniela Lais: Es ist faszinierend und sehr bewegend, was hier los ist. Ich kann nicht für die Situation im ganzen Staat sprechen, aber hier in Portland. So viele Menschen sind auf der Straße, jeder spricht offen über das, was passiert ist, die Gefühle, den Zorn, die Angst. Es herrscht Unsicherheit. So  viel passiert gerade in diesem Land, aber trotzdem sind so viele vereint. Man kann durch die Straßen joggen und fast überall sind Schilder, Sprüche, Bilder und Texte zu sehen. Ich habe das Gefühl, es ist eine der größten Bewegungen aller Zeiten. Die Situation in Downtown Portland wirkt auf mich surreal. Die meisten Geschäfte sind bis auf die Decke mit Holzplatten zugenagelt, wo sonst der Tourismus floriert. Die Stadt scheint ausgestorben – zumindest, wenn keine Proteste sind. Abends erwacht Portland dann zum Leben: News-Helikopter, Polizei­flugzeuge, Streifenwagen, Beamte in „Riot Gear“, Feuerwehr, Ambulanz und Nationalgarde. Die Helikopter kreisen die ganze Nacht über dem Haus. Es ist ein gigantischer Aufstand, ein Erheben von Menschen, die des Systems müde geworden sind.

WANN & WO: Nimmst du selbst aktiv an den Demos teil? Wieso gehst du auf die Straße?

Daniela Lais: Ich habe früher in Österreich sehr viel im Tierrechtsbereich gemacht und habe an Protesten teilgenommen. Dann bin ich etwas „Demo-müde“ geworden und habe aufgehört, mich aber immer noch für die Thematik engagiert. Die Proteste erlebe ich als sehr friedlich und gut strukturiert. Ich denke, es ist wichtig auf die Straße zu gehen und gegen Unrecht zu protestieren. Wenn jeder zuhause sitzen würde, auch in der Vergangenheit, hätte sich nicht viel verändert. Schweigen und Zusehen sind in gewisser Weise auch ein Verbrechen. Ich unterstütze alle Demonstrationen, die stattfinden. Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Stimme erheben. Nicht jeder kann auf eine Demonstration gehen, aber jeder kann etwas tun. Auf seine Art und Weise.

WANN & WO: Die US-Regierung unter Präsident Trump setzt immer mehr auf Konfrontation. Hast du Angst? Wie reagieren deine amerikanischen Freunde auf die Situation?

Daniela Lais: Ich habe keine Angst. Ich bin eine weiße junge Frau in den USA, das ist ein einfacheres Leben. Angst haben müssen hier andere – und genau das ist die Thematik. Das darf nicht sein. Niemand sollte in seinem Land Angst haben. Wir sollen und müssen auf die Straße gehen können, egal welcher Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht wir angehören. Meine amerikanischen Freunde sind bestürzt und schockiert über die Vorgehensweise der Regierung. Das waren sie aber bereits, als Trump Präsident wurde. Die meisten meiner Freunde sind Demokraten, von daher ist fast niemand ein Freund des derzeitigen Krisenmanagements.

WANN & WO: Corona wütet nach wie vor in den USA. Wie erlebst du die Pandemie?

Daniela Lais: Ich lebe in einem Staat,  der die Corona-Krise sehr gut gemanagt hat. Oregon hat ziemlich früh alles runtergeschalten und „Stay in Shelter“ verordnet. Die Menschen waren sehr diszipliniert und wir haben einen starken Rückgang an Fällen. Langsam erholt sich alles wieder, viele der Geschäfte gehen wieder zurück ins alte Business. Auch die regulären Geschäfte öffnen Schritt für Schritt. Friseur- oder Massagesalons und Tattoo-Studios haben natürlich immer noch geschlossen. Viele arbeiten nach wie vor von zuhause aus, die Schulen sind bis in den Herbst stillgelegt. Niemand weiß genau, wie sich alles entwickelt und was kommt. Das wissen wir aber mit vielen anderen Themen auch nicht. Ein Land in Ungewissheit trifft es am Besten!

WANN & WO: Dein auf Social-Media geteiltes Bild von der Burnside Bridge in Portland, auf dem Tausende Menschen auf dem Boden liegend mehrere Minuten lang stumm protestieren, ging um die Welt. Wie erlebst du die Situation gerade in Oregon?

