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Auf den Spuren der Dornbirner Industriegeschichte

Auch die ehemaligen Rüsch-Werke, heute inatura, sind Teil der "Stadtspuren".
Auch die ehemaligen Rüsch-Werke, heute inatura, sind Teil der "Stadtspuren". ©Roland Paulitsch
Stadtspuren: Ein Projekt mit 15 Stationen führt ab 7. Mai durch die Industriegeschichte von Dornbirn.

Dornbirn. Fünfzehn Stationen, die ausgehend vom Gütle entlang des Müllerbachs bis zum Schaukraftwerk Forach führen, zeigen Dornbirner Industriegeschichte. Die Stadtspuren, die am Sonntag, dem 7. Mai eröffnet werden, sind ein einzigartiges Projekt. Sozusagen ein „Outdoor-Industriemuseum“ das einen wesentlichen Teil der Dornbirner Geschichte an den Stationen vor Ort erlebbar macht.

Darüber hinaus werden über digitale Medien eine Fülle von weiteren Informationen zur Verfügung gestellt. Die Orte erzählen Geschichten: von innovativen Ideen, ehemaligen Weltmarktführern, sozialen Errungenschaften, Migration, … sie zeigen aber auch die Veränderungen, die hier geschehen sind. Heute gestalten High-Tech und Start-up Unternehmen unsere Zukunft dort, wo vor Jahren im Akkord und unter schwierigen Bedingungen gearbeitet wurde. Die „Stadtspuren“ betrachten die Dornbirner Industriegeschichte aus verschiedensten Blickwinkeln.

Eine Reihe von Superlativen

Als eine der bedeutendsten Industriestadt in Vorarlberg kann Dornbirn eine Reihe von Superlativen vorweisen. „Hier wurde die erste Tüllfabrik sowie die erste mechanische Weberei der Monarchie errichtet, hier standen der größte Websaal und die größte Seidenspinnerei Österreichs, hier führte Kaiser Franz Joseph sein erstes Telefonat“, so Bürgermeisterin Andrea Kaufmann. In Dornbirn standen einst die Hälfte aller Webstühle des Textillandes Vorarlberg, die erste mechanische Spinnerei und der bedeutendste Metallbetrieb des Landes, hier wurde auch der heftigste und längste Streik Vorarlbergs geführt. Noch heute sind Großbetriebe wie beispielsweise die Zumtobel AG oder Meisterbäcker Ölz international bekannte Industrieunternehmen. Der frühere Ruf Dornbirns als »Manchester des Rheintals« kam also nicht von ungefähr und die Stadt ist stolz darauf, immer noch Industriestadt zu sein.

©Stadt Dornbirn/Sägenvier

Geschichte erlebbar machen

Das Konzept wurde gemeinsam mit Klaus Fessler, dem Stadtarchiv und der Stadtplanung erarbeitet. Die Gestaltung kommt vom Dornbirner Grafiker Sigi Ramoser. Die Stadtspuren beginnen im Gütle und führen entlang der rund 6,5 Kilometer langen Route an 15 Stationen vorbei, die nicht nur Tafeln und Schnittstellen zu digital erlebbaren Geschichten zeigen; hier sollen Fußgänger und Radfahrer sich auch gerne aufhalten und die geschichtsträchtigen Orte auf sich einwirken lassen können. Der Aussichtspunkt Zanzenberg erlaubt einen Überblick. Die Route folgt den ältesten Weberei- und Spinnereibetrieben entlang der Dornbirner Ache und des Müllerbachs, führt aber auch vorbei an noch produzierenden Betrieben der Metall-, Elektro- und Nahrungsmittelindustrie.

