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Ab 2022: Statt Hacklerregelung kommt "Frühstarterbonus"

Die neue Regelung gilt ab 2022.
Die neue Regelung gilt ab 2022. ©APA/BARBARA GINDL
Ab 2022 wird statt der Hacklerregelung ein "Frühstarterbonus" im Pensionssystem eingeführt. Die Frühpension nach 45 Versicherungsjahren bleibt zwar, es kommen jedoch wieder Abschläge.

Statt der derzeitigen abschlagsfreien Hacklerregelung wird ein "Frühstarterbonus" im Pensionssystem eingeführt. Damit bekommen Menschen, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet haben, monatlich 60 Euro zusätzlich. Darauf haben sich ÖVP und Grüne geeinigt. Wie die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Gespräch mit der APA erläuterte, soll das neue Modell am kommenden Freitag per Initiativantrag im Nationalrat beschlossen werden und mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten.

Hacklerregelung bleibt grundsätzlich weiter bestehen

Die Hacklerregelung, wonach man mit 45 echten Beitragsjahren mit 62 in Frühpension gehen kann, bleibt grundsätzlich weiter bestehen. Allerdings werden die mit Beginn des heurigen Jahres abgeschafften Abschläge in der ursprünglichen Höhe von 4,2 Prozent pro Jahr ab 2022 wieder eingeführt.

Als Ausgleich dafür kommt dann der "Frühstarterbonus". Menschen, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet und Beitragsjahre erworben haben, bekommen damit einen monatlichen Fixbetrag von 60 Euro zu ihrer Pension zusätzlich. Voraussetzung sind insgesamt 25 Versicherungsjahre, ansonsten soll der Bonus unabhängig vom Zeitpunkt des möglichen Pensionsantritts ausbezahlt werden.

Neues Modell kostet zwischen 35 und 40 Millionen Euro

Die Gesamtkosten dieses neuen Modells werden auf 35 bis 40 Millionen Euro geschätzt. Das entspricht in etwa den geschätzten jährlichen Kosten der abschlagsfreien Hacklerregelung, die zwischen 20 und 50 Mio. Euro liegen sollen.

Die Grüne Klubobfrau Maurer betont, dass man damit das Pensionssystem "fairer und geschlechtergerechter" machen werde. "Der Frühstarterinnenbonus ist eine echte Hacklerregelung, von der jene Menschen profitieren werden, die früh zu arbeiten begonnen haben." Von der neuen Regelung würden niedrige und mittlere Pensionen und vor allem Frauen profitieren. Maurer betont, dass nun auch Frauen, die praktisch keine Chance haben, auf 45 Versicherungsjahre zu kommen, profitieren würden - "die Hacklerregelung wird damit zur Hacklerinnenregelung".

Vor allem Frauen profitieren von neuer Regelung

Die Grüne Klubobfrau erwartet, dass vom Frühstarterbonus vier Mal so viele Menschen profitieren werden wie von der derzeitigen abschlagsfreien Langzeitversichertenregelung. Im 1. Halbjahr 2020 haben 7.256 Männer und nur eine einzige Frau diese abgschlagsfreie Hacklerregelung in Anspruch genommen. "Es erfolgt also eine Umschichtung und gerechtere Verteilung der Gelder im Pensionssystem von einer kleinen, männlich dominierten Gruppe mit hohen Pensionen hin zu mehr als vier Mal so vielen Menschen, mit kleinen und mittleren Pensionen, wovon vor allem Frauen profitieren", unterstreicht Maurer.

FPÖ gegen "Frühstarterbonus", ÖVP: Details noch offen

Während ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Montag betonte, dass zu dem geplanten "Frühstarterbonus" als Ersatz für die abschlagsfreie Hacklerregelung noch Details offen seien, kommt von der FPÖ bereits massive Kritik. "Die Altersarmut wird sich verschlimmern", warnte FPÖ-Obmann Norbert Hofer.

Wöginger verwies darauf, dass die Verhandlungen mit den Grünen noch nicht ganz abgeschlossen seien. "Einige Details sind noch zu klären. Wir sind in guten Gesprächen", richtete der ÖVP-Klubobmann der APA aus. Offen dürfte etwa noch sein, wie viele Beitragsjahre zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr Voraussetzung für den Fixbetrag von 60 Euro sein sollen und ob man echte Beitragsjahre vorweisen muss oder auch Versicherungszeiten inklusive Ersatzzeiten reichen.

Hofer: Frühstarterbonus "kaum wirksam"

Hofer kritisierte in einer Aussendung, dass der Frühstarterbonus "völlig unausgegoren" und im Vergleich zur Hacklerregelung "kaum wirksam" sei. Deshalb befürchtet er, dass die Altersarmut weiter ansteigen werde. Der FPÖ-Obmann kann auch keine frauenpolitische Maßnahmen darin erkennen, wie die Grünen meinen. Für Hofer handelt es sich um einen "Schnellschuss", "nur damit die Grünen einen augenscheinlichen Verhandlungserfolg gegen die Anti-Hacklerregelung-Partei ÖVP vorweisen können".

Der niederösterreichische FPÖ-Obmann Udo Landbauer bezeichnete den Frühstarterbonus als "Almosen-Modell" und "Verhöhnung" für jene, die ihr Leben lang wirkliche Schwerarbeit geleistet haben.