Daniela Lais: Es ist faszinierend und sehr bewegend, was hier los ist. Ich kann nicht für die Situation im ganzen Staat sprechen, aber hier in Portland. So viele Menschen sind auf der Straße, jeder spricht offen über das, was passiert ist, die Gefühle, den Zorn, die Angst. Es herrscht Unsicherheit. So  viel passiert gerade in diesem Land, aber trotzdem sind so viele vereint. Man kann durch die Straßen joggen und fast überall sind Schilder, Sprüche, Bilder und Texte zu sehen. Ich habe das Gefühl, es ist eine der größten Bewegungen aller Zeiten. Die Situation in Downtown Portland wirkt auf mich surreal. Die meisten Geschäfte sind bis auf die Decke mit Holzplatten zugenagelt, wo sonst der Tourismus floriert. Die Stadt scheint ausgestorben – zumindest, wenn keine Proteste sind. Abends erwacht Portland dann zum Leben: News-Helikopter, Polizei­flugzeuge, Streifenwagen, Beamte in „Riot Gear“, Feuerwehr, Ambulanz und Nationalgarde. Die Helikopter kreisen die ganze Nacht über dem Haus. Es ist ein gigantischer Aufstand, ein Erheben von Menschen, die des Systems müde geworden sind.

WANN & WO: Nimmst du selbst aktiv an den Demos teil? Wieso gehst du auf die Straße?

Daniela Lais: Ich habe früher in Österreich sehr viel im Tierrechtsbereich gemacht und habe an Protesten teilgenommen. Dann bin ich etwas „Demo-müde“ geworden und habe aufgehört, mich aber immer noch für die Thematik engagiert. Die Proteste erlebe ich als sehr friedlich und gut strukturiert. Ich denke, es ist wichtig auf die Straße zu gehen und gegen Unrecht zu protestieren. Wenn jeder zuhause sitzen würde, auch in der Vergangenheit, hätte sich nicht viel verändert. Schweigen und Zusehen sind in gewisser Weise auch ein Verbrechen. Ich unterstütze alle Demonstrationen, die stattfinden. Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Stimme erheben. Nicht jeder kann auf eine Demonstration gehen, aber jeder kann etwas tun. Auf seine Art und Weise.

WANN & WO: Die US-Regierung unter Präsident Trump setzt immer mehr auf Konfrontation. Hast du Angst? Wie reagieren deine amerikanischen Freunde auf die Situation?

Daniela Lais: Ich habe keine Angst. Ich bin eine weiße junge Frau in den USA, das ist ein einfacheres Leben. Angst haben müssen hier andere – und genau das ist die Thematik. Das darf nicht sein. Niemand sollte in seinem Land Angst haben. Wir sollen und müssen auf die Straße gehen können, egal welcher Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht wir angehören. Meine amerikanischen Freunde sind bestürzt und schockiert über die Vorgehensweise der Regierung. Das waren sie aber bereits, als Trump Präsident wurde. Die meisten meiner Freunde sind Demokraten, von daher ist fast niemand ein Freund des derzeitigen Krisenmanagements.

WANN & WO: Corona wütet nach wie vor in den USA. Wie erlebst du die Pandemie?

Daniela Lais: Ich lebe in einem Staat,  der die Corona-Krise sehr gut gemanagt hat. Oregon hat ziemlich früh alles runtergeschalten und „Stay in Shelter“ verordnet. Die Menschen waren sehr diszipliniert und wir haben einen starken Rückgang an Fällen. Langsam erholt sich alles wieder, viele der Geschäfte gehen wieder zurück ins alte Business. Auch die regulären Geschäfte öffnen Schritt für Schritt. Friseur- oder Massagesalons und Tattoo-Studios haben natürlich immer noch geschlossen. Viele arbeiten nach wie vor von zuhause aus, die Schulen sind bis in den Herbst stillgelegt. Niemand weiß genau, wie sich alles entwickelt und was kommt. Das wissen wir aber mit vielen anderen Themen auch nicht. Ein Land in Ungewissheit trifft es am Besten!

WANN & WO: Rekordarbeitslosigkeit, ein sich anbahnender Handelsstreit mit China und nun die Unruhen nach dem Tod von George Floyd – ein „Land brennt“. Wie beurteilst du generell die Lage im „Land of the Free“?

