Mit "Annette" legte er gleich zur Eröffnung der 74. Filmfestspiele von Cannes einen der außergewöhnlichsten Filme des Festivals vor. Am Ende gewann Leos Carax die Auszeichnung für die Beste Regie. Dazwischen lagen viele Diskussionen zwischen Fans und Kritikern dieses Filmmusicals, das die herkömmlichen Genremittel immer wieder unterläuft. Ab Donnerstag können sich die österreichischen Filmfreunde nun persönlich im Kino eine Meinung bilden.
Annette - Kurzinhalt zum Film
Leos Carax war das Enfant terrible des französischen Films. Mit "Boy Meets Girl" (1984), "Die Nacht ist jung" (1986) und "Les Amants du Pont-Neuf" (1991) erreichte er früh große Popularität. Heute ist er 60 und kann aus dem Vollen schöpfen. Für seinen sechsten Spielfilm, gleichzeitig seine erste englischsprachige Produktion, hatte er eine absolute Starbesetzung zur Verfügung: Adam Driver, in den vergangenen zwei Jahren jeweils oscarnominiert, und Marion Cotillard, für ihre Darstellung der Edith Piaf in "La vie en rose" oscargekrönt, spielen das in Los Angeles lebende VIP-Traumpaar Henry und Ann.
Henry McHenry ist ein Stand-Up-Comedian, der mit seinen im Kapuzenbademantel absolvierten grotesk-bösen Soloshows Tausende in den Bann zieht, Ann Defrasnoux eine gefeierte Sopranistin, die auf den Opernbühnen der Welt zu Hause ist. Das Paar, das es auf ganz unterschiedliche Weise versteht, mit Kunst Emotionen zu wecken, heiratet. Das gemeinsame Kind wird vom Vater ebenfalls ins Showbiz gedrängt und schließlich als "Baby Annette" selbst zum Superstar, das singend sogar die Schwerkraft überwinden kann.
Annette - Die Kritik
"Annette" ist ein verrückter Stilmix aus Thriller, Melodram und Popoper. Carax schrieb das Drehbuch zusammen mit Ron und Russell Mael von der US-Band Sparks, von denen auch die Musik stammt. Der Film bedient die jeweiligen Mechanismen, macht sich gleichzeitig aber lustig über sie, indem er sie überdreht und auf die Spitze treibt. Dem Entertainer wird seine dunkle, dämonische Seite, die auf der Bühne für Nervenkitzel sorgt, zum Verhängnis. Seiner Frau hilft dann auch der mit Inbrunst gesungene und oftmals wiederholte Refrain "We love each other so much" nichts. Baby Annette ist Zeugin - und enthüllt das Geheimnis live vor einem Millionenpublikum in der Pausenshow des Superbowl.
Der Clou: Baby Annette ist die längste Zeit als Puppe und Marionette deutlich erkennbar und wird erst ganz zum Schluss zum Wesen aus Fleisch und Blut. Das erleben freilich nur noch jene Zuschauer, die sich nicht an jene Aufforderung halten, die schon im Vorspann ergeht: Man möge bitte davon Abstand nehmen zu singen, zu lachen, zu klatschen, zu weinen, zu gähnen, zu buhen oder zu furzen. Weiters sei daran erinnert, "dass das Atmen während der Aufführung keinesfalls toleriert wird. Also nehmen Sie nun bitte einen letzten tiefen Atemzug!"
(APA/Red)
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