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AMS-Chef: "Niemand weiß, wie man Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft"

AMS-Chef Johannes Kopf: Nur (Aus)Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit.
AMS-Chef Johannes Kopf: Nur (Aus)Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit. ©APA/HANS KLAUS TECHT
AMS-Chef Johannes Kopf sieht Bildung und Ausbildung als einzige Chance gegen Arbeitslosigkeit. Für Langzeitarbeitslose hat er kein Patentrezept.

Seit fast drei Jahrzehnten sei die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Universitätsabschluss nahezu unverändert niedrig, ebenso bei Absolventen berufsbildender höherer Schulen wie HTL oder HAK, aber auch bei Leuten mit Lehrabschluss, sagte Kopf. Hingegen sei die Arbeitslosigkeit von Menschen, die höchstens einen Pflichtschulabschluss haben, im gleichen Zeitraum von 9 auf 25 Prozent gestiegen. “Und das, obwohl wir das Land mit einer Ausbildungsgarantie sind”, so Kopf.

Lehrabschluss als Chance

Darum bilde das AMS auch Jugendliche aus, die sonst keine Lehrstellen finden würden. “Das AMS bringt mehr als 30.000 Personen im Jahr von einem Pflichtschulabschluss zu einem Lehrabschluss.” Jeder zweite Lehrling schaffe es nach einem Jahr, von einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung auf eine ordentliche Lehrstelle zu wechseln. “Das heißt, wir schaffen es, denen, die vorher keine Lehrstelle kriegen konnten, in einem Jahr Lesen, Schreiben, Rechnen und Grüßen beizubringen.”

Ein Drittel der Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose

Ein weiteres großes Problem sei die Langzeitarbeitslosigkeit, sagte Kopf. “Etwa ein Drittel unserer Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose, die länger als ein Jahr ohne Arbeit sind.” Diese Menschen würden von Firmen nicht gerne angestellt, gerade deshalb, weil sie schon so lange keinen Job gefunden hätten. Als AMS-Chef sei er in engem Austausch mit Arbeitsmarktverwaltungen in anderen Ländern, aber “eigentlich weiß niemand wirklich, wie man Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft”.

Die “Aktion 20.000” sei zwar erfolgreich gewesen, weil sie Menschen Arbeit gebracht habe – das sei aber nicht weiter verwunderlich, “wenn man Jobs macht, die man zu 100 Prozent öffentlich finanziert”. Die beste Methode sei wohl, Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen. “Mir ist lieber, vier Personen sind drei Monate arbeitslos, als einer ein Jahr.”

Zu hohes Arbeislosengeld

Dem Vorschlag von Agenda-Austria-Leiter Franz Schellhorn, einen Anreiz zur rascheren Wiederaufnahme von Arbeit zu schaffen, indem man nach dänischem Vorbild zu Beginn der Arbeitslosigkeit eine höhere Arbeitslosenentschädigung bezahlt und diese dann stufenweise senkt, kann Kopf durchaus etwas abgewinnen. Die derzeitige Stufe zwischen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, die etwa 10 Prozent betrage, sei nicht sehr wirkungsvoll. “Aber ich glaube, das liegt daran, dass der Wechsel zwischen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe relativ spät ist.” Er halte eine Stufe nach drei Monaten für sinnvoll, “weil das volkswirtschaftlich die Zeit ist, die man sich nehmen sollte, um einen möglichst idealen Job zu finden”.

Auch bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer habe Österreich noch Potenzial, sagte Kopf. Während junge Menschen auf Grund der demographischen Entwicklung heute bessere Chancen hätten als früher, hätten es Menschen über 50 nach wie vor schwer am Arbeitsmarkt, auch wenn sich ihre relative Position heuer nicht weiter verschlechtert habe. Die Beschäftigungsquote von 55- bis 64-Jährigen habe sich zwar von früher 27 auf heute 51 Prozent erhöht, aber im EU-Vergleich sei man damit noch immer recht weit hinten. Der EU-Schnitt betrage 57 Prozent, das Nachbarland Deutschland komme auf 70,1 Prozent und “das große Vorbild” Schweden gar auf 76 Prozent.

Einkommensunterschiede zwischen Jungen und Alten zu groß

“Wir schicken Menschen in Pension, obwohl es ausreichend Arbeit gibt”, so Kopf, das Anreizsystem müsse daher geändert werden. Die Sozialpartner hätten es nicht geschafft, die Seniorität – also die Einkommensunterschiede zwischen jungen und älteren Arbeitnehmern – flacher zu machen, erklärte Kopf. Deshalb sollte man doch über die Idee nachdenken, diese Unterschiede über die Sozialversicherungsabgaben zu verringern, diese also für Jüngere höher anzusetzen als für Ältere.

Im Vorjahr sei die Beschäftigung in Österreich um 68.000 Menschen gestiegen, berichtete Kopf, das sei eine sehr gute Zahl. Heuer werde man etwa 58.000 mehr Menschen am Arbeitsmarkt haben, die Beschäftigung sei um 86.000 gestiegen. Insgesamt seien im Zeitraum 2010 bis 2017 400.000 Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt gekommen, das sei eine enorme Zahl, gemessen an den rund 3,7 Millionen Beschäftigten. 320.000 dieser Menschen waren Ausländer. “Die Frage, ob wir ein Zuwanderungsland sind oder nicht, ist hier zumindest beantwortet.” Die Rot-Weiß-Rot-Card sei zwar für manche Betriebe wichtig und es werde viel darüber diskutiert, sie sei aber insgesamt vergleichsweise unbedeutend. “Über die Rot-Weiß-Rot-Card lassen wir im Jahr ungefähr 2.000 Personen zu.”

(APA/red)

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