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Auf dem Rad-Highway ist die Hölle los

Gasthaus Kramreiter, Eckartsau, an einem hochsommerlichen Sonntagnachmittag: Die Wirtin ist im Dauerstress, serviert hektoliterweise Getränke und balanciert Schnitzelteller im Akkord. Doch auch in den anderen verschlafenen Marchfelddörfern nördlich der Donau, in Stopfenreuth, Orth, Großenzersdorf und Schönau herrscht neuerdings rege Betriebsamkeit. Schengen sei Dank, denn seit es zwischen der Slowakei und Österreich keine Grenzen mehr gibt, ist auf dem Rad-Highway zwischen Bratislava und Wien die Hölle los.

Das Prinzip ist (aus Sicht des Wieners) denkbar einfach: Einfach den Hubertusdamm stromabwärts, die OMV-Anlagen in der Lobau umkurven und rauf auf den Marchfelddamm. Dieser schneidet kerzengerade durch die Donauauen, vorbei an malerischen Gewässern, Gemüsefeldern, dichten Wäldern und vereinzelt sogar Kühen (!). Hinweisschilder weisen den Weg in die Nationalparkgemeinden, die entlang des internationalen Radweges aufgefädelt sind. Wo früher die Dorfstraßen überdurchschnittlich breit erschienen, weil sämtliche Gehsteige hochgeklappt waren, tummeln sich heute Touristen aus vieler Herren Länder.

Im revitalisierten Schloss Orth, das nun Nationalparkzentrum ist, werden sogar “Slowakische Tage” veranstaltet, wo man ausgedehnte Führungen durch die Aulandschaft in slowakischer Sprache anbietet. In den Gasthöfen entlang der Strecke ist jedenfalls multilinguales Können gefragt, denn mittlerweile haben auch Franzosen, Italiener und Briten erkannt, dass östlich von Wien nicht alles endet, sondern vieles erst so richtig beginnt.

Wer sich irgendwo zwischen Reichsbrücke und Petrzalka den werktäglichen Stress aus den Gliedern strampelt, sollte sich auch ins Bewusstsein rufen, auf welch einzigartiger Strecke er unterwegs ist: Wien und Bratislava sind nur rund 60 Kilometer voneinander entfernt. Lediglich zwei andere Hauptstädte auf diesem Planeten liegen näher beieinander, nämlich Brazzaville und Kinshasa, die nur durch den vier Kilometer breiten Kongo getrennt sind.

Die Beliebtheit der einst durch den Eisernen Vorhang unterbrochenen Ost-West-Verbindung basiert auch auf der vortrefflich ausgebauten Zweirad-Piste. Nur die Querung der Donaubrücke bei Hainburg lässt, was Cyclisten-Komfort betrifft, einiges zu wünschen übrig. Genaue Aufzeichnungen über die Radler-Frequenz gibt es noch keine. Doch ein Blick auf die Verpflegungsstationen entlang des CO2-freien Verkehrsweges genügt: Da reiht sich Drahtesel an Drahtesel, während die dürstenden Pedalritter ihren Flüssigkeitsverlust ausgleichen.

Ungestörten “Grenzübertritt” gibt es bei Berg, wo das verwaiste Zollamt von einer umständlicheren Vergangenheit erzählt. Ein paar Kilometer später endet ein Städtetrip der anderen Art in der Altstadt Bratislavas. Dass man dort mit dem Servierpersonal problemlos auf Deutsch parlieren kann, sei den heimischen Gastronomen ebenso ins Stammbuch geschrieben wie den ÖBB die Tatsache, dass die Zugtickets am Hauptbahnhof von Bratislava zurück nach Wien wesentlich billiger sind als in die entgegengesetzte Richtung.

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