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"Auf Hoffnung folgte ganz schnell Ernüchterung"

VHS Obmann Wolfgang Türtscher, Historikerin Ingrid Böhler
VHS Obmann Wolfgang Türtscher, Historikerin Ingrid Böhler ©Christof Egle
Historikerin Ingrid Böhler berichtete in Götzis über das Jahr 1938
Vortrag Ingrid Böhler VHS Götzis

Götzis. Die Volkshochschule Götzis veranstaltet im heurigen Jahr einen Vortragszyklus zum Ge – und Bedenkjahr 1938 mit Vorträgen, die sich mit der regionalen Geschichte und Themen aus einem schicksalsträchtigen Jahr beschäftigen. Kürzlich konnte man dabei die Leiterin des Instituts für Zeitgeschichte Ingrid Böhler in Innsbruck in Götzis begrüßen. Böhler befasste sich in ihren Ausführungen mit alltäglichen Auswirkungen und Folgen des Anschlusses im März 1938 für Vorarlberg und seine Bevölkerung. Ein komplexes und gleichzeitig emotionales Thema, dem sich Böhler vor erfreulicherweise vielen jungen Zuhörern, sehr sachlich, neutral und reflektiert widmete. Aufgeteilt in zwei Themenblöcken ging es zum einen um den alltäglichen vorherrschenden und zunehmenden Terror für die jüdische Bevölkerung und Gegnern des neuen Regimes, gerade auch im Zusammenhang mit der sogenannten Reichskristallnacht. Wenn auch laut Böhler in Vorarlberg keinen nachweisbaren, nennenswerten Ausschreitungen zu verzeichnen waren, spürten vor allem Juden den Druck im täglichen Leben. Ihnen wurde der Besuch von Schulen und Kinos verboten, oder schlicht der Führerschein entzogen. Böhler betrachtete verschiedene Beispiele an konkreten Personen mit den verschiedensten Folgen wie Einlieferung in ein KZ, Flucht, oder Suizid. Ende 1938 hatte rund ein Drittel der jüdischen Bevölkerung das Land trotz scharfer Grenzüberwachung verlassen. Nicht viel besser erging es den Anhängern der Vaterländischen Front, die neuen Machthaber beglichen alte Rechnungen, Mitglieder wurden schon in den ersten Stunden der NS-Machtübernahme schikaniert, verhaftet und nach Dachau verbracht.

Ebenfalls in den ersten Tagen lief die Propagandamaschine der Nationalsozialisten an, die gleichgeschalteten Medien berichteten von der Aufbruchstimmung in der Bevölkerung, die laut Böhler durch Sozial-, Aufbau- und Arbeitsbeschaffungsprogramm am Anfang durchaus vorhanden war, die teilweise berechtigten Hoffnungen der Menschen wurden aber recht bald wieder von der Realität eingeholt. Die Darstellung der Novemberprogrome als eine Reaktion einer kochenden Volksseele, auch durch das Vorarlberger Tagblatt, entsprachen somit in keinem Fall der Realität, wie Böhler weiter ausführte.

Schließlich berichtete Böhler noch von der vom NS-Regime initiierten Volksabstimmung um den Anschluss Österreich an das Deutsche Reich zu legitimieren im April 1938, welche auch in Vorarlberg klar befürwortet wurde, gleichzeitig aber die niedrigste Zustimmung in Österreich ebenso hatte, wie mit Riefensberg einen absolut interessanten Ausreißer.

Den Abschluss des Vortragszyklus gibt es am 7.Dezember um 19:30 in der VHS Götzis. Dr. Johannes Knoll berichtet dann vom Anschluss Österreichs im historischen Kontext. CEG

 

Zitat Ingrid Böhler: „Viele gingen Anschluss schauen und ließen sich mitreißen“.

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