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Asyl: Einigung bei Durchgriffsrecht - Asyl-Quote für säumige Länder

Durchgriffsrecht: Klubchefs gehen von Inkrafttreten mit 1. Oktober aus
Durchgriffsrecht: Klubchefs gehen von Inkrafttreten mit 1. Oktober aus ©APA
Schwarzach, Wien. SPÖ, ÖVP und die Grünen haben sich auf ein Verfassungsgesetz für ein Durchgriffsrecht bei der Unterbringung von Asylwerbern geeinigt. Damit soll der Bund in den Gemeinden - auch gegen deren Willen - selbst Unterkünfte errichten können. Zudem ist eine Quote für Gemeinden in Relation zur Wohnbevölkerung vorgesehen. Während die Einigung in Vorarlberg von SPÖ, Grünen und NEOS begrüßt wird, ist die FPÖ, wie auf Bundesebene, "strikt dagegen".

Die Quote für Gemeinden bei der Unterbringung für Asylwerber soll 1,5 Prozent betragen. Das sieht der Entwurf für das neue “Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden” vor, der am Montag bei einer Pressekonferenz präsentiert wurde. Die Klubchefs von SPÖ, ÖVP und Grüne gehen davon aus, dass die neue Regelung mit 1. Oktober in Kraft tritt.

Gelten soll das Durchgriffsrecht des Bundes nur für Länder, die bei der mit dem Innenministerium vereinbarten Quote säumig sind, betonte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Dann kann das Innenministerium im Schnellverfahren Grundstücke, die im Eigentum des Bundes oder diesem zur Verfügung stehen ohne vorheriges Verfahren mit Bescheid zur Nutzung freigeben. Schieder hofft dadurch, menschenwürdige, winter- und wetterfeste Unterkünfte für Flüchtlinge schaffen zu können.

Lopatka: Gegenseitiges Ausspielen hilft niemandem

“Wir brauchen einen nationalen Schulterschluss”, appellierte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka an Bund, Länder und Kommunen, denn: “Ein gegenseitiges Ausspielen hilft hier niemandem.” Lopatka geht davon aus, dass das Gesetz nur in Ausnahmesituationen zur Anwendung kommt – da es ja auch nur dafür vorgesehen sei. Vorgefühlt hat der ÖVP-Klubchef laut eigener Aussage auch schon beim Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Oberösterreichs Josef Pühringer (ÖVP).

Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die mit ihrer Partei dem Gesetz zur nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit verhilft, zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der Einigung. “Es ist ein Gesetz, das sowohl einen Anreiz darstellt, als auch einen gewissen Druck ausübt”, fand sie. Das Innenministerium könne dadurch rasch handeln. Erfreut zeigte sich Glawischnig auch über die vorgesehene Steigerung der Tagessätze für Asylwerber auf bis zu 21 Euro.

NEOS begrüßen “überfälliges Verfassungsgesetz”

Die NEOS begrüßen die Einigung auf das Verfassungsgesetz bezüglich Durchgriffsrecht zur Schaffung von Asylquartieren. Dieses sei “längst überfällig”, stellte Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak in einer Aussendung fest. Zwar erzielen SPÖ und ÖVP gemeinsam mit den Grünen die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Beschluss. Im Nationalrat wird die pinke Fraktion der Bestimmung aber auch zustimmen, hieß es gegenüber der APA.

FPÖ will Volksabstimmung beantragen

Die FPÖ hat anschließend an die Bekanntgabe einen Antrag auf Volksabstimmung zum Durchgriffsrecht des Bundes gegenüber den Ländern und Gemeinden zur Schaffung von Asylquartieren angekündigt. Es sei “ungeheuerlich, diese bevölkerungsfeindliche Maßnahme einfach im Parlament durchpeitschen zu wollen”, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zur Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen.

Mit Brachialgewalt versuche man jetzt, den Gemeinden und Bezirken gegen ihren Willen Zwangsquoten zu verordnen. Das sei eine Politik der Entmündigung der Bürgermeister und der Bevölkerung, meinte Strache in einer Aussendung.

