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Aufreger und Schwerpunkte: Der EU-Wahlkampf 2024 im Rückblick

Kriegsangst, Rechtsruck und Schilling prägten den Wahlkampf.
Kriegsangst, Rechtsruck und Schilling prägten den Wahlkampf. ©APA/Pixabay/Canva
Der EU-Wahlkampf in Österreich geht zu Ende, und am Sonntag sind etwa 6,4 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
BILD: FPÖ-Plakat ist "ekelhaftestes" Wahlplakat
Die Positionen der Spitzenkandidaten

Themen wie die Befürchtung eines Rechtsrucks, die Diskussion über den Krieg in der Ukraine, Klimafragen und Vorwürfe gegen die grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling prägten den Wahlkampf für die EU-Wahl.

Langwierige Suche nach Spitzenkandidaten für EU-Wahl bei ÖVP

Die ÖVP hatte Schwierigkeiten, einen Spitzenkandidaten für die Wahlen zu finden, nachdem Othmar Karas, der 2019 mit einem Rekord-Ergebnis von 34,55 Prozent die Wahl angeführt hatte, im Oktober erklärte, nicht mehr anzutreten. Karas begründete seinen Rückzug mit Differenzen innerhalb der Partei, besonders bei Themen wie Asyl und Migration. Karoline Edtstadler, die als mögliche Kandidatin galt, zog sich bereits im Juli zurück, da ihr Interesse am Posten einer EU-Kommissarin nachgesagt wurde. Im Jänner wurde Reinhold Lopatka, der außenpolitische Sprecher der ÖVP, als Spitzenkandidat nominiert, trotz der schlechten Umfragewerte der Partei. ÖVP-Chef Karl Nehammer würdigte Lopatkas Bereitschaft, diese Herausforderung anzunehmen: "Danke, dass du dir das antust."

EU-Wahl: Auch Grüne suchen lange nach Spitzenkandidaten

Im November lehnten bei den Grünen Umweltministerin Leonore Gewessler und Justizministerin Alma Zadic ab, beide zuvor als mögliche Anwärterinnen betrachtet. Schon damals galt Klimaaktivistin Lena Schilling als Topfavoritin. Werner Kogler, der Parteivorsitzende, der die Grünen nach der Nationalratswahl-Niederlage 2017 als Spitzenkandidat zur EU-Wahl 2019 zurück in die Erfolgsspur brachte, stellte Schilling am 22. Januar als seinen Vorschlag für den Spitzenplatz vor. Die offizielle Wahl der Nachwuchspolitikerin erfolgte dann am Ende Februar beim Bundeskongress der Grünen.

NEOS kürten Brandstätter bei Vorwahlen zu Spitzenkandidaten für EU-Wahl

Die NEOS mussten sich ebenfalls auf die Suche nach neuem Personal begeben, da die Spitzenkandidatin des Jahres 2019, Claudia Gamon, sich entschieden hatte, als NEOS-Landessprecherin nach Vorarlberg zu wechseln und dort bei den bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst zu kandidieren. Schnell wurde der frühere Journalist Helmut Brandstätter als naheliegender Kandidat angesehen. Im Jahr 2019 gelangte er durch eine Wild-Card auf die NEOS-Liste als Seiteneinsteiger zur Nationalratswahl und vertrat seitdem als pinker Abgeordneter die Partei im Nationalrat. Im Oktober schloss er sich dann offiziell als Mitglied der Partei an und gab im Dezember seine Kandidatur für die Spitzenposition bekannt. Nach den für die NEOS typischen Vorwahlen wurde seine Auswahl schließlich auf der Bundesmitgliederversammlung der Partei am 27. Januar bestätigt.

SPÖ und FPÖ vertrauen auf Spitzenkandidaten von EU-Wahl 2019

Nur SPÖ und FPÖ entschieden sich frühzeitig und hielten an ihren Kandidaten von 2019 fest. Andreas Schieder (SPÖ) kündigte bereits im Frühling 2023 an, im Amt bleiben zu wollen, offiziell bestätigt wurde dies im Herbst. FPÖ-Vorsitzender Herbert Kickl entschied Anfang Oktober für Harald Vilimsky als Spitzenkandidat der FPÖ, wobei die Nominierung Ende Januar offiziell gemacht wurde.

