Autogipfel: Nehammer will Technologie-Offenheit

"In Österreich hängen mittelbar und unmittelbar mehr als 300.000 Arbeitsplätze von der Autoindustrie ab", sagte Nehammer vor Beginn des Treffens im Bundeskanzleramt.
Die Wertschöpfung der Autoindustrie in Österreich betrage 27 Mrd. Euro, sagte der Kanzler. Österreich sei eines der führenden Länder bei der Anmeldung von Patenten in diesem Bereich.
Nehammer hatte sich für E-Fuels eingesetzt
Nehammer hatte sich zuletzt sehr für das Thema E-Fuels eingesetzt und dafür viel Kritik geerntet. Nach Ansicht vieler Experten ist der Einsatz synthetischer Kraftstoffe im Vergleich zu Elektroautos nicht energieeffizient. "Gerade die Veranstaltung heute soll zeigen, dass wir uns mit der Wissenschaft intensiv auseinandersetzen", sagte Nehammer. Man dürfe jetzt keine Technologie ausschließen, weil man in längeren Zeiträumen denken müsse. In zehn Jahren könnte noch viel mehr möglich sein, etwa die Effizienz des Einsatzes von E-Fuels viel besser werden. Nehammer verwies dabei auch auf Elektroautos, deren Reichweite über die Jahre viel besser geworden sei.
Es gehe darum, "den österreichischen Markt so interessant zu halten für Innovation, Forschung und Produktion, dass große Industriebetriebe bei uns investieren". Österreich habe nicht nur eine bedeutende Zulieferindustrie, sondern auch schon eine hohe Kompetenz bei der Produktion von E-Fuels.
Viel Kritik vor dem Autogipfel
Schon vor dem Treffen, an dem Vertreter von Wissenschaft und Industrie teilnehmen, wurde viel Kritik laut. Nehammer hatte am Dienstag das BMW-Werk in Steyr in Oberösterreich besucht, in dem derzeit eine Produktion für E-Motoren errichtet wird. Der Bundeskanzler sprach sich aber angesichts der vielen Arbeitsplätze in der Branche gegen ein endgültiges Aus für Verbrennungsmotoren aus.
Eingeladen waren zu dem Treffen u.a. Stefan Schleicher (JKU Linz), Georg Brasseur (TU Graz), Wilfried Sihn (TU Wien), Bernhard Geringer (TU Wien), Robert Schlögl (Humboldt-Stiftung), Werner Kepplinger (Uni Leoben), Berthold Kren (Lafarge), Martijn van Koten (OMV), Klaus von Moltke (BMW Steyr), Dieter Althaus (Magna AG), Frank Obrist (Obrist Group) und Alexander Klacska (WKÖ).
Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung, begrüßte als Teilnehmer des Autogipfels die Initiative der Regierungsspitze "Das Bekenntnis zur Technologieoffenheit ist ein wichtiges Signal, denn einerseits ist E-Mobilität unbestritten ein wichtiger Baustein dieser Zukunft. Andererseits: Mit E-Autos allein werden wir es nicht schaffen, die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Denn wir bräuchten bis 2030 bereits 2,5 Millionen E-Autos auf Österreichs Straßen - und nichts deutet derzeit darauf hin, dass solche Zahlen erreichbar sind."
Auch der Obmann der Plattform Erneuerbare Kraftstoffe, Johannes Schmuckenschlager, begrüßte Nehammers Aktion - und Zuspruch gab es auch von der Industriellenvereinigung (IV) und der Wirtschaftskammer (WKÖ). Die österreichischen Automobilimporteure meinten: "Wichtig sind dabei eine technologieoffene Forschung und Entwicklung, um Innovationen sicherzustellen und den Standort zu stärken."
Kritik von den Oppositionsparteien
Kritik kam hingegen schon im Vorfeld von den Oppositionsparteien. Aber auch im Klimaschutzministerium ist man der Meinung, dass die Zukunft der Elektromobilität gehört. Das sei auch für die österreichische Autoindustrie eine große Chance.
Die Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace sowie von Fridays for Future Austria kritisierten den Autogipfel wie erwartet. Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" besprühten die Fassade des Bundeskanzleramts mit einer ölig-schwarzen Flüssigkeit - nach ihren eigenen Angaben handelte es sich dabei um einen Mix aus Wasser, Guarkernmehl und Farbe, der abwaschbar und ungiftig sei.
In der EU dürfen ab 2035 keine Neuwagen mehr verkauft werden, die ausschließlich mit Benzin oder Diesel fahren. Die EU-Staaten beschlossen Ende März endgültig ein weitgehendes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor, nachdem die Entscheidung von Deutschland wochenlang blockiert worden war. Nach dem erzielten Kompromiss können auch nach 2035 Neuwagen mit Verbrennungsmotor in der EU zugelassen werden, wenn sie mit E-Fuels betankt werden.
Nach dem Autogipfel
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will in Brüssel "Druck aufbauen gegen Denkverbote", die Forschung und Innovation im Zusammenhang mit der Nutzung von E-Fuels im Autoverkehr behindern. "Es ist wichtig, dass wir Forschung und Entwicklung weiter fördern", sagte Nehammer am Mittwochabend nach dem "Autogipfel" im Bundeskanzleramt, gegen den es schon im Vorfeld viel Kritik gab.
Auch Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) sprach sich nach dem Treffen mit Vertretern aus Wissenschaft und Industrie für Technologieoffenheit aus. Es gehe jetzt auch darum, Brüssel zu überzeugen, dass gewisse Dinge, die jetzt noch nicht förderbar seien, die aber für ein gelingen der Wende und für den Standort Europa wichtig seien, doch förderbar zu machen.
Der Chemiker Robert Schlögl, Präsident der deutschen Alexander von Humboldt-Stiftung, meinte: "Ich würde vor allen Dingen erst mal dieses Vorurteil weggeben, dass die Erzeugung von E-Fuels sehr ineffizient sei." Es werde nie möglich sein, sämtlichen Energiebedarf mit Strom zu decken, sagte Schlögl. Man werde auch in Zukunft Energie importieren müssen. "Die wesentliche Menge des Kraftstoffs wird außerhalb von Europa gemacht werden." Wenn man die Energie also ohnehin in einer transportable Form bringen müsse, sei es gesamtenergetisch sinnvoller, sie direkt zu verwenden, ohne daraus wieder Strom zu machen.
Und Georg Brasseur, emeritierter Professor an der TU Graz, verwies auf die "Limitierung der Rohstoffe, die wir haben, um diese gewaltige Energiewende hinzukriegen". Europa und Österreich sollen sich nicht in neue Abhängigkeiten begeben, wie "beispielsweise jetzt mit den Batterien aus China".
(APA/Red)
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