Daniela Lais: Sind wir wirklich das „Land of the Free“? Ganz ehrlich – wo ist man wirklich frei? Ich habe das Gefühl, in keinem Land der Welt. Ich habe Amerika nie als „Land of the Free“ gesehen. Ich wusste von Anfang an, dass Freiheit auch hier beschränkt ist. Manche nehmen sie sich, manche können sie sich erkaufen, manche haben mehr Freiheit aufgrund ihrer Hautfarbe oder Status als andere. Amerika hat unzählige und wunderbare Möglichkeiten, aber Freiheit kann man auch hier nur bis zu einem gewissen Punkt ausleben. Es stimmt, dass es allgemein weniger „Law & Order“-Mentalität in den USA als in Österreich gibt, zumindest ist das meine Einschätzung und ich schätze das. Aber auch hier werden Regeln gesetzt und Freiheit endet manchmal am Gartenzaun. Dieses Land brennt, das ist korrekt. Es brennt, weil Dinge immer und immer wieder passieren und sich nichts verändert. Die Menschen sind müde von diesem Rassismus geworden, der meinetwegen aus vielen Büchern, aber nicht aus den Köpfen verbannt ist. Es brennt hier, weil niemand mehr Geduld hat zu akzeptieren, was jahrelang schöngeredet wurde. Nach jedem schwarzen Tod gab es ein Pflaster, es ist ein bisschen geheilt und dann wieder aufgebrochen. Das Land ist übersät mit aufgebrochenen Wunden, kein Pflaster deckt das mehr ab.

WANN & WO: Wie sieht dein Blick aus der Ferne auf Europa und speziell auf Österreich und Vorarlberg aus?

Daniela Lais: Ich verfolge die Nachrichten und spreche mit meinen Eltern. Die Probleme in Österreich erscheinen nichtig, verglichen zu der Polizeigewalt und der Politik hier. Ich habe Corona aus der Ferne verfolgt und mir oft gedacht, dass Österreich das eigentlich ganz gut gemeistert hat. Niemand weiß, was kommt, aber ich hatte zumindest das Gefühl, dass viele der Menschen wieder retour in ihrer Arbeit sind, auch viele kleine Geschäfte haben überlebt. In Österreich hat man immer so ein bisschen einen „Notgroschen“, das lernt man wohl so, in Amerika sieht das ein bisschen anders aus. Ab einem gewissen Punkt sitzt man hier auf der Straße, die kleinen Geschäfte kämpfen schon hart ums tägliche Überleben. Eine Krise dieses Ausmaßes ist nicht zu meistern und bringt sie um. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie die Behörden mit diesem massiven Aufkommen an Arbeitslosen umgehen sollen. Amerikaner sind wunderbare Menschen, aber viele haben gelernt, unbeschwert zu leben. Eine Eigenschaft, die ich über alles schätze, wird in diesen Zeiten zum Verhängnis.

WANN & WO: Du kämpfst seit Jahren für gesunde, vegane Ernährung. Wie steht es gerade im Land von „Fast Food“ & Co. um dein Kernthema?

Daniela Lais: So oft wird zu mir gesagt – im Land von „Burger and Fries“. Oh ja, Amerika, hat so viel „Fast Food“, aber die USA sind auch ein riesiges Land. In jedem Staat wird anders gegessen. Die Ostküste ist mit der Westküste nicht vergleichbar. Wir leben hier verglichen mit anderen Staaten so gesundheitsbewusst. „Oregonier“ sind fleißige Sportler und gesunde Esser. Hier liebt man es, auf den wöchentlichen Markt zu gehen und mit lokalem Obst und Gemüse zu kochen. Portland selbst ist die Hauptstadt der Veganer. Es gibt faktisch kein Restaurant ohne vegane Speisen. Ich war mit Freunden in den fleischlastigsten Restaurants und habe immer noch einen veganen Burger bekommen. Hier wird qualitativ gutes und lokales Essen groß geschrieben. Bei vielen Reisen durch die USA habe ich auch anderes erlebt. Der mittlere Westen, aber auch der Süden sind sehr fettlastig und ungesund. Prinzipiell hat sich die USA aber sehr positiv gewandelt in den letzten sieben Jahren – so mein Gefühl. Fleisch- und Milchalternativen boomen. Das sieht man auch an den großen Ketten, wo „Impossible Burger“ und Hafermilch mittlerweile zum Standard gehören.

WANN & WO: Wie unterscheidet sich deine Wahlheimat Portland vom Rest der USA/Welt?

