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aqua forum in Frastanz

Podiumsdiskussion: Man war sich einig: Modell zur Integration der bisherigen Invaliditätspensionisten macht Sinn
Podiumsdiskussion: Man war sich einig: Modell zur Integration der bisherigen Invaliditätspensionisten macht Sinn ©TM Hechenberger
Invaliditätspension Neu: Ländle-Modell zur Integration.
8. aqua forum Frastanz

 

Ein brisantes Thema aufgegriffen und eine Lösung vorbereitet hat die aqua mühle frastanz gemGmbH beim 8. aqua fourm gestern im Frastanzer Adalbert Welte Saal: Mit Jahresbeginn 2014 wird in Österreich die befristete Invaliditätspension für Menschen unter 50 Jahren abgeschafft. Österreichweit sind davon gut 15.000 Personen betroffen. Sie sollen nach entsprechender Rehabilitation wieder in den Arbeitsprozess integriert werden. Wie das funktionieren soll, dazu wird jetzt in Vorarlberg ein Modell entwickelt.

“Wer rehabilitiert die Wirtschaft?” – unter diesem Titel stand das 8. aqua forum, zu dem gestern Vormittag über 200 Interessierte in den Frastanzer Adalbert Welte Saal gekommen sind. Mit der Änderung der Invaliditätspension werden auch in Vorarlberg hunderte Betroffene mit verschiedenen Behinderungen in den Arbeitsmarkt drängen: Aber wie kann und soll die heimische Wirtschaft die damit verbundenen Herausforderungen meistern?

In einem sehr bewegenden Einleitungsstatement nahm blinde Schauspieler und Musiker George Nussbaumer die Antwort vorweg: Er habe oft genug erlebt, dass man ihm sagte, was er aufgrund seiner Behinderung NICHT kann. Es müsse aber im Gegenteil – und nicht nur im Umgang mit Behinderten – darum gehen, was jemand kann und gerne macht.

Damit traf er auch die Kernbotschaft von Zukunftsforscher Prof. Peter Zellmann, der mit seinem Referat über den seit den 1970er-Jahren stattfindenden Wandel der Arbeitswelt von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft begeisterte. In Zukunft, so Zellmann, werde Wertschöpfung immer weniger aus der Produktion und immer mehr über Dienstleistungen erzielt. Und hier zähle zum Beispiel nicht auswendiggelerntes schulisches Wissen – das man sich heute leicht “ergooglen” kann – sondern die Fähigkeit, menschlich miteinander umzugehen. Basis für erfolgreiche Dienstleistung ist die Freude am Beruf und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Eine engagierte Raumpflegerin, die für Reinlichkeit und Wohlfühlambiente in einem Fitnesszentrum sorgt, bleibe unersetzbar. In der produzierenden Industrie dagegen wird immer mehr rationalisiert, werden effizientere Maschinen eingesetzt oder Jobs überhaupt von Robotern erledigt.

Prof. Zellmann zeichnet aber keine düstere Zukunft, sondern sieht in dieser Entwicklung durchaus Chancen. Er erinnerte auch daran, dass sich nicht zuletzt durch die Rationalisierung der Industrie die durchschnittliche Arbeitszeit in Europa von78 Stunden auf unter 40 Stunden pro Woche reduziert hat. Überhaupt verbringt der Mensch nur 14 Prozent seiner Lebenszeit mit Arbeit – 33 Prozent mit Schlaf und 53 Prozent ist Freizeit. Dennoch werde den Menschen täglich suggeriert, dass ihr Leben aus Arbeit bestehe. “Leben Sie, um zu arbeiten? Oder arbeiten sie, um zu leben?” fragte der Referent das interessierte Publikum. Der moderne Mensch des Dienstleistungszeitalters bevorzuge jedenfalls das Letztere und lege immer mehr Wert darauf, Arbeit ganzheitlich als einen Teil seines Lebens anzusehen.

UnternehmerInnen müssen angesichts des demographischen Wandels und des damit zusammenhängenden Arbeitskräftemangels darauf reagieren und darauf schauen, dass ihre Mitarbeiter wieder Freude an der Arbeit und das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun. Dazu gehört, dass auf die Fähigkeiten und Neigungen des Einzelnen eingegangen wird, dass Belastungsgrenzen erkannt werden, dass wertschätzend miteinander umgegangen wird.

Aus den Herausforderungen, die sich durch die Änderung der Invaliditätspension ergeben, könne ein Modell geschaffen werden, das weit über diese Problemlösung hinausgeht: Mit jedem einzelnen bisherigen Invaliditätspensionisten soll demnach genau abgeklärt werden, was er kann (nicht, was er NICHT kann!), was er gerne und gut macht und welche Arbeitszeit möglich ist. Firmen, die bereit sind, solche WiedereinsteigerInnen aufzunehmen, wird fachliche Unterstützung – etwa durch aqua mühle frastanz und andere kompetente Institutionen – geboten und auch finanzielle Förderung gewährt.

Prof. Zellmann ist überzeugt, dass mit diesem Modell auch ein Großteil der bisher als arbeitssuchend vermerkten Menschen wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden könnten.

Anton Strini, Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice AMS Vorarlberg, berichtete in der nachfolgenden Podiumsdiskussion, dass die notwendigen Mittel dafür vom Bund bereitgestellt würden – schließlich erwartet man sich durch die Neuregelung der Invaliditätspension eine Kostenreduktion von 700 Millionen Euro jährlich.

Landesstatthalter Mag. Karlheinz Rüdisser seinerseits sicherte zu, dass das Land ebenfalls bereit ist, ein solches Modell zu unterstützen: Zumal man im Bemühen um Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit mit dieser Strategie der individuellen Beratung und Qualifizierung sehr positive Erfahrungen gemacht hat. Vertreter der Firmen Getzner Textil (Personalchefin Dr. Brigitte Birnleitner), Gebrüder Weiss (Geschäftsführer Mag. Heinz Senger-Weiss) und Rondo (Personalleiter Mag. Günter Wehinger) signalisierten ebenfalls sehr deutlich ihre prinzipielle Bereitschaft, Arbeitsplätze für Menschen mit besonderen Bedürfnissen bereitzustellen.

Ob das Ländle-Modell den durchschlagenden Erfolg erzielen kann, den man ihm nach diesem sehr positiv stimmenden aqua forum wünscht, ist natürlich ungewiss. Aber: “Die Zukunft lässt sich nicht exakt voraussagen, aber Zukunft kann man weitgehend selber mitgestalten”, meinte Zukunftsforscher Prof. Zellmann. Auf den Punkt gebracht hat es auch George Nussbaumer, der an den seinerzeit nicht immer gern gehörten Spruch seiner Mutter am Mittagstisch erinnerte: “Du musst nicht alles aufessen, aber probieren musst du es!”

 

Quelle: TM Hechenberger
 

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