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Bilder aus der Dose

Fabian Hämmerle hat sein Hobby zum Beruf gemacht.
Fabian Hämmerle hat sein Hobby zum Beruf gemacht. ©NEUE/Jaeneke
Der Sprayer Peks ist von Wien nach Dornbirn gezogen und spryt mit Workshopteilnehmern in Wien, in der Schweiz oder in Deutschland, für private Auftraggeber, für sich selbst. Er kann davon leben, was heißt, dass er jeden Tag das tun kann, was ihm Spaß macht: malen.

Von Miriam Jaeneke/NEUE

In Vorarlberg gibt es wenig „legale Wände“. Und es gibt wenig Sprayer, die sie nutzen. Peks steht an einer langgezogenen, niedrigen Wand zwischen Bregenzer Berufsschulen und Bahngleisen und betrachtet die Bilder vor ihm. Viel Neues ist nicht dazugekommen, seit er das letzte Mal hier war und selbst gesprayt hat. „In Wien hält ein Bild von mir vielleicht zwei, drei Wochen, dann wird es übermalt. Hier gilt dasselbe in Jahren“, erzählt Peks. Diesen Namen verwendet er für eigene, unbezahlte Arbeiten, unter seinem bürgerlichen Namen Fabian Hämmerle gibt er Workshops und malt Aufträge. Die Verhältnisse, sagt er, sind hier überhaupt ganz andere als in der Hauptstadt, aus der er gerade zurück nach Dornbirn gezogen ist. Regelmäßig fährt er aber noch nach Wien, um Spraykurse für Kinder oder Senioren zu geben, um auftragshalber private Wände zu bemalen, um am Donaukanal eigene Bilder zu kreieren.

„In ganz Vorarlberg gibt es vielleicht vier, fünf Sprayer, die das regelmäßig machen“, sagt Peks. Er beugt sich etwas herunter und betrachtet das Bild eines befreundeten Sprayers. „Diese Art zu malen geht schon mehr ins Künstlerische. Ich hätte den Schatten mit einem dunkleren Gelb gemalt, er nimmt eine schwarze Dose und sprüht so, dass nur ganz wenige, feine schwarze Spritzer herauskommen statt einer satten Linie. Um diese Technik zu beherrschen, braucht man Jahre“, erklärt der 30-Jährige. Er zeigt auf tanzende, verschlungene Buchstaben, die sich dezent im Hintergrund halten und nur für etwas geübtere Augen gut zu sehen sind. Es ist ein Künstlername, wie ihn jeder Sprayer so oft wie möglich unterzubringen versucht. „Leute, die Graffiti machen, malen gar keine Bilder wie ich zum Beispiel, sondern nur Buchstaben. Sie suchen sich möglichst ästhetische Buchstaben und setzen diese zu einem Namen, ihrem Künstlernamen zusammen“, erklärt Peks. Auch er versieht jedes seiner Bilder mit „Peks“, außer er malt für private Auftraggeber, die ihn etwa dafür bezahlen, dass er deren Kinder beim Spielen auf die Hauswand bannt.

Ein Gruß

Dann zeigt er auf eine untere Bildecke bei dem Werk seines Freundes. Tatsächlich, da steht ein kleines „Peks“. „Jemand anderen zu nennen, das wird ab und zu gemacht, in dem Fall ist es ein Gruß an mich“, sagt Fabian Hämmerle. Er hat außerdem noch den Facebook-Namen „Fabio Farbig“, „die Hälfte der Leute nennt mich ,Fabio’“, erzählt Fabian grinsend. Dann zeigt er seine eigenen Bilder: drei kreischrosafarbene Puten, ein Porträt des inzwischen recht bekannten und nicht weniger schrägen Bregenzer Lebenskünstlers Candy Ken mit seinen goldenen Grills über den Zähnen. Ein Totenschädel, durch den und um den herum sich ein Oktopus windet. Ganze sechs Bilder hat Peks hinterlassen und ist damit mit Abstand der aktivste hier. Ein Gleisarbeiter schaut interessiert und fragt von oben herunter: „Darf man das?“, und: „Bekommst du was dafür?“ Hämmerle antwortet geduldig. Ja, hier darf er, es gibt darüber hinaus eine „legale Wand“ in Wolfurt, eine in Dornbirn, eine in Feldkirch. Und, nein, bezahlt wird er nicht, aber es ist Werbung für ihn. Je mehr Menschen die Bilder sehen, desto besser. An einem Bild malt Peks ungefähr fünf bis sechs Stunden, manche sind auch in zwei bis drei Stunden fertig. Zumindest in Wien wird er dabei von vielen Leuten angesprochen, und es kann gut sein, dass sich daraus ein Folgeauftrag ergibt.

Ungeschriebene Gesetze

Heute ist er nach Bregenz gekommen, um seine Bilder auszubessern. „Dieses hier habe ich insgesamt sicher schon sieben Mal repariert“, sagt er und zeigt auf die Puten. Es passiert immer wieder, dass Anfänger oder Zerstörer drübermalen. Seinen Workshop-Teilnehmern erklärt er auch die ungeschriebenen Gesetze der Szene. Unter anderem: „Übermale nicht grundlos ein anderes Bild“, und: „Gib keine Workshops.“ Letzteres ist allerdings eher die Meinung, die innerhalb des harten Graffiti-Kerns vertreten wird. Peks sieht das gelassen. Es gibt noch andere wie ihn, die davon leben wollen und es auch können. Die dafür Aufträge annehmen, ohne ihren Namen zu hinterlassen.

„Mit Graffiti-Stiften male ich täglich, mit der Dose ungefähr zwei Mal pro Woche. Meinen Workshopteilnehmern sage ich: ,Macht vorher eine Skizze. Wenn ihr’s nicht auf Papier bringt, bringt ihr’s auch nicht auf die Wand.‘“ Pro Bild verbraucht er ungefähr 30 bis 40 Euro für Material. „In Wien kann man fünf Mal so viele Farbtöne kaufen wie hier. Manchmal komme ich mit einem Koffer voller Dosen nach Dornbirn zurück. Aber inzwischen habe ich einen ganzen Keller voller Sprüh­dosen und entwerfe die Bilder teils so, dass ich Reste aufbrauchen kann“, sagt der 30-Jährige. Nach der Skizze auf Papier folgt die Präparation der Wand. Graue oder vielleicht mintgrüne Außenwandfarbe, die mit der Malerrolle und der Teleskopstange aufgebracht wird und den Hintergrund bildet. Und dann das Feuerwerk. Im Kopf das Werk an die glatte Fläche werfen, erste Punkte setzen, ausarbeiten, erste Farbe, zweite Farbe, dritte Farbe. Wie von alleine arbeiten, eins sein mit dem, was entsteht.

Mit Freuden

Manchmal geht Fabian Hämmerle mit Freunden sprayen. Jeder sein Stück Wand, jeder seinen Rhythmus. Das geht nicht mit vielen Menschen, schon allein, weil die wenigsten aus der Szene am Wochenende wie Fabian gern früh aufstehen. Und so wirft Peks eben auch oft allein ein neues Stück Leben an die Wand. Und wird erneut angesprochen, ist laut dem sehr unterschiedlichen Feedback der Spaziergänger, Radfahrer oder Gleisarbeiter irgendetwas zwischen Künstler und Umweltverschmutzer. Wie gut, dass immer noch jeder selbst entscheiden kann, als was er sich fühlt.

(NEUE)

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