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ATV-Verkauf: Bundeswettbewerbsbehörde bei Freigabe "zuversichtlich"

Noch ATV-Eigentümer Herbert Kloiber und die ungewisse Zukunft des Senders
Noch ATV-Eigentümer Herbert Kloiber und die ungewisse Zukunft des Senders ©APA
Den Verkauf des österreichischen Privatsenders ATV an die deutsche ProSiebenSat.1-Gruppe erachtet der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde, Theodor Thanner, als durchaus möglich bzw. freigegeben, wenn auch "mit geeigneten Auflagen."

“Die vorgeschlagenen Auflagen der Zusammenschlusswerber erscheinen geeignet, die wettbewerbsrechtlichen Probleme und die Themen zur Medienvielfalt zu lösen”, heißt es in einer Mitteilung. Allerdings: “Eine einfache Freigabe des Zusammenschlusses ist nicht möglich da ProSiebenSat.1PULS4 erhöhte Marktanteile aufweist.”

Freigabe: Wettbewerbsbehörde bei ATV-Verkauf “zuversichtlich”

Die BWB bestätigte auch, dass gemeinsam mit dem Bundeskartellanwalt und der Medienbehörde KommAustria “umfangreiche Pränotifikationsgespräche” mit dem deutschen Fernsehkonzern gelaufen sind. Diese wurden nun beendet. Es wird erwartet, dass die formale Zusammenschlussmeldung nächste Woche erfolgt und wenige Tage später die Auflagen veröffentlicht werden.

Betriebsrat informierte Belegschaft

Der Abschluss des ATV-Verkaufs an die ProSiebenSat.1-Gruppe dürfte doch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich von Herbert Kloiber geplant. Der Betriebsrat des Privatsenders informierte Donnerstagnachmittag die Belegschaft nach APA-Informationen über entsprechende Aussagen des ATV-Eigentümers. “Nach einstimmigem Beschluss des Betriebsrats haben wir ATV-Eigentümer Dr. Kloiber ersucht zu den Verkaufsverhandlungen Stellung zu nehmen. Durch die Entwicklungen der letzten Tage, die ihr sicherlich in den Medien mitverfolgt habt, war es ihm jedoch nicht möglich zum Zeitpunkt des Verkaufs bzw. zum Käufer Angaben zu machen. Auch seine Erwartungen, nämlich ein schneller Abschluss des Verkaufs an die ProSiebenSat.1Puls 4-Gruppe, haben sich nun nicht erfüllt. Wir haben eine Zusage des Eigentümers uns auf dem Laufenden zu halten und werden die Beantwortung unserer Fragen mit Nachdruck weiterverfolgen”, heißt es in einem der APA vorliegenden Schreiben des Betriebsrats an die ATV-Mitarbeiter.

Der šsterreichische Fernsehmarkt
Der šsterreichische Fernsehmarkt

Kloiber: Verhandlungen mit ProSiebenSat.1 “im Zielkorridor”

Kloiber hatte die Verhandlungen mit ProSiebenSat.1 am Dienstag “im Zielkorridor” gesehen. “In den nächsten Tagen wird unterschrieben”, sagte Kloiber dem deutschen “Handelsblatt”. Der Münchner Filmhändler mit Wiener Wurzeln dürfte ursprünglich eine rasche “Sanierungsfusion” geplant haben. Zu dieser kommt es nun aber trotz grundsätzlich positiver Rückmeldung der Bundeswettbewerbsbehörde offenbar nicht. Hintergrund dürften die zahlreichen Interessensbekundungen an einer Übernahme des Senders der vergangenen Tage sein. “Österreich”-Herausgeber Wolfgang Fellner und “Heute”-Herausgeberin Eva Dichand hatten erklärte, Angebote für ATV legen zu wollen. Die Mediaprint, hinter der die “Kronen Zeitung” sowie der “Kurier” stehen, soll ein Angebot gemeinsam mit dem deutschen Privatsender RTL und der Funke-Mediengruppe bereits gelegt haben. Eine einfache Freigabe des Zusammenschlusses ist laut BWB jedenfalls nicht möglich, da ProSiebenSat.1-Puls 4 erhöhte Marktanteile aufweist. Nach Veröffentlichung der Auflagen für den Zusammenschluss soll dieser nun noch einem “Markttest” unterzogen werden.