Beispielsweise bedeutende und oft auch denkmalgeschützte Bauwerke, wie beispielsweise die historische Spinnerei Juchen, das inatura-Areal beim Stadtgarten (ehemalige Rüsch-Werke) oder auch die Dampfzentrale in Rhomberg‘s Fabrik (ehemalige Firma F.M. Rhomberg). Jede Station enthält zwei Themen: die jeweilige Geschichte vor Ort und ergänzend ein wichtiges Thema der Industriegeschichte Dornbirns, das mit dem jeweiligen Standort verbunden ist. Die „Stadtspuren“ bestehen aus drei Elementen: den einzelnen Stationen entlang von Dornbirner Ache und Müllerbach, einem Buch mit tieferschürfenden Informationen, sowie einer App, die von Station zu Station leitet und zusätzliche Medien anbietet. Die Route der Stadtspuren ist auch abschnittweise begeh- und befahrbar. Es gibt auch spezielle Programme für Kinder, Schulklassen und Erwachsene.

Die 15 Stationen im Überblick

1 - Gütle
Das Gütle bildet mit Fabriksanlagen, Gasthaus, Arbeiterwohnhaus und Erholungspark ein nahezu komplettes Relikt einer alten Industrielandschaft. Das nicht mehr vorhandene Lustschlösschen und der Park dienten der Repräsentation und standen im Kontrast zum harten Fabrikalltag der Spinnereiarbeiter:innen. 

2 - Boden
Erst das um 1870 künstlich geschaffene Gelände an der Dornbirner Ache schuf die Grundlage für den Bau der fünfgeschossigen Spinnereifabrik von Josef André Winder, die nach dem Brand von 1902 zu einer Turbinenversuchsstation und in unserer Zeit zum Musiklokal „Conrad Sohm“ wurde.

3 - Wasserfassung Müllerbach
Der Müllerbach oder der „Gießen“ ist mit seinen 4,8 km Länge ein genossenschaftlich genutzter Kanal mit 54 m Gefälle, dessen Wasser seit mehr als 500 Jahren die Wasserräder antreibt. Durch die Erfindung der Turbine im 19. Jh. konnte die Energieausbeute enorm gesteigert werden.

4 - Straßendampfwalze
Dank Textilfabrikant Viktor Hämmerle erhielt Dornbirn 1895 die erste Straßendampfwalze des Landes und bekam dadurch stark verbesserte Straßen. Die Nachfolge-Dampfwalze Maffei von 1928 steht als Schaustück an der Talstation der Karrenseilbahn, die seit 1956 Passagiere auf den Aussichtspunkt befördert

5 - Mühlebündt
Die Geschichte der Parzelle »Mühlebündt«, die namensgebend für die Textilfabrik der Pionier- firma Herrburger & Rhomberg war, reicht bis ins Mittelalter zurück. Hier stand nämlich die älteste und bedeutendste Mühle Dornbirns, die im 16. Jahrhundert abbrannte.

6 - Juchen
Lorenz Rhomberg und Michael Lenz betrieben hier nicht nur die älteste Spinnfabrik Vorarlbergs, sondern auch die drittälteste in Österreich-Ungarn. Hier begann die Industrialisierung und vor allem die Mechanisierung der Textilindustrie. Heute beherbergt das Areal den bekannten Backwarenhersteller Ölz.

7 - Sägen
Mehrere Holzsägen standen hier seit dem 16. Jahrhundert und so kam die Parzelle zu ihrem Namen. Die Spinnerei J.B. Salzmann und die Weberei F.M. Hämmerle folgten und entnahmen die Energie dem Müllerbach, der heute noch unter dem Gelände der Fachhochschule Vorarlberg fließt

8 - inatura / Rüsch-Werke
Das heutige inatura-Gelände in Schmelzhütten blickt zurück auf 150 Jahre Eisenverarbeitung in der Gießerei und Maschinenfabrik der Rüsch-Werke, dem einst größten Metall-betrieb des Landes, der früher seine Turbinen-anlagen in weite Teile der gesamten Monarchie lieferte.

