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800 Meter pro Tag: Gletscher in der Antarktis verliert Eis in Rekordtempo

Der Hektoria-Gletscher ist ein Gletscher an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel.
Der Hektoria-Gletscher ist ein Gletscher an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel. ©Canva/Symbolbild
Der Hektoria-Gletscher an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel hat sich im Jahr 2022 um rund 25 Kilometer zurückgezogen – in Spitzenwerten um bis zu 800 Meter pro Tag. Fachleute zeigen sich alarmiert.

Am Hektoria-Gletscher ist ein extrem rascher Rückgang dokumentiert worden. Im Zeitraum von Jänner 2022 bis März 2023 verlor der Gletscher laut aktuellen Forschungsergebnissen rund 25 Kilometer an Länge. Besonders auffällig: Allein im November und Dezember 2022 zog sich die Gletscherfront an manchen Tagen um bis zu 800 Meter zurück – ein Tempo, das zu den höchsten je beobachteten zählt.

1928 entdeckt

Der Gletscher, der 1928 von Hubert Wilkins entdeckt wurde, liegt an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel und kalbt weiterhin große Eisberge ins Meer. Die neue Studie, veröffentlicht im Fachjournal Nature Geoscience, stammt von einem Team um Naomi Ochwat von der Universität Boulder (Colorado, USA).

Verlust von stützendem Eis beschleunigt Rückzug

Die Forscher:innen machen unter anderem den Verlust von sogenanntem Festeis – Eis, das zwar auf dem Meer schwimmt, aber mit der Küste verbunden ist – für die massive Beschleunigung verantwortlich. Bereits 2002 hatte der Zerfall des Larsen-B-Eisschelfs, eines großen Schelfeises an der Ostküste, zur Instabilität des Hektoria-Gletschers geführt. Nun wurden weitere dynamische Veränderungen beobachtet.

Satellitenbilder und Geschwindigkeitsmessungen zeigten, dass sich die Fließbewegung des Gletschers deutlich verstärkte, nachdem das stützende Festeis verloren gegangen war. In der Folge nahm auch die Eisdicke rasch ab.

Auftrieb des Meerwassers beschleunigt Kalbung

Ein weiterer zentraler Faktor für den Rückzug: Die Gletscherfront erreichte eine sogenannte ice plain – eine flache Zone zwischen Land und Meer. Dort wirkte der Auftrieb des Meerwassers besonders stark auf den Gletscher, was die Abbrüche durch Kalbung zusätzlich beschleunigte. Dies führte zum extremen Rückzug gegen Ende 2022.

Warnung vor ähnlichen Entwicklungen bei größeren Gletschern

Die Beobachtungen haben laut den Forschenden auch Relevanz für deutlich größere Gletscher, etwa den Pine-Island-Gletscher oder den besonders sensiblen Thwaites-Gletscher ("Doomsday Glacier") in der Westantarktis. Sollte dieser instabil werden oder kollabieren, könnte dies den gesamten westantarktischen Eisschild destabilisieren – mit erheblichen Auswirkungen auf den globalen Meeresspiegel.

Rückzugsprozesse ernst nehmen

Daniel Farinotti, Glaziologe an der ETH Zürich, war an der Studie nicht beteiligt, stimmt den Ergebnissen aber grundsätzlich zu. Er weist jedoch darauf hin, dass der Hektoria-Gletscher lokale Besonderheiten aufweise, die nicht eins zu eins auf andere Regionen übertragbar seien. Trotzdem sei es wichtig, bei Meeresspiegel-Prognosen künftig auch plötzliche Rückzugsprozesse durch Auftrieb stärker zu berücksichtigen.

(VOL.AT)

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