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"Als ich den Räuber sah, bin ich aus dem Auto und auf ihn los"

Couragiert stellte Christoph Bösch einen Gauner und wurde dafür angezeigt.
Couragiert stellte Christoph Bösch einen Gauner und wurde dafür angezeigt. ©APA, privat
Szenen wie im Film in Wien: Der gebürtige Lustenauer und Tankstellenbesitzer Christoph Bösch stellt nach einem Überfall den Gauner – die Polizei zeigt ihn wegen Lärmerregung an. W&W spricht mit dem couragierten Unternehmer.

von Joachim Mangard/Wann & Wo

Christoph Bösch (56) kann es immer noch nicht glauben und zeigt sich gegenüber WANN & WO fassungslos und enttäuscht, vor allem von der Exekutive. „Mir geht es nicht um die Strafe von 50 Euro. Aber es geht ums Prinzip. Ich weiß, die Polizei rät ab, selbst aktiv zu werden. In diesem Moment habe ich aber keine Sekunde nachgedacht und einfach gehandelt. Ich wusste, dass ich nur eine Chance habe und wollte den Überraschungseffekt nutzen“, erzählt der Besitzer von acht Wiener Tankstellen in breitestem Lustenauer Dialekt.

Rund 20 Überfälle auf seine Tankstellen

Ende Jänner wird seine Turmöl-Tankstelle in Hernals von einem Mann in auffälliger Camouflage-Pelzkragen-Jacke überfallen. Der mit einer Pistole bewaffnete Täter, ein Mann aus dem Irak, wechselt während des Überfalls ein paar Worte mit dem Beschäftigten und flüchtet mit einer Beute von ein paar hundert Euro. Kameraaufzeichnungen, die WANN & WO vorliegen, zeigen den Raub. Zwei Tage später muss wieder eine Filiale von Bösch dran glauben, dieses Mal in Meidling – derselbe Täter, dasselbe Outfit. Für den Tankstellenbesitzer ist das nicht neu, er spricht von rund 20 Überfällen auf seine Betriebe. „Jeder Raub ist schrecklich und ist gerade für die Opfer eine zutiefst emotionale Erfahrung. In diesem Fall kam wenigstens körperlich niemand zu Schaden, Der Iraker sprach mit meinen Angestellten und beruhigte sie, dass ihnen nichts passieren werde. Er befände sich in einer ausweglosen Situation, sei Vater eines kleinen Kindes und hätte keinen Ausweg mehr gewusst. Ich möchte keinesfalls die Tat schön reden, diese gehört bestraft. Aber ich kann die Beweggründe des Mannes zumindest nachvollziehen“, zeigt sich der wehrhafte Unternehmer, den es nach Abschluss seines Studiums in der Bundeshauptstadt hielt, barmherzig. Dass dies nicht nur leere Worte sind, beweist auch die Tatsache, dass er in seinen Betrieben viele Menschen mit Fluchthintergrund oder Rückkehrer aus dem Strafvollzug beschäftigt – Bösch glaubt an die zweite Chance, die jedem Menschen zustehe.

Filmreife Szenen

Nachdem der Tankstellenbesitzer die Tat angezeigt hat, kann er zunächst nicht glauben, dass die Polizei nicht per Lichtbild nach dem Räuber fahndet. Auch die Videoaufzeichnungen seien für die Ermittlungen zwar spannend, die Daten wurden aber bis heute nicht von der Exekutive erfasst. „Zwei Tage später war ich mit meinem Wagen auf dem Weg zur Arbeit. Kurz vor der Tankstelle des ersten Überfalls hielt ich dann an der Ampel und staunte nicht schlecht, als der Typ mit der Camouflage-Jacke am Straßenrand stand. „Als ich den Räuber sah, bin ich aus dem Auto raus und auf ihn los. Ich habe ihn direkt in den Schwitzkasten genommen.“ Die nächsten zehn Minuten kommen dem 56-Jährigen heute noch wie Stunden vor – Bösch ruft Passanten zu Hilfe, erklärt ihnen, dass es sich um einen Räuber handelt und wartet auf das Eintreffen der Polizei.

Minuten werden gefühlt zu Stunden

„Als ich den Mann festhielt, hatte ich natürlich Angst. Zumal ich nicht wusste, ob er die Waffe, die er beim Raub bei sich trug, dabei hatte. Trotzdem verhielt sich der Täter recht ruhig, er bat mich nur, meinen Griff etwas zu lösen, da es ihm Schmerzen bereiten würde. Ich habe aber eher das Gefühl, dass er zu diesem Zeitpunkt resigniert hatte“, führt Bösch fort. Als dann die Polizei eintraf, zeigte sich der wehrhafte Lustenauer erneut überrascht: „Der Einsatz verlief reibungslos, in diesem Punkt möchte ich die Polizei loben. Die Art und Weise, wie ich aber angeredet wurde, war dann alles andere als freundlich – ich wurde quasi wie ein Verbrecher hingestellt. Vielleicht waren sie wenig davon begeistert, dass ein couragierter Bürger ihnen die Arbeit abnimmt. Zumal sie vor Ort schon erkannt hatten, dass es sich um den Tankstellenräuber handelt, den sie suchten.“ Bösch wird im Anschluss ebenfalls auf der Wache vernommen und verlässt den Posten – wenn auch mit einem mulmigen Gefühl und ohne ein Wort des Danks von Seiten der Polizei.

