Hauskatze kam wohl erst vor 2.000 Jahren in Europa an
Das Team um Marco de Martino und Claudio Ottoni von der Universität Tor Vergata in Rom, dem auch Forschende der Uni Wien und des Naturhistorischen Museum (NHM) Wien angehörten, hat im Rahmen eines großen vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Projekts das Erbgut von 70 Katzen aus rund 11.000 Jahren aus Europa und der Türkei und das Genom von 17 aktuell in Europa und Nordafrika lebenden Tieren analysiert. Ziel war es, mehr Licht in die gemeinsame Geschichte von Mensch und Katze zu bringen.
Nordafrika oder Naher Osten?
Hinweise auf den möglichen Beginn des Zusammenlebens liefern Funde aus dem jungsteinzeitlichen Nahen Osten bzw. aus Zypern aus der Zeit vor rund 9.500 Jahren oder aus dem Alten Ägypten vor rund 6.000 Jahren hin. Bisherige Ausbreitungsmodelle basierend auf genetischen Daten deuteten darauf hin, dass die Tiere zuerst mit den aus dem heutigen Anatolien immer weiter nach Europa vordringenden frühen landwirtschaftlich lebenden Menschen den Kontinent erschlossen haben und dann vor rund 2.000 Jahren quasi Verstärkung aus Ägypten bekamen, von wo aus eine zweite vierpfötige Migrationsbewegung startete.
Die neuen Untersuchungen, die auf der Komplettanalyse der erhaltenen alten DNA der in historischen Zeiten lebenden Katzen basiert, weisen auf einen Ursprung der modernen Hauskatzen in Wildkatzen-Populationen (Felis lybica lybica) aus Nordafrika, und nicht aus dem Nahen Osten hin. Bei den Katzen, die vor 9.500 bis 6.300 Jahre, in Südosteuropa und der Türkei lebten, handelte es sich den neuen Erkenntnissen zufolge um Nachfahren Europäischer Wildkatzen (Felis silvestris), deren Vorfahren vermutlich noch in Anatolien Gene von dort ebenfalls präsenten Afrikanischen Wildkatzen-Kollegen aufgeschnappt hatten. Diese genetisch Felis silvestris-lastigen Katzen sind aber nicht die Vorfahren der heutigen Hauskatzen.
Mit den Römern durch ganz Europa
Diese kamen der neuen Untersuchung zufolge erst viel später: Die erste Katze, die in den genetischen Cluster "Felis lybica lybica/Felis catus" hineinpasst, starb vor rund 2.200 Jahren auf Sardinien. Ihr Erbgut findet sich erstaunlich ident in heutigen wild lebenden Katzen auf der Mittelmeerinsel und zeigt die größte Übereinstimmung mit Afrikanischen Wildkatzen aus Marokko.
Die festlandeuropäischen Hauskatzen kamen aber erst rund 200 Jahre später - und wieder eher aus dem westlichen Nordafrika, so die Studienautoren. Dann ging es jedenfalls schnell, denn schon um das Jahr 100 nach Christus fanden sich Überreste eines Tieres aus dieser genetischen Gruppe in Großbritannien. Der älteste im Rahmen der Studie gefundene Nachweis eines Vorfahren der modernen Hauskatzen stammt aus Mautern in Niederösterreich, sie lebte um Christi Geburt.
Historische Austro-Katzen geben Aufschlüsse
Sein Fundort - in Mautern bestand damals eine regional bedeutsame römische Befestigung mit angeschlossener Siedlung (Vicus) - weist auch darauf hin, dass die Römer und ihre Straßennetze der Schlüssel zur raschen Ausbreitung in Europa waren, wie die Forschenden darlegen. Neben Mautern wurde auch das Erbgut von Katzenüberresten aus verschiedenen Epochen aus Bernhardsthal, Traismauer und Petronell-Carnuntum (alle NÖ) sowie aus Salzburg-Stadt analysiert.
Die Autoren der Arbeit gehen nun davon aus, dass die modernen Hauskatzen erst sehr viel später als bisher angenommen breit in Europa ankamen. Dem entgegen stehen laut einem Perspektivenartikel von Jonathan Losos von der Washington University in St. Louis (USA) aber zahlreiche Darstellungen von offensichtlich als Hauskatzen gehaltenen Tieren vor allem aus dem heutigen Griechenland und Italien. Diese sind bis zu 3.700 Jahre alt.
Forscher weist auf genetische Lücke und Schwäche in Studie hin
Dass sich im Rahmen der Studie kein früherer Domestikationsnachweis finden ließ, könne daran liegen, dass es in der Zeit zwischen 4.000 und 2.000 Jahren eine Flaute bei genetisch verwertbaren Proben gibt, schreibt Losos. So lasse sich etwa aus den zahlreichen ägyptischen Katzenmumien kaum verwertbares Erbgut extrahieren. Demnach könnte die Hauskatzen-Linie auch schon bereits deutlich früher im Süden Europas aufgetaucht sein - bisher jedoch genetisch unentdeckt.
Die Studie sei als ein Puzzlestein in einem weitverzweigten Projekt zu sehen, das der schwer zu erforschenden Haustierwerdung der Katze nachspürt, heißt es in dem Perspektivenartikel. Dem wissenschaftlich zu folgen ist nämlich ausgesprochen schwer, weil der Erbgut-Unterschied zwischen domestizierten Katzen und ihren wild lebenden Vorfahren und Verwandten viel geringer ist als jener zwischen Hund und Wolf.
(S E R V I C E - Publikation und Perspektivenartikel: , )
(APA)
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