Mikl-Leitner sieht in Verfassungsgesetz “wesentlichen Beitrag”

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht im vorgestellten Verfassungsgesetz für ein Durchgriffsrecht bei der Unterbringung von Asylwerbern einen “wesentlichen Beitrag”. “Besser spät, als nie”, erklärte die Ressortchefin nach der Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen in einer Aussendung. Die Bestimmung werde “keine Dauereinrichtung”.”Leider wurde unser Vorschlag vor mehr als zwei Monaten noch abgelehnt, sonst wären wir heute schon weiter”, stellte Mikl-Leitner fest. Die Verfassungsbestimmung könne nun ein “wesentlicher Beitrag” dazu sein, die angespannte Situation im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zu entschärfen. Für jene, denen etwas an einer vernünftigen Flüchtlings-Unterbringung liege, sei diese “besonnene Einigung” zu begrüßen, so die Ministerin.Das Innenministerium werde damit keine Dauereinrichtung schaffen, versicherte sie. Ziel müsse nach wie vor sein, dass die Bundesländer aus eigener Kraft die Flüchtlinge unterbringen. Die “Hilfsverordnung” werde nur angewendet, um vorübergehende Ausgleichsquartiere zu schaffen. Dies erfolge nur in jenen Ländern, die Probleme haben, genügend Quartiere zu schaffen. Nun soll das Innenministerium “endlich eine rechtliche Grundlage” haben, um zu handeln.

Klubchefs gehen von Inkrafttreten mit 1. Oktober aus

Noch am Montag wurde der Gesetzesentwurf an die anderen Parlamentsparteien übermittelt. Angedachter Termin für die Sondersitzung des Nationalrats ist der 1. September. Nach einem Sonderverfassungsausschuss könnte die Materie schließlich am 23. September zur zweiten Lesung gelangen, was ein Inkrafttreten am 1. Oktober ermöglichen würde. Außer Kraft treten soll das Gesetz übrigens am 31. Dezember 2018.

Durchgriffsrecht: Stimmen aus Vorarlberg

Nina Tomaselli (Grüne): Wird “Situation der Flüchtlinge verbessern”

“Das Durchgriffsrecht ist meiner Meinung nach ein konstruktiven Vorschlag, der die Situation der Flüchtlinge in Österreich verbessern wird. Denn es braucht Lösungen, damit in Österreich nicht einfach 3000 Menschen obdachlos herumsitzen, wie es in Traiskirchen der Fall ist”, so Nina Tomaselli, stellvertretende Klubobfrau der Grünen im Vorarlberger Landtag, auf VOL.AT-Nachfrage.

Reinhold Einwallner (SPÖ): “Freiwillig hat es ja nicht funktioniert”

“Es ist gut, dass es in Österreich jetzt ein Lösung gibt, wie die Flüchtlinge auf die verschiedenen Gebiete verteilt werden. Mit dieser gesetzlichen Möglichkeit werden die Flüchtlinge gleichmäßig aufgeteilt – freiwillig hat es ja nicht funktioniert. Es ist schwierig eine Zahl zu nennen, wieviel noch kommen werden. Hinter jedem Flüchtling steht ein menschliches Schicksal. In Vorarlberg erfüllen wir die Quote derzeit. Minister Kurz sollte endlich ins Handeln kommen, wegen der Aufteilung auf europäischer Ebene”, meinte der Vorarlberger SPÖ-Landtagsabgeordnete Reinhold Wallner.

Dieter Egger (FPÖ): Massiver Eingriff in Autonomie der Gemeinden

“Meine Haltung ist klar: Ich bin strikt und eindeutig dagegen. Das Gesetz ist ein massiver Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie der Gemeinden. Die Aufnahme von Flüchtlingen über die Köpfe der Gemeinden zu entscheiden, funktioniert nicht. In der Konsequenz bedeutet das Gesetz: Irgendjemand am Schreibtisch in Wien bestimmt über die Aufnahme, obwohl diese vor Ort stattfindet.” Und: Dass die Befürworter sagen würden, freiwillig funktioniere die Aufnahme von Flüchtlingen nicht, “zeigt nur wie schwierig es ist, Quartiere zu finden. Die Bürgermeister bemühen sich jetzt schon darum. Wenn die FPÖ eine Volksabstimmung initiiert, begrüße ich das, weil dann die Bevölkerung gefragt wird und mitbestimmen kann”, betont der Vorarlberger Klubobmann der FPÖ, Dieter Egger.

