"Bevölkerung erwartet zu Recht, dass die Polizei solches Fehlverhalten unverzüglich abstellt"

Am Samstag versuchte ein 52-Jähriger auf der Rheintalautobahn vor der Polizei zu flüchten – die Fahrt endete in einem Unfall und einer Festnahme. Ebenfalls am Samstag entzog sich ein 16-Jähriger einer Anhaltung und durchquerte mit seinem Moped die Landebahn des Flughafens Hohenems. Zwei Tage zuvor wurden in Alberschwende mehrere Motorradlenker wegen gefährlicher Fahrweise und technischer Mängel von der Polizei verfolgt und dann gestoppt.

Die Fluchten reihen sich in einer Serie von Vorfällen ein. Im Juli 2024 verursachte etwa ein Autofahrer nach einer Flucht in Klaus einen Unfall. Er krachte mit hoher Geschwindigkeit in die Fassade eines Firmengebäudes. Drei Personen wurden verletzt, eine davon musste aus dem Wrack befreit werden.

Wie ist die Polizei vorbereitet?
Trotz der öffentlichen Wahrnehmung gibt es laut Peter Rüscher, dem stellvertretenden Leiter der Landesverkehrsabteilung, keine generelle Zunahme oder Häufung solcher Fluchten. Auch saisonale Häufungen oder bestimmte, besonders auffällige Fahrzeugtypen (z.B. Motorräder, getunte Fahrzeuge) gebe es nicht. Die Zahl der Vorfälle sei stabil geblieben.

Einschreiten ist Pflicht
Das Vorgehen der Exekutive folgt klaren gesetzlichen Vorgaben. Rüscher verweist auf § 97 der Straßenverkehrsordnung, der das Einschreiten der Straßenaufsicht regelt. Grundsätzlich sei die Polizei verpflichtet, einzugreifen – vor allem bei Hinweisen auf rücksichtsloses Verhalten. Es sei eine polizeiliche Kernaufgabe, "präventiv tätig zu sein – das bedeutet, bevor etwas geschieht".
Wenn die Bevölkerung Alarm schlägt
Viele Hinweise kommen aus der Bevölkerung: "Oft erfährt die Polizei von gefährlichen Fahrmanövern von Fahrzeuglenkern aufgrund von Anzeigen von Menschen, welche rücksichtsloses oder verkehrsgefährdendes Verhalten anderer zur Anzeige bringen", verdeutlicht Rüscher.
"Die Bevölkerung erwartet sich zu Recht, dass die Polizei solches Fehlverhalten unverzüglich abstellt", betont er. "Stellen Sie sich beispielsweise vor, dass die Polizei eine Nachfahrt nicht durchführt und ein beeinträchtigter Fahrzeuglenker dann im weiteren Verlauf einen Verkehrsunfall mit einem völlig schuldlosen Menschen verursacht."

Verhältnismäßigkeit entscheidend
Alle Maßnahmen würden unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesetzt. "Er besagt, dass staatliche Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen müssen", so Rüscher.
Das gelte insbesondere für Nachfahrten, die bei Bedarf auch abgebrochen werden – etwa dann, wenn die Gefährdungslage für Unbeteiligte zu hoch wird. Ein solcher Abbruch komme "immer wieder vor". Das geschehe, wenn der Fahrer oder Beifahrer im Polizeifahrzeug entscheide, dass eine Nachfahrt nicht mehr vertretbar sei.
Ausbildung und Ausstattung
Alle Beamten im Außendienst absolvieren regelmäßig Fahrsicherheitstrainings. Szenarien wie Fluchtfahrten würden auch im Berufsalltag besprochen und bei Bedarf evaluiert, so der Oberleutnant. Technische Hilfsmittel wie Drohnen oder automatische Kennzeichenerkennungssysteme kommen in Vorarlberg nicht zum Einsatz. "In zivilen Dienstfahrzeugen der Landesverkehrsabteilung vorhandene Videoaufzeichnungsgeräte werden zur Beweissicherung natürlich aktiviert", gibt Rüscher zu verstehen.
Ob und wie weitere Einheiten – etwa der Polizeihubschrauber "Libelle" – zum Einsatz kommen, entscheide sich im Einzelfall. Bei einem der jüngsten Vorfälle sei sie etwa zufällig bereits wegen eines anderen Einsatzes in der Luft gewesen.

Fluchtgründe: Alkohol, Drogen, kein Führerschein
Bei flüchtenden Fahrzeuglenkern seien oft Beeinträchtigungen in Bezug auf Alkohol oder Suchtgift gegeben oder die Person habe keinen Führerschein. "Immer wieder stellen wir fest, dass auch nicht zugelassene oder nicht verkehrs- und betriebssichere Fahrzeuge oder aber auch gestohlene Fahrzeuge in Betrieb genommen werden."
Teilweise würden auch Fahrzeuge ohne Zustimmung der Verfügungsberechtigten in Betrieb genommen. Minderjährige oder Fahranfänger seien ebenfalls vereinzelt betroffen, allerdings gebe es dazu keine eigene Statistik, so der Vertreter der Landesverkehrspolizei.
Wenn die Flucht vor Gericht endet
Je nach Sachverhalt müssen die Lenker mit Verwaltungsanzeigen oder gerichtlichen Verfahren rechnen. Rüscher nennt hier insbesondere den Straftatbestand der "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" (§ 89 StGB). "Bei solchen Szenarien werden immer wieder gerichtlich relevante Sachverhalte festgestellt und angezeigt", so der Polizeioffizier.
Ein Blick ins Gesetzbuch zeigt: "Wer vorsätzlich, grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) oder fahrlässig unter den in § 81 Abs. 2 umschriebenen Umständen, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen."
Ein Fall aus dem Jahr 2021 verdeutlicht, wie gestraft wird: Ein 25-jähriger Lenker lieferte sich unter Alkoholeinfluss eine gefährliche Fluchtfahrt durch Hard und Lauterach, ignorierte Verkehrsregeln und gefährdete Passanten. Er wurde am Bezirksgericht Bregenz zu einer Geldstrafe in Höhe von 720 Euro (180 Tagessätze zu je vier Euro) verurteilt.
Wie die Polizei bei Fluchtfahrten vorgeht
Aspekt | Vorgehensweise / Information |
---|---|
Gesetzliche Grundlage | § 97 StVO verpflichtet die Polizei zum Einschreiten bei Verdachtsmomenten. |
Ziel des Einschreitens | Gefahrenprävention – Einschreiten, bevor etwas passiert. |
Auslöser für Einsätze | Hinweise aus der Bevölkerung zu gefährlichem Fahrverhalten. |
Verfolgung (Nachfahrt) | Nur bei vertretbarem Risiko für Unbeteiligte (Verhältnismäßigkeit). |
Abbruch der Nachfahrt | Sobald das Risiko zu hoch ist – Entscheidung durch die Beamten im Einsatzwagen. |
Technische Mittel | Dashcams in zivilen Fahrzeugen – keine Drohnen oder automatisierte Erkennung. |
Hubschraubereinsatz | Nur bei Bedarf oder wenn bereits im Einsatz – etwa „Libelle“. |
Schulung & Training | Regelmäßige Fahrsicherheitstrainings für Außendienstkräfte. |
Häufige Fluchtmotive | Alkohol, Drogen, kein Führerschein, gestohlene oder nicht zugelassene Fahrzeuge. |
Rechtliche Konsequenzen | Verwaltungsstrafen oder gerichtliche Anzeigen – etwa wegen Gefährdung nach § 89 StGB. |
(VOL.AT)
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