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Alexander Van der Bellen fungiert aktuell als Krisenmanager mit schlechtem Blatt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss aktuell besonnen agieren
Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss aktuell besonnen agieren ©APA/HERBERT NEUBAUER
Das Staatsoberhaupt hat schon gemütlichere Tage in der Hofburg gehabt. Die aus dem Nichts hereingeprasselte Regierungskrise verlangt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen höchstes diplomatisches Geschick. Leicht wird es ihm nicht gemacht.
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Denn die von ihrer Abneigung gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) getriebenen Roten und Blauen erwägen mit allen bekannten Usancen zu brechen.

Was der Bundespräsident möchte

Was Van der Bellen will, hat er in den vergangenen Stunden klar gemacht. Der Präsident möchte, dass Kurz mit verdienten Beamten die Zeit bis zur Wahl möglichst unauffällig und sparsam abarbeitet. Dem Staatsoberhaupt ist wohl auch der Gedanke zuwider, dass Österreich in Brüssel nach der EU-Wahl in den kommenden nicht nur personell heiklen Wochen wie eine Lachnummer ohne handlungsfähige Regierung da steht.

Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz

Heute habe er keinen Plan B, verkündete Van der Bellen am Dienstag. Für Montag, wenn ein erfolgreicher Misstrauensantrag gegen Kurz droht, wird er sich wohl einen zurecht legen müssen. Immerhin bleiben dem bedachten Professor im Ruhestand ein paar Tage Zeit.

Als moralische Autorität ist der väterlich anmutende Präsident mittlerweile anerkannt und kann dies bei den laufenden Gesprächen in die Waagschale werfen. Zudem hat er die für einen ehemaligen Grünen-Chef mehr als heikle Angelobung der türkis-blauen Regierung zwar etwas zerstreut, aber durchaus dem Anlass angemessen über die Bühne gebracht.

Werdegang Van der Bellens

Der klassische Parteisoldat war das ehemalige SPÖ-Mitglied soundso nie. Peter Pilz war es, der ihn zu den Grünen holte, zunächst als Kandidat für den Rechnungshof, später als Abgeordneten. Ein bisschen fremdelte die Basis mit dem Volkswirtschafter, der ideologisch in kein fixes Kästchen einzuordnen war, stets. Dennoch setzte man den Sohn estnischer Einwanderer, der im Tiroler Kaunertal aufgewachsen war, 1997 an die Parteispitze.

Elf Jahre sollte er dort verweilen, für die Grünen eine bis zu Van der Bellen undenkbar lange Zeitspanne. Das Image des sehr guten, oft auch launigen Redners war über die Parteigrenzen hinweg und auch in der Bevölkerung ein gutes. Die Wahlergebnisse waren mal so, mal so. Jedenfalls gelang es in seiner Ära, die Grünen zur stabilen staatstragenden Partei umzumodeln.

Wohl die größte Enttäuschung seiner parteipolitischen Karriere war, dass es 2003 nicht zur schwarz-grünen Koalition kam, weil sich VP-Chef Wolfgang Schüssel letztlich mit den Freiheitlichen doch für den billigeren Partner entschied. Danach brauchte es einige Zeit, bis sich Van der Bellen wieder motiviert hatte.

So wurde Van der Bellen Staatsoberhaupt

2012 verließ er das Hohe Haus nach stolzen 18 Jahren, davon rund neun als Klubobmann, und wechselte nach Wien, eine Vorzugsstimmenkandidatur hatte sich bei der Gemeinderatswahl in der Bundeshauptstadt als Eigentor erwiesen, nahm Van der Bellen das Mandat nämlich trotz erfolgreicher Kampagne nicht an und erlitt damit eigentlich erstmals einen Imagekrater. Ebenfalls nicht unumstritten war sein Versorgungsposten als Universitätsbeauftragter der Stadt Wien.

Doch der Wähler bescherte Van der Bellen mit über 70 einen zweiten Frühling. Ins vom Frust über Rot-Schwarz entstandene Wähler-Vakuum stieß er mit einer cleveren Präsidentschaftskandidatur, die ganz neue Seiten des Hundefreunds präsentierte. Van der Bellen zeigte sich einerseits als Heimat-Politiker, verblüffte andererseits mit einem wenig staatstragenden Scheibenwischer in einer TV-Konfrontation mit seinem Kontrahenten Norbert Hofer von der FPÖ, den er schließlich im dritten Anlauf einer epischen Wahlschlacht recht knapp bezwingen konnte.

Ähnlichkeiten zu Heinz Fischer – aber noch entspannter

Sein Amt legte Van der Bellen nicht so unähnlich seinem Vorgänger Heinz Fischer an, vielleicht weniger leutselig, dafür noch entspannter. Zu Wort meldete sich das Europa- und Umweltthemen stark zugewandte Staatsoberhaupt nicht bei jeder Gelegenheit, sondern nur, wenn es ihm wichtig erschien, etwa wenn es ums Rütteln an der Menschenrechtskonvention oder die Art der Umsetzung des “12-Stunden-Tags” ging. Bei der Regierungsbildung war ihm bewusst, dass er Türkis-Blau nicht ohne mittlere Staatskrise verhindern könnte, setzte aber mit der prophylaktischen Ablehnung von Harald Vilimsky und Johann Gudenus sein Zeichen.

Zuletzt war Van der Bellen, der Vater zweier Söhne ist und in zweiter Ehe mit der früheren Grünen-Mitarbeiterin Doris Schmidauer verheiratet ist, nachgesagt worden, trotz fortgeschrittenen Alters eine zweite Hofburg-Kandidatur zu überlegen. Ob dem 75-Jährigen die derzeitigen Vorgänge diese Aussicht verdrießen oder ihn gar motivieren, wird man wohl in zwei bis drei Jahren wissen.

Zur Person:

Alexander Van der Bellen, geboren am 18. Jänner 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters. Aufgewachsen im Tiroler Kaunertal. Studierte Volkswirtschaft und unterrichtete als Uni-Professor sowohl in der Tiroler Hauptstadt als auch in Wien. Aus seiner ersten, im Herbst 2015 geschiedenen Ehe hat er zwei Söhne. Seit Kurzem ist er mit Doris Schmidauer, Geschäftsführerin im Grünen Parlamentsklub, verheiratet.

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(apa/red)

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