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Aut idem: Wiener Pharmakologin befürchtet Probleme

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Gesundheitsministerium, Sozialpartner und Apothekerkammer sind für Aut idem. Der Arzt soll bei Vorhandensein von Nachahmepräparaten für ein Originalmedikament nur noch den Wirkstoff verschreiben, der Apotheker am besten das billigste der Nachbau-Produkte abgeben - oder der Patient aufzahlen.

Doch entgegen der Meinung der Standesvertretung meldete sich jetzt die Wiener Pharmazeutin Martina Anditsch (SMZ-Ost) zu Wort. “Die Therapietreue wird sich verschlechtern. Patienten werden mit ihrer Einstellung entgleisen”, erklärte sie gegenüber der APA.

Martina Anditsch, Klinische Pharmazeutin und beratend auf den Abteilungen für Gerontopsychiatrie, Neurologie, Akutgeriatrie und Interne Medizin am Wiener Donauspital (SMZ-Ost) tätig, weiß als Pharmazeutin am Krankenbett, wovon sie spricht: “Das sind oft alte und multimorbide (mehrfachkranke, Anm.) Patienten. Die Verordnung von zehn verschiedenen Medikamenten ist da nicht selten.”

Die Expertin: “Ich sehe das Problem besonders bei mehrfachkranken Patienten, wenn die ständig andere Präparate bekommen und auch das Aussehen der Packungen schon unterschiedlich ist. Das verunsichert. Da braucht es viel Informationstätigkeit von Seiten der Ärzte und Apotheker. Aber trotzdem wird sich die Therapietreue (Compliance)verschlechtern.”

Hier sollen allerdings besondere Regelungen die Situation entschärfen. So wurde angekündigt, dass es bei chronisch Kranken Ausnahmen geben werde. Das “Preisband” der zur Auswahl stehenden Medikamente werde auch nur höchstens alle sechs Monate neu bestimmt.

Doch trotzdem die mögliche Konsequenz, laut der Pharmazeutin: “Manche Patienten werden mit ihrer Einstellung entgleisen. Das ist gerade bei alten Patienten gefährlich, die das womöglich gar nicht merken.” Bluthochdruck tut nicht weh, ein hoher Blutzuckerspiegel ebenfalls nicht. Trotzdem können daraus akut lebensgefährliche Komplikationen entstehen.

Arzneimittel ist nicht immer gleich Arzneimittel. Bei bestimmten Wirkstoffklassen und Anwendungsgebieten will Martina Anditsch möglichst wenig von Aut idem wissen: “Das sind Präparate mit geringer therapeutischer Breite und Medikamente, bei denen man den Behandelten individuell darauf einstellen muss.”

Unter “geringer therapeutischer Breite” verstehen die Fachleute Medikamente, bei denen auch eine geringe Über- oder Unterdosierung schwerwiegende Folgen haben kann. Die Expertin nannte hier vier Beispiele:

– Bei der Behandlung der Epilepsie gibt es bereits ein Papier der Internationalen Epilepsie-Liga aus dem Jahr 2006, dass jemand, der gut eingestellt ist, auf keinen Fall auf ein anderes Präparat umgestellt werden soll. Das wäre potenziell fatal. Hier sieht man in Österreich allerdings eine Ausnahmeregelung vor.

– Bei Cyclosporin und Vergleichspräparaten zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion nach einer Organtransplantation kann schon ein um 20 Prozent vom Normwert abweichender Blutspiegel der Wirksubstanz mit dem Verlust des Spenderorgans enden. Auch hier soll es bei Einführung von Aut idem in Österreich eine Ausnahme geben.

– Schmerztherapie – Martina Anditsch: “Hier gibt es ein Konsensuspapier der Österreichischen Schmerzgesellschaft, dass eine Umstellung von einem Schmerzmittel auf das nächste immer einer Neueinstellung gleichkommt. Gerade bei den ‘Schmerzpflastern’ gibt es hier große Unterschiede.”

– Speziell diffizil: Medikamente zur Behandlung von Psychosen. Die Expertin: “Das ist eine besondere Problematik, weil man hier oft damit kämpft, dass der Patient überhaupt eines der Medikamente einnimmt.” Es gebe Hinweise darauf, dass ein Wechsel von einem Präparat zu einem anderen auch mit vermehrten Spitalsaufnahmen einher ginge.

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