Wenn Familien vertrieben und auseinander gerissen werden, kann vieles verloren gehen: Heimat, Zugehörigkeitsgefühl und das Wissen um die eigene Geschichte. In Hohenems betraf das vor allem Menschen jüdischen Glaubens, die unter dem Nazi-Regime emigriert sind oder deportiert wurden. Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, hat es sich zum Ziel gesetzt, Hohenemser Familiengeschichten zu erforschen und zu dokumentieren. Geografisch gesehen beschränkt sich diese Arbeit aber nicht nur auf Vorarlberg. Die Diaspora hat Juden aus Hohenems bis nach Amerika, Israel oder Australien geführt. „Trotzdem verbinden noch viele Hohenems mit Heimat“, sagt Hanno Loewy. „Das Leben in Hohenems war für viele Juden bedeutungsstiftend. Später verzweigt sich die Geschichte in die ganze Welt.“ Zweimal schon haben sich Nachkommen aus aller Welt in Hohenems getroffen. Im Archiv des Museums arbeiten er und sein Mitarbeiter Christian Herbst an der Erfassung ganzer Kisten und Kartons voller Datensätze, Dokumente und Fotos. Das Material bekommt das Museum oft von den betroffenen Familien selbst. So fungiert das Museum als professioneller Partner, als Anlaufstelle, um Familienverhältnisse zu klären und zu dokumentieren.
Verwandtschaftsanfragen
„Wir bekommen inzwischen Anfragen von Menschen, die wissen wollen, mit wem sie wirklich verwandt sind“, erzählt Christian Herbst. Darüber hinaus werden aber auch andere Quellen herangezogen: Die Geburtsmatrikel der Gemeinde etwa oder das Melderegister werden ausgewertet. Weiters besteht eine Kooperation mit der Universität Innsbruck und mit dem Jüdischen Museum in Meran. Dort werden gerade die Grabsteine des Jüdischen Friedhofs katalogisiert. Auch das Land Tirol beteiligt sich inzwischen an den Kosten.
Genealogieprojekt
Im Jahr 2000 entstand schließlich die Idee, all diese Datenbanken zusammzufassen und ein „Hohenemser Mosaik“ zusammenzusetzen. Vier Jahre später gab Hanno Loewy den Auftrag, eine eigene Datenbank für das Genealogieprojekt zu entwickeln. Diese Datenbank funktioniert zweisprachig. Jeder, der Interesse hat, kann sich auf der Homepage des Museums einloggen und nach Vorfahren oder nach Verwandtschaftsverhältnissen und Stammbäumen suchen. Inzwischen sind 11.400 Personen erfasst. Die Datensätze sind untereinander verlinkt und mit Google-Karten verknüpft. „Lebenswege sind so auch optisch schnell begreifbar“, sagt Archivar Herbst. Viele Biographien sind bereits mit Fotografien und ausführlichen Lebensläufen versehen, doch bei Weitem noch nicht alle: „Das ist work in progress. Die Dokumentation kann unendlich weit in die Tiefe gehen. Wir können sogar Videos in der Datenbank verlinken“, sagt Hanno Loewy. „Das ist so wie mit den Familienstammbäumen: Die gehen auch ins Unendliche, denn im Endeffekt sind wir alle miteinander verwandt.“
(Neue/Drnek)
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