Sabine Scheffknecht (NEOS): “In Vorarlberg sind wir auf einem guten Weg”

“Wir NEOS begrüßen grundsätzlich das Durchgriffsrecht des Bundes, speziell in Bundesländern, die nach wie vor säumig sind bzw. ihre Quote nicht erfüllen. In Vorarlberg sind wir auf einem guten Weg, so dass wir davon ausgehen, dass das Durchgriffsrecht in Vorarlberg nur in Ausnahmefällen schlagend werden wird. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung gegenüber Menschen in Not, die leider auch hier in Österreich nicht überall menschenwürdig untergebracht sind. In Vorarlberg funktioniert das relativ gut, auf Bundesebene sehen wir aber großen Handlungsbedarf. Ein Regierungsbeauftragter, der professionell die Gesamtverantwortung übernimmt, ist aus unserer Sicht die beste Lösung”, so Sabine Scheffknecht, Obfrau der Vorarlberger NEOS am Montag gegenüber VOL.AT.

LH Markus Wallner: Nicht über Gemeinden drüberfahren

Da Vorarlberg die Quote derzeit erfülle, bestehe im Ländle aktuell keine Anwendung für das Durchgriffsrecht, erläutert Vorarlbergs Landeshauptmann. Er akzeptiere das neue Gesetzt. Gleichzeitig beäugt Wallner den Umgang des Bundes mit den Gemeinden kritisch und meint mahnend: “Wenn über die Gemeinden drübergefahren wird, werden wir das nicht akzeptieren.” Mehr…

Johannes Rauch (Grüne): “36 Gemeinden hier im Land, die keine Flüchtlinge wollen”

“Mit dem Durchgriffsrecht ist es gelungen, Anreize zur Bereitstellung menschenwürdiger Quartiere für Flüchtlinge und Schutzbedürftige zu schaffen und Konsequenzen bei Verweigerung durchzusetzen“, begrüßt der grüne Landesrat Johannes Rauch das neue Gesetz. Da die Flüchtlinge auch in Vorarlberg unverhältnismäßig verteilt sind, sei es wichtig, dass jene Gemeinden herangezogen werden, die die Quote von 1,5 Prozent nicht erfüllen, so Rauch. Und erläutert: “Während Bludenz unangefochten der Spitzenreiter unter den Bezirken ist, hält sich der Bezirk Dornbirn immer noch zu sehr zurück. Auch wenn Vorarlberg die Flüchtlingsquote mehr oder minder einhält, gibt es 36 Gemeinden hier im Land, die keine Flüchtlinge wollen. Vor allem Gemeinden, die bereits Flüchtlinge aufgenommen haben, sind bereit, mehr Flüchtlinge bei sich auf zu nehmen.” Das bedeute nicht, die Gemeinden nicht vorab zu informieren, sondern, “dass auf säumige Gemeinden in Vorarlberg endlich Druck ausgeübt werden könne.”

Daneben fordert Rauch eine regionale Koordination, die klarstelle, dass Hilfsangebote aus der Bevölkerung auch ankommen. Die in Wien gegründete Plattform zur Flüchtlingshilfe sei auch für Vorarlberg durchswegs als sinnvoll anzusehen.

Irritiert zeigt sich Rauch indes ob der Ankündigung Eggers, die von der Bundes-FPÖ initiierte Volksabstimmung unterstützen zu wollen: “Im Juli-Landtag gab der Vorarlberger Freiheitlichen-Klubobmann noch seine Zustimmung für die Änderung des Baugesetzes, die vorsieht, dass bestimmte Quartiere ohne Genehmigungsverfahren der Gemeinden zur Verfügung gestellt werden können. So können Quartiere rascher für Flüchtlinge bereitgestellt werden. Nun verschanzt sich Egger plötzlich hinter der Gemeindeautonomie.”

(red/APA)

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