SPÖ "dringlich" für abschlagsfreie Hacklerregelung

Die SPÖ will mit einem "Dringlichen Antrag" am Dienstag im Nationalrat die abschlagsfreie Hacklerregelung retten. Vize-Klubchef Jörg Leichtfried zeigte sich in einer Pressekonferenz über die am Montag bekannt gewordenen Abschaffungspläne von ÖVP und Grünen entsetzt. Man wolle den Menschen still und heimlich die Pension wegnehmen, kritisierte er. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) müsse dem Parlament dafür Rede und Antwort stehen.

Gerade in der aktuellen Coronakrise mit bald 500.000 Arbeitslosen falle der türkis-grünen Regierung nichts besseres ein, als jenen das Geld zu kürzen, die 45 Jahre lang eingezahlt hätten. Dabei, so Leichtfried, hätten im Vorjahr alle Parteien außer den NEOS noch für die Wiedereinführung gestimmt. Was vor der Wahl gegolten habe, müsse auch jetzt gelten, meinte Leichtfried. Der Kanzler habe "die Rechnung ohne die SPÖ gemacht". Mit ihrem "Dringlichen Antrag" will die SPÖ nicht nur die derzeit gültige abschlagsfreie Regelung beibehalten, sondern auch um weitere Berufsgruppen erweitern sowie auch jene Jahrgänge einbeziehen, die derzeit nicht erfasst sind.

"Frühstarterbonus" sei Schnell- bzw. Hüftschuss

Die von Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer am Montag in Aussicht gestellte Ersatzregelung mit einem "Frühstarterbonus" wollte Leichtfried nicht weiter beurteilen, handle es sich doch um einen Schnell- bzw. Hüftschuss. Viel mehr als Propaganda sei das nicht. Es habe dazu bisher keinerlei Debatte, keinen Vorschlag im Sozialausschuss und natürlich auch keine Begutachtung gegeben, nun solle dies Ende der Woche in einer "Nacht- und Nebelaktion" im Nationalrat durchgepeitscht werden. "Das ist eine Vorgangsweise, die absolut letztklassig ist", kritisierte Leichtfried: "Das Parlament wird von diesen Menschen, die in der Regierung tätig sind, nicht ernst genommen."

Das Budget des Bundes für 2021, das Hauptthema der am Dienstag startenden Plenarwoche des Nationalrats, sei eines der gebrochenen Versprechen, so der Vizeklubchef. Finanzminister Gernot Blümel ÖVP) werde nun zum dritten Mal etwas vorlegen, das die kommenden Wochen nicht überleben werde. Leichtfried ortete eine Kapitulation vor der Wirtschaftskrise. Es fehle die Fokussierung auf die Kaufkraft, auf Investitionen und auf die Sicherung der Arbeitsplätze.

NEOS: Eine schlechte Regelung durch andere ersetzt

Die NEOS lehnen den geplanten Frühstarterbonus ebenso ab wie die derzeitige abschlagsfreie Hacklerregelung. "Das Pensionssystem wird nicht enkelfitter und gerechter, wenn man eine schlechte Regelung durch eine andere schlechte Regelung ersetzt", sagte Sozialsprecher Gerald Loacker am Montag in einer Aussendung.

Die neue Regelung könnte sogar teurer ausfallen als die derzeitige und 2050 bereits rund 1,8 Milliarden Euro jährlich kosten, meinte Loacker. Zahlen müssten das vor allem die Jungen, die von der aktuellen Krise ohnehin schon am schwersten getroffen seien. Auch das Argument, dass Frauen besonders davon profitieren würden, lässt der NEOS-Sozialsprecher nicht gelten, weil das Geschlechterverhältnis beim Frühstarterbonus 50:50 sei. Loacker bekräftigte die NEOS-Forderung nach einer umfassenden Pensionsreform mit einer Pensionsautomatik, die die steigende Lebenserwartung berücksichtigt.

PRO-GE-Wimmer wirft Regierung "Pensionsraub" vor

Für den Vorsitzenden der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, Rainer Wimmer, ist die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung und die Schaffung eines Frühstarterbonus ein "Pensionsraub". Die Abschläge der Hacklerregelung hätten den Betroffenen im Schnitt rund 300 Euro gekostet, um die die Pension jetzt höher sei. "Pensionen werden also um 300 Euro gekürzt, 60 Euro werden wieder refundiert", zeigte sich Wimmer erbost.

"Darüber hinaus auch noch die Frechheit zu besitzen, das als sozialpolitischen Meilenstein zu verkaufen, macht nur noch fassungslos. Die Grünen haben sich endgültig von der Sozialpolitik verabschiedet", schimpfte der Gewerkschaftschef in einer Aussendung. Er verwies darauf, dass in einigen Jahren auch Frauen von der Hacklerregelung profitieren würden, da das Frauenpensionsalter angehoben wird. Diese schrittweise Anhebung betrifft alle Frauen, die nach dem 2.12.1963 geboren sind. Frauen, die ab dem 2.6.1968 zur Welt gekommen sind, haben bereits das gleiche Regelpensionsalter wie Männer.

Die Junge Industrie begrüßte hingegen zwar die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung. Nach Ansicht von Bundesvorsitzendem Matthias Unger hätte sie aber ersatzlos gestrichen werden sollen, weil der Frühstarterbonus wieder neue Kosten verursache.

(APA/Red)

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