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Aus dem Alltag der Wiener Katzenflüsterin Petra Ott: Vom Pfaucher zum Schmuser

Kater Ingo war zunächst noch mehr als skeptisch gegenüber Menschen
Kater Ingo war zunächst noch mehr als skeptisch gegenüber Menschen ©Petra Ott
Ob kätzische Aggressionen, Unsauberkeit, Mobbing oder Angst - Katzen-Coach Petra Ott weiß Rat. Auf VIENNA.at schildert die Wiener “Katzenflüsterin” ein paar der härtesten Fälle aus ihrem Berufsalltag und verrät Tricks und Lösungen für Probleme mit den Samtpfoten. Diesmal: Ein Fall um vier scheue "Pfaucher" aus dem TierQuarTier Wien.
Die vier kleinen "Pfaucher"
Petra Ott im Interview

“Vor ein paar Tagen wurde ich in dem Tierheim in das Viererzimmer eines roten Katers namens Ingo, einer dunklen Schildpatt-Katze und zwei kleinen Tigerkatzerln geschickt. Es hieß, die vier seien total zurückgezogen und würden nichts als pfauchen, wenn man sie nur anschaut.

Finstere Blicke und Pfauchen für die Katzenflüsterin

Als ich das erste Mal die gläserne Türe aufschloss und auf der obersten Liegefläche des Zimmers einen roten pfauchenden Kater erblickte, der sich vor eine dunkle Schildpatt-Katze drängte, dachte ich mir: “Ui, was ist denn da passiert?” Die Schildpatt-Katze fixierte mich von hinten mit düsterem Gesicht, die Augenbrauen zusammengekniffen, die Pupillen vor Angst weit geöffnet und den Kopf nach hinten an den Körper gezogen, und ließ auch nicht mehr ab mit ihrem Blick. Ihre Ohren waren schräg zur Seite gestellt, sie wirkte wie Napoleon mit seinem Hut vor der Schlacht. Nun fehlten mir noch die andern beiden, von denen gesprochen wurde und die ich begutachten sollte. Ich fand sie eng zusammengedrängt in einem kleinen Katzenhäuschen. Sie würdigten mich keines Blickes, egal was ich machte.

Zu ihrer Vorgeschichte: Alle vier waren ins TierQuarTier gekommen, da der Besitzer verstorben war und sich aus der Familie niemand um sie kümmern konnte. Meist sind dann solche Katzen menschenscheu, weil sie von den Ereignissen verstört sind.

Ein Trick vom Katzen-Coach bricht das Eis

Tja, nun stand ich da. Leise setzte ich mich zu Boden. Der Rote und das Schildpatt-Mädchen schauten zu mir nach unten, die Ohren noch immer angelegt. Ich packte meine Spielangel aus und begann behutsam sie im Kreis zu drehen. Die Schildpatt drückte sich erschrocken in ihre Kiste, der Rote pfauchte. Scheinbar kannten diese Katzen kein Spielzeug. Die beiden anderen in ihrem Häuschen waren total versteinert.

Als ich nach einiger Zeit wirklich all mein mitgebrachtes Equipment ausgetestet hatte, wollte ich noch einen Versuch wagen. Ich atmete tief durch und schickte allen vier Fellnasen einmal ganz viel positive Energie. Dann sang ich ihnen ein Lied vor. Ganz leise, mit hoher Stimme und lang gezogen.

Und siehe da – es wirkte! Die kleinen Katzenkörper entspannten sich. Sie legten sich auf ihren Liegeflächen ab, senkten die Augen auf Halbmast und hörten mir anscheinend berauscht zu. Dies dauerte etwa fünf Minuten lang. Dann stand ich auf – oh, was für ein Schreck für die Fellnasen! – und bevor ich zur Tür hinausging, legte ich noch ein paar Leckerlis verteilt in die Box.

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Durchbruch an Tag 4 hinter Gittern im Viererzimmer

So fuhr ich die nächsten drei Tage fort. Und als würde ihnen ein Knopf aufgehen, erlebte ich am vierten Tag die Überraschung: Der Rote pfauchte mich wieder an, ich sang unbeirrt den vieren mein Lied vor. Ganz plötzlich sprang er herunter zu mir und strich mir um die Beine. Zunächst einmal wirkte er dabei noch ganz aufgeregt. Ich ignorierte ihn – um ihm dadurch die notwendige Sicherheit zu geben. Da legte er sich zu Boden und rollte sich vor mir herum. Als er wieder aufstand, hielt ich ihm die Hand hin zum Beduften hin und streichelte ihm kurz und knapp zwei Mal über seine Wangen. Ich kam aus dem Wundern nicht mehr heraus: Da entpuppte sich gerade der rote pfauchende Kater als Schmusetiger?!

Die Schildpatt schaute auch wieder zu mir herunter, kniff diesmal aber ihre Augen zusammen. In Katzensprache signalisierte sie mir damit: Es ist alles in Ordnung. Ein getigertes Köpfchen aus dem Katzenhaus blickte ebenfalls neugierig hervor, zog sich gleich aber wieder zurück. So streckte ich dem neugierigen Katzenhaus-Kater die Leckerlis hin und wie durch ein Wunder verfehlten diese ihre Wirkung nicht: Er begann, sie zu fressen. Doch der andere traute sich dies offenbar noch nicht – er braucht wohl noch mehr Zeit.

Eins ist mir als Katzenflüsterin klar: Die Resozialisierung der Katzen in solchen Stresssituationen benötigt viel Zeit und Geduld. Hat man es aber erst einmal geschafft, so steht einer wunderbaren Freundschaft nichts mehr im Wege. Da heißt es auf Optimismus setzen. Ich bleibe weiter dran und weiß genau, dass diese vier eines Tages ein tolles katzenfreundliches Zuhause finden und dort für immer glücklich sein werden.”

>>Hilfe für Samtpfoten in Not: Katzen-Coach Petra Ott im VIENNA.at-Interview

(red)

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