9 - Dampfmaschine
Die Dampfmaschine »Kuhn 100« von 1858 der Fa.F. M. Rhomberg stammt aus der Frühzeit des Maschinenzeitalters. Der Lichtkonzern Zumtobel übernahm später das Gelände. Der Blick auf die nahe Südtiroler Siedlung von 1939/40 erinnert an historische und aktuelle Zuwanderungswellen.

10 - Arbeiterwohnhaus
Jugendstilarchitekt Hanns Kornberger plante nicht nur Fabrikantenvillen, sondern um 1900 auch dieses Arbeiterwohnhaus der Firma Herrburger & Rhomberg. Solche Betriebswohnungen brachten den Arbeiter:innen bei ihren niedrigen Löhnen zwar Erleichterungen, machten sie jedoch stark von ihrem Arbeitgeber abhängig.

11 - Mittebrunnen
In Mittebrunnen befanden sich seit 1856 die großen mechanischen Webereien von J. B. Salzmann und von Herrburger & Rhomberg. Deshalb kam auch die Webergasse zu ihrem Namen, war sie doch der tägliche Arbeitsweg für einige hundert Arbeiter: innen. Das Areal ist heute ein Gewerbepark.

12 - Tüllfabrik Rohrbach
Das Fabrikgebäude wurde 1829 von Karl Ulmer, da-mals einem der bedeutendsten Fabrikanten Dornbirns, erstellt und war die erste Tüllfabrik der Monarchie und war auch die erste mechanische Weberei im Lande. Die spätere Rauerei von F.M. Rhomberg ist heute ein Wohnhaus, die Wasserkraft wird noch verwendet.

13 - Rhombergs Fabrik
Die Firma Franz Martin Rhomberg, »Färbers« genannt, begann 1832 im Rohrbach mit Bleichen, Färben und Drucken von Stoffen. Ihre Dampfzentrale zur Stromerzeugung arbeitete bereits 1908 nach dem modernen Prinzip der »Kraft-Wärme-Koppelung«. Das Areal beherbergt heute Handel, Gewerbe und Kultur.

14 - J.G. Ulmer Schwefel
Dornbirns Textilindustrie nahm ihren Ursprung im Schwefel, wo die Textilpioniere Ulmer und Salz-mann in der alten Schwefelmühle mit der mechanischen Erzeugung von Baumwolltextilien begannen. Ende des 19. Jahrhunderts übernahm F. M. Rhomberg die Anlagen, die heute vielseitig genutzt werden.

15 - Schaukraftwerk
Das Schaukraftwerk der ehemaligen Fa. F.M. Rhomberg im Forach ermöglicht den Einblick in die alte »Herzkammer der Energie«. Erst durch die fortschrittlichen Turbinen wurde die Industrialisierung wesentlich beschleunigt. Die neue Turbinenanlage erzeugt heute etwa 250.000 kWh Strom im Jahr.

Zanzenberg
Der Zanzenberg wurde durch den Textilfabrikanten Viktor Hämmerle im 19. Jahrhundert zum öffentlichen Aussichtsbalkon und Erholungsgebiet ausgebaut und diente vor allem deutschnationalen Veranstaltungen. Der Blick von hier zeigt, wie sich Gewerbe und Industrie entlang der Wasserläufe entwickelt haben.

Eröffnung der Stadtspuren

  • Sonntag, 7. Mai von 11 bis 16 Uhr
  • Inatura, Jahngasse 9
  • Bei der Station inatura/Rüsch-Werke erwartet Sie ein interessantes und buntes Programm mit Kurzführungen, speziellem Kinderprogramm, Buchpräsentation, Musik und Bewirtung zu Preisen wie damals.

Begleitband - Stadtspuren

  • Titel: Stadtspuren — Industrie und Wandel
  • Herausgeber: Klaus Fessler und Werner Matt
  • Verlag:  Stadtarchiv Dornbirn, ISBN 978-3-901900-62-4
  • Preis: 39 Euro
  • Umfang: 215 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.
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