ProSiebenSat.1 Nummer eins am Werbemarkt

Der Kauf von ATV durch die deutsche ProSiebenSat.1-Gruppe ist aus Wettbewerbssicht eine heikle Sache. Eine Zustimmung der Kartellbehörde ohne Auflagen galt schon im Vorfeld als ausgeschlossen, denn der Münchner Fernsehkonzern, zu dem auch Puls 4 gehört, ist am Werbemarkt schon jetzt die Nummer eins – und mit einem Marktanteil von über 36 Prozent nach dem Kartellgesetzes marktbeherrschend. Marktmacht ist in der Praxis schwer nachzuweisen. Das Kartellrecht sieht daher vor, dass ein potenzieller Marktbeherrscher ab einem Anteil von mindestens 30 Prozent am relevanten Markt beweisen muss, doch nicht marktbeherrschend zu sein.

Marktanteile: ProSiebenSat.1 36,6 Prozent, ATV 6,2 Prozent

Laut den Bruttowerbeumsätzen von Focus Media Research, die allerdings keine Preisnachlässe berücksichtigen, hatte ProSiebenSat.1-Puls 4 2016 einen Marktanteil von 36,6 Prozent und ATV einen von 6,2 Prozent. Der öffentlich-rechtliche ORF ist mit einem Anteil von 30 Prozent die Nummer zwei. IP, der Vermarkter der RTL-Gruppe, kommt auf 21,5 Prozent. Die weiteren Player sind der Vermarkter Goldbach (u.a. VIVA, DMAX, Comedy Central, Nickelodeon) mit 3,4 Prozent und Servus TV mit 1,9 Prozent. Am Sehermarkt sieht die Situation etwas anders aus. Im Gesamtpublikum (Zielgruppe 12+) ist der ORF mit 35,1 Prozent klar vor ProSiebenSat.1-Puls 4 mit 17,5 Prozent und ATV mit 3,1 Prozent. Selbst in der Werbezielgruppe der 12- bis 49-Jährigen ist der ORF laut Teletest noch knapp Marktführer mit 26,9 Prozent. Mit dem Kauf von ATV würde der Marktanteil von ProSiebenSat.1-Puls 4 in der Werbezielgruppe von 26,1 auf 30,3 Prozent und so den ORF überholen. In der Zielgruppe der 12- bis 29-Jährigen führt die ProSiebenSat.1-Gruppe schon ohne ATV.

Vergleiche zu Obi und Baumax, Zielpunkt

Dass es für große Marktplayer aber trotzdem möglich ist, Konkurrenten zu übernehmen, zeigt etwa ein Blick ins Jahr 2015. Damals genehmigte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) der zweitgrößten heimischen Baumarktkette Obi, den größten Konkurrenten, die strudelnde Heimwerkerkette Baumax zu übernehmen. Auch bei der Zielpunkt-Pleite kamen die zwei Branchenriesen Spar und Rewe (u.a. Billa, Merkur, Penny) unter Auflagen zum Zug. In beiden Fällen waren die Übernahmeziele in argen Turbulenzen.

“Sanierungsfusion” dürfte nicht kommen

ATV schreibt ebenfalls laufend hohe Verluste. Eine in der Judikatur vorgesehene einfache und rasche “Sanierungsfusion” dürfte aber nicht kommen, da sich neben ProSiebenSat.1 zuletzt auch andere ernsthafte Interessenten für ATV gemeldet haben. Dazu kommt, dass Zusammenschlüsse im Mediensektor besonders genau geprüft werden. Das Kartellgesetz sieht für Medienzusammenschlüsse eigene Bestimmungen vor. So müssen Zukäufe schon ab einer viel niedrigeren Umsatzschwelle bei der BWB angemeldet werden und in Paragraf 13 heißt es wörtlich: Ein Medienzusammenschluss ist auch dann zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss die Medienvielfalt beeinträchtigt wird.

(APA/Red.)

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