FPÖ-Verbindungen zu Russland Thema im Wahlkampf für EU-Wahl

Inhaltlich geprägt war der Wahlkampf von Warnungen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS vor einem Rechtsruck der gesamten EU und vor Russland-Nähe rechter Parteien in ganz Europa, insbesondere der FPÖ. Diese wurde von der Konkurrenz an den vor Jahren geschlossenen Freundschaftsvertrags mit der Partei "Einiges Russland" von Russlands Machthaber Wladimir Putin erinnert. Die FPÖ wiederum relativierte dies, denn der Vertrag sei "nie mit Leben erfüllt" worden, wie Ex-Parteichef Norbert Hofer auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz ausführte. Für Empörung der Konkurrenz sorgte die FPÖ mit Plakaten, auf denen ein "EU-Wahnsinn" beklagt wurde und sich Bilder einer sehr herzlichen Begrüßung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fanden - unter dem Schlagwort "Kriegstreiberei".

ÖVP-Spitzenkandidat Lopatka ortete darin einen "Wahnsinn" der FPÖ. Gleichzeitig versuchte die ÖVP, mit eher rechten Positionen zu punkten, etwa mehr Außengrenzschutz. Beim Klimathema pochte Lopatka weiterhin auf die ÖVP-Forderung, die Verbrennertechnologie im Automobilbau zu verfolgen; Klimaschutzmaßnahmen sollte es geben - das aber mit "Hausverstand". Auch für weniger "Überregulierung" trat die ÖVP ein, hob aber gleichzeitig die Bedeutung der Europäischen Union als Friedensprojekt hervor. Teils legte die Volkspartei ihren Wahlkampf auch recht regional an: "In Brüssel zählt für mich nur eines: Oberösterreich", so der lokalpatriotische Slogan der Listenzweiten Angelika Winzig.

Auch die SPÖ, die in der Vergangenheit teils für eine zu wenig klare harte Linie gegenüber Russland kritisiert wurde, ortete Russland-Nähe der Blauen. Für die Ukraine fordere Schieder "volle humanitäre Hilfe" sowie "volle politische Unterstützung" - pochte gleichzeitig aber auf die österreichische Neutralität. Aufhorchen ließ er mit dem SPÖ-Motto "Europa first, statt Made in China": Es gelte, in den Standort zu investieren, betonte er. Klare Solidarität mit der Ukraine forderte auch die Grüne Spitzenkandidatin Schilling ein und warnte vor nachlassender Unterstützung: "Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg vorbei, wenn die Ukraine aufhört, zu kämpfen, ist die Ukraine vorbei." Die NEOS wiederum positionierten sich mit dem deutlichsten pro-europäischen Kurs, Brandstätter sprach sich für die Idee einer eigenen EU-Armee aus und warb mit dem Slogan "Vereinigte Staaten von Europa".

EU-Wahl: Vorwürfe gegen Schilling prägten Wahlkampf der Grünen

Während die Grünen mit ihrer Kandidatin Schilling bis Mitte Mai laut Umfragen zunächst darauf hoffen konnten, ihrem Ergebnis von 2019 nahezukommen (14,08 Prozent), geriet die Kampagne der Öko-Partei ab dem 7. Mai gehörig ins Wanken. Grund dafür waren von der Tageszeitung "Standard" publizierten Vorwürfe, die teils den privaten Bereich Schillings betrafen. Gleichzeitig sah sie sich unter anderem auch mit der Vorhaltung konfrontiert, sie hätte überlegt, nach der Wahl zur Linksfraktion zu wechseln. Letzteres wies Schilling scharf zurück und konterte mit der Beantragung der Parteimitgliedschaft bei den Grünen. Kritisch kommentiert wurden aber nicht nur die Vorwürfe selbst, sondern auch das Krisenmanagement der Parteispitze: Berühmt-berüchtigt wurde etwas Koglers Abkanzeln der Vorwürfe als "anonymes Gemurkse" und "Gefurze" - eine Wortwahl, für die sich der Vizekanzler später entschuldigte.