Anzeige wegen Lärmerregung

Drei Tage später flattert dann ein Schreiben von der Polizei in den Briefkasten. Im ersten Moment denkt Bösch an ein Dankeschön für sein mutiges Einschreiten. Weit gefehlt, denn es handelt sich um eine Anzeige. „Weil ich beim Stellen des Gauners so laut geschrien habe, soll ich nun wegen Erregung ungebührlichen Lärms eine Strafe von 50 Euro berappen – eine bodenlose Frechheit. In Vorarlberg hätte man mir dafür wahrscheinlich einen Orden verliehen“, informiert der Tankstellenbesitzer, der seinen Anwalt einschaltet. Abschließend meint der Wiener Unternehmer: „Natürlich nimmt einen so eine Tat mit und im Nachhinein hätte ich vielleicht anders gehandelt. Ich habe aber dem Täter längst verziehen. Vielleicht ergibt es sich ja, dass wir uns wieder über den Weg laufen, wenn er seine Strafe verbüßt hat. Ich bin auf jedenfalls kein nachtragender Mensch.“ Bösch zeigt großes Herz, er würde den Iraker sogar in einer seiner Filialen beschäftigen: „Auch wenn mir meine Freunde ein Art Stockholm-Syndrom attestieren – mein Glaube an das Gute im Menschen bleibt ungebrochen.“

Österreichweites mediales Echo

Der Fall von Christoph Bösch sorgte für Schlagzeilen. Heute.at widmete dem Vorfall einen umfassenden Bericht. Auch Servus TV beschäftigte sich mit dem Vorgehen des couragierten Tankstellenpächters im Abendjournal.

Polizei wirft Bösch aggressives Verhalten vor

Auf Servus TV-Anfrage teilte die Polizei mit: „Laut Anzeige setzte der Angeklagte trotz mehrfacher Abmahnung ungebührliches und aggressives Verhalten und erschwerte dadurch die Amtshandlung. Etwaige Rechtfertigungsgründe kann der Angezeigte, wie üblich, im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens vorbringen.“

Juristische Situation

Stellungnahme von Mag. Florian Kreiner, Anwalt von Christoph Bösch

Ende Jänner wurden zwei von meinem Mandanten betriebene Tankstellen von demselben Täter unter Verwendung einer Waffe überfallen. Zufällig erkannte Herr Mag. Bösch den ihm von der Auswertung des Videomaterials bekannten Tatverdächtigen wieder, hielt sein Fahrzeug an, fixierte den Mann am Boden und ließ durch Passanten die Polizei verständigen. Dieser mutige Schritt wurde gesetzt, obwohl meinem Mandanten bekannt war, dass bei beiden Raubüberfällen eine Faustfeuerwaffe verwendet worden war. Gemäß § 80 StPO war mein Mandant zu dieser Handlung auch berechtigt, da er annehmen konnte, dass die Raubüberfälle vom Angehaltenen ausgeführt worden waren und in Folge der bereits erstatteten Anzeigen auch nach ihm gefahndet wurde oder zumindest werden sollte. Obwohl die nächste Polizeistation bloß 350 Meter entfernt war, dauerte es elf Minuten, bis die Polizei auch tatsächlich eintraf. Nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen wurde aber zunächst primär untersucht, ob mein Mandant dem Tankstellenräuber im Zuge der gerechtfertigten Anhaltung irgendwelche Verletzungen zugefügt haben könnte, was nicht der Fall war. In weiterer Folge wurde meinem Mandanten, quasi als Dank für sein mutiges Einschreiten, eine Strafverfügung übermittelt, der zufolge er durch lautstarkes Herumschreien ungebührlicherweise störenden Lärm erregt haben soll. Ein konkreter Sachverhalt wurde nicht angegeben. Auch wurden die für die Polizei vorbereiteten Auszüge aus den Überwachungs­videos seit fast vier Wochen bis dato nicht abgeholt. Die Strafverfügung gegen meinen Mandanten wurde demgegenüber bereits nach sechs Tagen erlassen. Aus meiner Sicht wird mein Mandant klar dafür bestraft, dass er Zivilcourage gezeigt hat und jenen Tatverdächtigen gefasst hat, nach dem die Polizei eigentlich fahnden hätte sollen, was naturgemäß ohne Abholung der Überwachungsvideos nur schwer möglich ist. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass die Wiener Polizei ihre Aufgaben nicht mit der gehörigen Sorgfalt wahrnimmt. Selbstverständlich hat meine Kanzlei die Strafverfügung mittels Einspruch bekämpft. Die Untätigkeit der Polizei und die mangelnde Bereitschaft, das Opfer von zwei Raubüberfällen gehörig zu unterstützen, sind demgegenüber höchst beunruhigend und alles andere als geeignet, das Vertrauen in die Polizei zu stärken.

Die gesamte Ausgabe der Wann & Wo lesen Sie hier.

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