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Alternativen mit Wertehaltung

Beim Frühstück bot sich die Gelegenheit, mit Christian Felber und Florian Kasseroler über Ziele und Werte der Gemeinwohlökonomie zu plaudern.
Beim Frühstück bot sich die Gelegenheit, mit Christian Felber und Florian Kasseroler über Ziele und Werte der Gemeinwohlökonomie zu plaudern. ©Elke Kager Meyer
Welche Chancen bringt die Gemeinwohlökonomie für Gemeinden? Christian Felber und der Nenzinger Bürgermeister Florian Kasseroler im Gespräch.

Herr Felber, die Gemeinden Nenzing und Mäder erhielten als erste österreichische Gemeinden ihre Zertifikate für die Beteiligung an der Gemeinwohlökonomie überreicht. Sind die beiden Gemeinden „Musterschüler“?

Christian Felber: Wir haben noch keinen Vergleich. Sie sind aber auf alle Fälle Vorreiter und das erfordert Mut und Freiheit – und beides haben diese Gemeinden.

Was bringt die Gemeinwohlökonomie einer Gemeinde?

Florian Kasseroler: Egal welche Fehlentwicklung – ob Klimawandel, die Flüchtlingsthematik oder wirtschaftliche Themen – sie verdichten sich auf Gemeindeebene und kommen zuerst dort an. Ich sehe das als Recht und Pflicht, sich als Gemeinde einzumischen. Die Gemeinwohlökonomie gibt uns den Anlass, das, was wir tun, sehr genau zu analysieren und zu sehen, was wir positiv gestalten und wo Luft nach oben ist. Auch von Seiten des Landes wird das Projekt gefördert.

Ist für Gemeinden die Umsetzung dieser Werte schwieriger als für Betriebe?

Christian Felber: Das kann man so nicht sagen. Sicherlich, Gemeinden sind komplexer als Betriebe, dadurch ist auch der Prozess komplexer. Sowohl Betriebe als auch Gemeinden sind jedoch Organisationen und es zählt, wie gut aufgestellt diese sind.

Ihr Resümee nach der Zertifikats-Verleihung?

Christian Felber: Die Rückmeldungen, die ich bekommen habe, sind sehr ermutigend. Es geht um das Verstehen, Erfassen und Durchringen der verschiedenen Themen und in Folge um das Erkennen der Werte. Der Abend selbst war sensationell und stieß auf starke Resonanz. So konnten Gäste aus ganz Vorarlberg, aber auch Bayern und Südtirol begrüßt werden. Aus dem Verbund der Zukunftsorte wird sicherlich ebenfalls die eine oder andere Gemeinde die Idee der Gemeinwohlökonomie aufgreifen. Ich bin überzeugt, dass die Veranstaltung einen Schub auslösen wird. Vielleicht kann Vorarlberg auch eine Gemeinwohlregion werden oder die Idee in Landesbetrieben umsetzen.

Die Idee der Gemeinwohlökonomie zieht immer größere Kreise. Wo sehen Sie sich auf dem Weg zum Ziel?

Christian Felber: Die Vision wird immer klarer. Mein jüngstes Buch wurde auf der Frankfurter Buchmesse ausgezeichnet und erscheint in Englisch – das ist ein seltener Erfolg. Die Idee selbst ist entwicklungsoffen. Es geht nicht um eine Schablone `so wird die Welt besser´, sondern darum, Alternativen aufzuzeigen und dies mit möglichst vielen Akteuren. Wichtig ist mir dabei, die Beteiligten nicht zu überfordern, sondern einzelne Schritte zu gehen und zu zeigen, was der nächste Schritt bewirken könnte.

Macht es stolz, hier Vorreiter zu sein?

Florian Kasseroler: Es geht in erster Linie nicht um die Auszeichnung, sondern um den Weg, den man geht. Stolz bin ich auf das tolle Engagement meiner Mitarbeiten, das sie bei der Bestandsaufnahme in den vergangenen Monaten gezeigt haben. Die nächste Aufgabe ist, die Werte der Gemeinwohlökonomie in die politischen Entscheidungsprozesse mit einfließen zu lassen. 

 

Nenzing und Mäder als Vorreiter

Nicht die Vermehrung von Geldkapital, sondern das gute Leben für alle – das ist ganz kurz erklärt das Ziel der Gemeinwohl-Ökonomie. In Vorarlberg setzen sich immer mehr Unternehmer mit diesem Wertewandel in der Wirtschaft und den damit verbundenen Grundhaltungen auseinander. Nenzing und Mäder sind die ersten Gemeinden Österreichs, die sich der Gemeindwohlökonomie verpflichten. Wie Werte, wie etwa die Menschenwürde und die ökologische Verantwortung umgesetzt werden, wird in einer Gemeinwohl-Matrix erfasst und laufend weiter entwickelt. Als Ausgleich für überdurchschnittliche Leistungen zum Gemeinwohl sollen Gemeinwohl-Unternehmen rechtliche Vorteile bei Steuern, Krediten und öffentlichen Aufträgen erhalten. Infos zum Projekt: http://vorarlberg.gwoe.net

 

Zur Person

Christian Felber ist Tänzer, freier Publizist, international gefragter Referent, Autor und Universitätslektor in Wien. Er war Mitbegründer von Attac Österreich t und initiierte 2010 die internationale Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung sowie das Projekt „Bank für Gemeinwohl“. Auch sein aktuelles Buch „Ethischer Welthandel – Alternativen zu TTIP, WTO & Co“, erweist sich als Bestseller.

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