Ab Mitte Mai spiegelte sich die Debatte auch in den Umfragewerten wider, seitdem liegen die Grünen zwischen neun und 13 Prozent. Die NEOS hingegen erfuhren in den Meinungsumfragen einen Aufwärtstrend auf bis zu 15 Prozent. Damit dürfen die Pinken mit einem (eventuell sogar deutlich) besseren Abschneiden als 2019 (8,44 Prozent) spekulieren.

SPÖ fordert "Nationalen Aktionsplan" zu Renaturierung

Etwas Morgenluft witterte offenbar auch die SPÖ, die sich im Finale des Wahlkampfs sichtlich um das Umwelt- und Klimathema bemühte. Der schwarz-grünen Koalition warf Schieder etwa das Fehlen des Nationalen Energie-und Klimaplans vor. In der Debatte rund um die Renaturierung forderte die Partei einen "Nationalen Aktionsplan", zuvor hatten mit Wien und Kärnten zwei der drei SP-regierten Bundesländer ihren Ausstieg aus der einheitlichen Bundesländerblockade des EU-Renaturierungsgesetzes erklärt.

Die Umfragen freilich attestieren der Sozialdemokratie ein ähnliches Ergebnis wie 2019, als sie mit 23,89 Prozent ihr zweitschlechteste EU-Wahlergebnis einfuhr. Mit Umfragewerten zwischen 22 und 24 Prozent kann die SPÖ maximal auf ein Match mit der ÖVP um Platz zwei hoffen, der die Demoskopen einen Stimmenanteil von 21 bis 23 Prozent attestieren. Platz eins wird gemäß Umfragen an die FPÖ gehen, die in den Umfragen mit 26 bis 30 Prozent ausgewiesen wurde.

FPÖ sorgt mit Impfgegner für Aufregung in Wahlkampf für EU-Wahl

Am Rande wurde auch noch die Corona-Pandemie angeschnitten: Die FPÖ trommelte das Thema in ihren hauseigenen Medienkanälen, Parteichef Kickl lud etwa den deutschen Mediziner und Covid-Maßnahmenkritiker Sucharit Bhakdi Mitte April nach Wien zu einer FPÖ-Veranstaltung (Titel: "Zurück zur Normalität"), dieser durfte dort nicht nur die Covid-Impfung diskreditieren, sondern auch Errungenschaften wie die Polio-Impfung gegen Kinderlähmung ("Es gibt keinen Beleg für die Wirksamkeit").

Liste DNA setzt weiter auf Corona

Auf Pferd Covid setzt auch die neue Partei DNA (Demokratisch - Neutral - Authentisch): Die coronamaßnahmenkritische Liste schaffte überraschend die für den Sprung auf den Stimmzettel nötige Hürde von mehr als 2.600 Unterstützungserklärungen. Angeführt von der als Aktivistin gegen die Corona-Maßnahmen bekannt gewordene Grazer Medizinerin Maria Hubmer-Mogg wird unter anderem eine unabhängige Untersuchung der Coronapolitik, eine Ablehnung des geplanten Pandemievertrags der WHO sowie ein Ende der Russland-Sanktionen gefordert.

KPÖ fordert in Wahlkampf "Wohnen statt Kanonen"

Kritisch gegen die Russland-Politik der EU, aber auch Österreichs trat die KPÖ auf, die sich neuerlich an einer Kandidatur versucht. Spitzenkandidat Günther Hopfgartner stellte die Themen Krieg und Frieden in den Mittelpunkt, in der EU orten die Kommunisten eine "Kriegslogik", diese müsse einer "Friedenslogik" weichen. Zum Einsatz kam etwa der Slogan "Wohnen statt Kanonen". Die Chancen sind für beide kleinen Listen sind freilich nicht besonders hoch: Während die Umfragen der DNA mit 1 bis 2 Prozent keine Chancen auf den Einzug geben, kratzt die KPÖ, die zuletzt bei den Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen in Salzburg und Innsbruck überraschend starke Ergebnisse eingefahren hatte, mit Umfragewerten zwischen zwei bis drei Prozent schon eher an der für den Einzug ins EU-Parlament notwendigen Vier-Prozent-Hürde.

(APA/Red)

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