Daniela Lais: Als eine Art „Bubble“. Portland ist nicht die USA, so wie Berlin nicht Deutschland ist. Ich liebe diese Stadt, sie hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen – ich liebe die Menschen, das Essen, die Natur und die Bewegung. Wenn man länger hier lebt, ist alles so ganz normal, was für andere Menschen vielleicht komisch klingt. In der Jogginghose ins Kaffeehaus, verkleiden für eine Biketour, nacktes Fahrradfahren, Pott rauchen im Park, mit der Gitarre durch die Straßen ziehen und singen. Ich fand das am Anfang alles so lustig und habe Bilder gemacht, mittlerweile ist das halt so und absolut normal, was ich an dieser Stadt so mag. Letzthin hatte ich meine Eltern am Telefon, da ist ein Einhorn auf dem Fahrrad vorbeigefahren (Jemand hatte ein aufblasbares Einhorn-Kostüm an, einfach so). Ich war kurz weg vom Telefon und meine Mama fragte, was los ist. Ich sagte, ach nichts, nur ein Einhorn auf dem Fahrrad. Ich sagte es in einer unbewussten Gelassenheit und Normalität. Sie dachte, ich mache einen Scherz, aber das ist Portland.

WANN & WO: Du bist inzwischen glücklich verheiratet. Denkst du angesichts der Unruhen auch über eine Rückkehr nach Vorarlberg nach?

Daniela Lais: So viele meiner Freunde fragen mich das. Meine Antwort ist – nein! Ich liebe dieses Land über alles und weder eine Politik, der ich nicht zustimme, noch Unruhen oder andere Widrigkeiten, lassen mich über eine Rückkehr nachdenken. Als ich zum ersten Mal hierhergekommen bin, wusste ich, dass das ein Platz ist, an dem ich leben will. Dieses Land ist faszinierend, die Natur ist atemberaubend, die Menschen sind wunderbar. Ich möchte dieses Interview auch als Gelegenheit nutzen, um mit der vorherrschenden Meinung über Amerikaner und ihre Oberflächlichkeit aufzuräumen. Ich hatte sieben Jahre lang Zeit, um mich mit der US-Kultur und den Menschen auseinanderzusetzen. In jeder Kultur finden sich oberflächliche Menschen, auch hier. Aber grundsätzlich habe ich selten in einem Land so viel Unterstützung, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt erfahren wie hier. Ich wurde, egal wo ich gelandet bin, in Familien aufgenommen und in Freundeskreise. Ich liebe es, dass es hier keine enorme Neidgesellschaft gibt und ich schätze die Offenheit der Menschen. Österreich hat wunderbare Facetten, aber auch Makel. Jedes Land hat das, jede Nation. Ich wusste, auf was ich mich einlasse. Jetzt bin ich hier und bleibe dabei!

WANN & WO: Am Donnerstag waren in Wien ebenfalls 50.000 Menschen trotz Abstandspflicht auf der Straße, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Begrüßenswert oder gefährlich?

Daniela Lais: Ich verstehe die Sorge, ob der Abstandsregeln und der Gefahr durch das Virus. Auch hier in den USA ist das ein Thema. Praktisch alle Demonstranten tragen Mundschutz. Der Abstand einzuhalten, ist aber, sind wir uns ehrlich, auf einer Demo nahezu unmöglich. Wir müssen uns selbst fragen – und das muss jeder persönlich entscheiden – gehöre ich zu einer Risikogruppe oder kann ich verantwortungsbewusst protestieren? Ich würde niemandem, der zu einer Risikogruppe gehört, raten, auf eine Demo zu gehen. Aber ich begrüße die Teilnahme von anderen Menschen bei den Protesten. Viele Leute sind es leid, zuhause zu sitzen. Wir werden sehen, wie sich die Zahlen in den nächsten Wochen entwickeln.

Zur Person: Daniela Lais

Geburtstag, Wohnort/Herkunft: 20. April 1981, Portland/Hörbranz
Beruf, Ausbildung: Journalistin und Kochbuchautorin
Hobbys: Rennrad fahren, MTB, Joggen, Coffee Shops und Kaffee im Allgemeinen, Kochen und Backen, Reisen, Fotografieren, Gärtnern
Lieblingszitat: „Und schadet es niemandem, tu, was du willst.“

Kurz gefragt …

Wofür brennst du? Gerechtigkeit.
E-Mobilität in den USA? Ausbaufähig.
Fridays for Future oder #blacklivesmatter? Alles auf einmal.
Womit kann man dich verführen? Gutem Kaffee.
Was kochst du dir, wenn es einmal schnell gehen muss? Rührtofu.
Was bringt dich zur Weißglut? Ungerechtigkeit.
Donald Trump? Hotelbesitzer, Milliardär und Golfspieler.

Die gesamte Ausgabe der Wann & Wo lesen Sie hier.

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