Wiener Pädagogin warnt vor Sprachverweigerung
Die Sprachförderlehrerin Christiane M. schlägt Alarm: Fehlende Unterstützung im Elternhaus gefährdet die Bildungschancen einer ganzen Generation.
"Bitte alles auf Deutsch"
In der Klasse von Christiane M. ist Deutsch die Ausnahme. Die erfahrene Sprachförderlehrerin betreut derzeit rund 100 Kinder in vier Klassen einer Volksschule in Wien-Favoriten – und nur eines dieser Kinder spricht Deutsch als Muttersprache. Für die engagierte Pädagogin ist das kein neues Bild, aber eines, das sie zunehmend mit Sorge erfüllt.
"Ich sage den Eltern immer: Bitte alles auf Deutsch – aber es kommt nicht an", schildert Sie. "Es gibt Familien, die sind schon in dritter Generation hier und sprechen mit dem Kind nur Türkisch, obwohl sie selbst gut Deutsch können." In vielen Haushalten läuft "nur arabisches oder türkisches Fernsehen". Für Christiane M. ist das nicht nur Nachlässigkeit, sondern eine bewusste "Verweigerung".
Alltag ohne Deutsch
Laut dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sprechen inzwischen mehr als die Hälfte aller Schulkinder (51,6 Prozent) im Alltag kein Deutsch. Rund 35 Prozent der Kinder haben eine ausländische Staatsbürgerschaft. In den Volksschulen gelten aktuell über 15.600 Kinder als sprachlich förderbedürftig – sie können dem Unterricht nur eingeschränkt folgen.
Diese Zahlen spiegeln sich auch in der Praxis wider, erzählt Christiane M.: "Viele Kinder lernen zwar lesen, aber sie verstehen kaum, was sie lesen. Das Leseverständnis fehlt. Erst wenn man ihnen Fragen zum Text stellt, merkt man, was alles nicht ankommt." Bis zur vierten Klasse sei meist eine Verbesserung spürbar – aber der Rückstand bleibt.
Früh beginnen, um Chancen zu sichern
Für Christiane M. ist klar: Sprachförderung darf nicht erst mit dem Schuleintritt beginnen. "Die Deutschförderung muss schon ab dem 3. Lebensjahr im Kindergarten einsetzen", fordert sie. Denn je früher Kinder mit der Sprache in Berührung kommen, desto leichter lernen sie sie. Doch gerade im Elternhaus hapert es – und das bleibt nicht ohne Folgen.
Immer mehr Kinder wechseln von der Volksschule direkt in die Mittelschule. Das Gymnasium ist für viele unerreichbar geworden. "Früher war es etwa 50:50 – heute gehen rund 80 Prozent in die Mittelschule", sagt die Lehrerin. Nur wer zu Hause Unterstützung bekommt, schafft den Sprung ins Gymnasium.
"Ich bin ernüchtert und traurig"
Trotz aller Herausforderungen liebt Christiane M. ihren Beruf. Doch ihre Worte klingen bitter: "Ich hab’s immer gerne gemacht und mach’s noch immer gerne. Aber ich bin auch ernüchtert und traurig, dass es so bergab geht mit der Bildung – und mit den Zukunftschancen dieser Kinder."
Ihre Sorge geht weit über den Unterricht hinaus: "Was bleibt diesen Kindern später? Für die Buben: Mindestsicherung oder Kriminalität. Für die Mädchen: früh Mutter werden." Es ist eine düstere Perspektive, die Christiane M. zeichnet – und ein dringender Appell an Gesellschaft und Politik, nicht länger zuzusehen.
(VOL.AT)
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