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"Bei uns fehlt der gestalterische Wille"

Eberle eckt an. Den Vorschriften entsprechen seine Entwürfe nicht immer.
Eberle eckt an. Den Vorschriften entsprechen seine Entwürfe nicht immer. ©VOL.AT/Paulitsch
Lochau - Eberle sieht das Uni-Projekt in Lochau gefährdet. Die Türme am See rechtfertigt er.
Turmbau zu Bregenz: Architekt vom Erfolg überzeugt
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Der Vorarlberger Architekt Dietmar Eberle ist derzeit mit mehreren Projekten im Gespräch: In Lochau soll ein Campus entstehen, dessen Realisierung derzeit nicht gesichert ist. Am Bregenzer Seequartier sprengen seine entworfenen Türme die gestalterischen Vorgaben. Die in Vorarlberg vorgeschriebenen Baudichten sind für ihn der Grund für Fehlentwicklungen in der Architektur.

Sie leiten das Architektenteam, das den Universitätscampus in Lochau entwerfen soll. Wird er denn überhaupt gebaut werden?

Eberle: Im Moment finden noch Verhandlungen zwischen Gemeinde und Auslobern statt. In den nächsten Wochen wird sich entscheiden, ob das je in Lochau stattfindet. Ich sehe es äußerst pessimistisch. Die Gemeinde hat bis jetzt ziemlich viel verhindert. Ich sehe durch ihr Verhalten das Ganze ernsthaft gefährdet. Der Campus könnte aber auch woanders entstehen. Es gibt andere Gemeinden, die Angebote gemacht haben.

Entstehen soll nicht nur eine Uni, sondern ein Quartier mit Hotel, Geschäftsflächen und zahlreichen Wohnungen. Zu viele, kritisieren manche.

Eberle: Für jede Universitätsentwicklung ist es wichtig, dass sie eingebettet ist in ein normales öffentliches Leben. Ich habe bereits Erfahrung mit sechs ähnlichen Projekten, etwa in Hildesheim, an der ETH Zürich, oder der WU Wien. Diese Vorstellung, dass eine Universität ein isoliertes Gebäude ist, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Das elfenbeinturmartige Verständnis der Isoliertheit vom normalen Leben funktioniert nicht. Eine moderne Universität ist ein Ortsteil.

Mit besonderen Anforderungen.

Eberle: Wichtig ist die Fußläufigkeit. Das Leben muss innerhalb von fußläufig akzeptierten Distanzen stattfinden. Dazu muss man einen hochattraktiven öffentlichen Raum schaffen. Wenn ich das machen will, dann kann ich aber die üblichen Dichten, die wir im Land verwenden, nicht brauchen.

Gerade daran spießen sich ja einige politischen Vertreter.

Eberle: Ja, aber das ist eine der großen Fehlentwicklungen in den letzten 20 Jahren in Vorarlberg: Dass man keine öffentlichen Räume gebaut hat, sondern immer nur Häuser. Und die hat man weit auseinandergestellt. Wenn man sich fragt, warum das so ist, hängt es existenziell mit den Dichten zusammen. Man muss die Dichte erhöhen. Die jetzigen Vorschriften sind falsch. Beim Campus ist es das Gleiche wie bei den diskutierten Türmen in Bregenz.

Sie sagten vor einigen Jahren: „An den wenigen Beispielen, die es gibt, sehen wir, dass man in Vorarlberg besser keine Hochhäuser bauen sollte.“ Haben Sie Ihre Meinung mit dem Turm-Projekt geändert?

Eberle: Nein. In unserer Tradition Hochhäuser zu bauen, halte ich weiter für sehr kritisch. Insofern muss man immer genau beurteilen, wo man sich ein Hochhaus vorstellen kann. Es braucht spezielle Voraussetzungen, weil es stärkeren Einfluss auf die Umgebung hat als ein normales Gebäude. Hochhäuser sind eine Form von Verdichtung, die nur an wenigen Standorten funktioniert.

Und wieso glauben Sie, dass es in Bregenz funktioniert?

Eberle: Ich habe sie deshalb entworfen, weil ich es an dieser Stelle für richtig halte. Dieses Areal ist eines der bestgelegenen in Bregenz mit idealen Voraussetzungen: direkt zwischen Freizeitanlagen, Kultur, Stadtmitte und Vorkloster. Es gibt kaum Beeinträchtigungen für die Umgebung, weil es keine direkten Nachbarn gibt. Wenn man dort nicht verdichtet, weiß ich nicht mehr, wo man überhaupt verdichten soll. Ich finde einfach, was man als Grundlagen beschlossen hat, ist grottenfalsch.

Sie realisieren weltweit Projekte, haben Büros in Hongkong und Hanoi. Ist das Bauen in Asien einfacher?

Eberle: Es ist nicht einfacher, sondern anders. Was aber ein wirklicher Unterschied ist, und das erfahre ich in den meisten Ländern: Dass es dort einen gesellschaftlichen Konsens über die Ziele im Land gibt. Unser Problem ist, dass es keinen politischen Willen gibt, etwas zu entwickeln und zu vertreten. Der fehlende gestalterische Wille hierzulande ist auffällig.

Und trotzdem sind Sie im Land derzeit sehr aktiv. Seeschanze, Seequartier, Campus …

Eberle: Ich habe mich bisher aus den Diskussionen herausgehalten. Mir geht es jetzt vielleicht so wie alten Leuten, die plötzlich wieder etwas im Umfeld machen. Aber wir machen zwei Prozent des Umsatzes in Vorarlberg. Ich kann auch ohne leben.

Zur Person

Professor Dipl.-Ing. Dietmar Eberle
Architekt mit Büros in Lochau, Vaduz, St. Gallen, Zürich, Wien, Berlin, Hongkong, Hanoi; Professur u. a. an der ETH Zürich
Geboren: 31. 10. 1952 in Hittisau
Ausbildung: Studium an der Technischen Hochschule in Wien

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